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Dresdener Nachtbilder.

„O ich habe auch Etwas," entgegnete das Mädchen,
„und vielleicht mehr als Ihr!"

„Oho! ja doch, wer's globt!" lachte der älteste Junge.

„ Hier, seht Jhr's," rief das Mädchen und zeigte das Geldstück.

„Was," schrie der Junge, nachdem er dastelbe neugierig be-
trachtet, „fünf Neugroschen! Die hat sie gemaust oder gefunden!"

„Halb Part, halb Part!" schrien die Andern und suchte» das
Geldstück dem Mädchen zu entwinden, welche um Hilfe schrie und
es fallen lasten mußte, weil der eine Junge sie in die Hand biß.

Gierig stürzten die Kinder dem weithinrollenden Geldstücke
nach und eilten damit fort. Einige Neugierige, die den Kampf
mit angesehen, entfernten sich und weinend schlich die Kleine
fort bis an eine der besuchtesten Restaurationen. Hier blieb
sie stehen, trocknete sich die Thränen und schien zu überlegen,
ob sie hineingehen solle.

Endlich trat sie in das Haus, aber schnell zog sie den Fuß
wieder zurück, denn schon hatten dieselben Jungen, welche ihr
das Geld entristen, hier Platz genommen, während ein kleiner
Junge von höchstens fünf Jahren mit seinem Körbchen in der Hand
aus den kalten Steinen in einer Ecke zusammengekauert schlief.

„Hier darf ich nicht hinein," klagte das Mädchen, und
setzte weinend ihren Weg fort, bis sie zitternd in bie_ noch
offene Thür eines Hauses trat, in einer der entlegensten
j Straßen der Wilsdruffer Vorstadt.

„Kommst du, Line?!" schrie eine gellende Stimme aus
; einem matt erleuchteten Zimmer des Hintergebäudes.

„Ja!" ries die Kleine, und griff sich an einem statt Gelän-
, der dienenden Seile bis an die Thüre der elterlichen Behausung.

Diese öffnete sich und zeigte eine Stube, in welcher außer
’ einem Tische, zwei altmodischen Stühlen, welche früher mit
Leder überzogen gewesen waren, nun aber Nichts mehr zeigten,
als einige herabhängende Fetzen des Ueberzugs, und außer einem
Kachelofen, Nichts weiter zu finden war, als eine von Stroh
i bereitete Lagerstelle mit alten Lumpen überdeckt, auf welcher schon
ein Mann von etwa höchstens dreißig Jahren schnarchend schlief.

„Na, was bringst du Balg denn mit, da du dich bis in
die Nacht herumgetrieben hast?!" frug die Stiefmutter, indem
sie das Kind heftig beim Arme in die Mitte der Wohnung zog,
wo auf dem Tische eine mit Schmutz überdeckte Lampe brannte.

„Ach Mutter, liebe Mutter," flehte die Kleine, „mir ist
es schlecht gegangen, ich bringe gar Nichts mit, verkauft habe
ich Nichts, und was mir ein Herr geschenkt, haben die an-
dern Kinder mir gewaltsam entristen."

„Was, du L—! Nischt, gar Nischl?" schrie die Stief-
mutter und gab der Flehenden einen Fußtritt, daß das Kind
bis hin auf den schnarchenden Vater stürzte.

„Gewiß, ich kann nichts dafür, liebe Mutter, schlag'
mich nur nicht," wimmerte das Kind, während der Vater,
im Schlafe gestört, fluchend sich auf die andere Seite wendete.

„Nischt, gar Nischt, du Sch-?" kreischte die Megäre,

immer wüthender werdend — „verfressen wird es das —
Mensch haben! Nu warte!" — und das zitternde Kind bei
den Haaren erfassend, schleifte sie dastelbe in der Stube um-
her und trat es mit Füßen.

„O Gott, o Gott," jammerte heulend vor Schmerz die
Kleine und sank auf die Knie, während die Stiefmutter ihr
die geballte Faust ins Gesicht schlug.

„Was ist denn das für ein Spectakel!" schrie nun der
Vater schlaftrunken sich emporrichtend, und als er sein Kind
unter den Händen der wüthenden Frau erblickte, ergriff er
den einen Stuhl und schlug damit die Frau vor den Kopf,
daß diese mit einem Fluche über das knieende Kind stürzte,
und dieses wimmernd unter der Gefallenen hervor in den
finstersten Winkel der Stube kroch.

Die Stiefmutter, welche vom Schlage betäubt, sich nach
wenigen Secunden wieder emporrichtete, wollte sich nun mit
verstärkter Wuth auf das Kind stürzen, aber der Trunkenbold
schien zur Besinnung gekommen zu sein, und er trat ihr daher mit
dem durch den Schlag abgebrochenen Stuhlbeine drohend entgegen.

„Daß du der Line nichts thust," rief er grollend. „Wenn
sie heute Nischt mitgebracht hat, so hast du sie maltraitirt genug.
Bringt se morgen Nischt, so krigst du und das Mädel Keile."

Brummend warf er sich wieder auf die Streu, betäubt vom
Schmerz des Falles nahm nun auch die Frau, welche die Schwere
seines Armes vielleicht nur zu oft empfunden hatte, an seiner
Seite Platz und bald hörte man in dem engen Raume der
Wohnung durch die Stille der Nacht Nichts als das Schnarchen
der Schlafenden und das Wimmern des mißhandelten Kindes.

Ed. Gottwald.

(Fortsetzung folgt.)

Der schwierige Plan.

„Aber Fritz, bedenke doch, soll denn dieses Lumpenleben alle
Tage so fortgehen? Machst du dir denn nie einen Plan, wenn
du früh erwachst, was du den Tag über vorzunehmcn gedenkst?"

„Ö, liebe Tante, ich habe jeden Morgen reiflich zu über-
legen, wo ich den Tag über mich aufhalten kann, ohne meinen
Gläubigern in die Hände zu laufen."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der schwierige Plan"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Schröder, Ferdinand
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Aufforderung
Bett <Motiv>
Aufwachen <Motiv>
Ältere Frau <Motiv>
Karikatur
Schuldner
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 13.1851, Nr. 305, S. 135

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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