Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
139

Der wohlangesehenen Bürger Lehmann und Graf re.

Wir standen wohl eine halbe Stunde da wie eingewurtselt
denn es konnte keiner vor Verwunderung gar kein Wort nicht
Hervorbringen. Auch hatte Lehmann seine Threnen getroknet
von wegen über seinen zerrisinen Frak und jetzt schlug er ein-
mal über das Andre die Hände über den Kobfe zusammen


sammt den beiden Werterbüchern, warum er auch mehrere
Male auf die herumstehenden Zuschauer einen unannehmlichen
Eindruck machte und balde einer Dame, balde einen Herrn
die Hüte in den Kobs hineinschlug, was aber bei der großen
Menschenmasse fast gar nicht bemerkt wurde. Nun kauften
wir uns auch einen Katteloch oder ein Jnhaltsverzeichniß von
der gansen Ausstellung, der aber auch bald eben so dicke war,
wie mein A bis M seligen Andenkens, warum ich auch den
Katteloch tragen muffe, damit das Gleichgewichte zwischen mir
und Lehmann wieder hergestellt wurde. Wie wir nun unsre
Wanderschaft anfingen, so nahmen wir uns vor, uns allemal
alles mit den Diactionär zu übersetzen, allein aber das ging
doch nicht so rasch und da hätten wir wohl mehrere Jahre
gebraucht, ehe wir damit fertig geworden wären. Wir gingen
also jetzt immer mit, wo die Mehrstcn hingingen, aber da
kam ich freilich am schlechtesten weg, denn da ich etwas niedrig
von Statuhr bin, so konnte ich immer niemals nicht über
die andern Zuschauer hinwegsehn, wenn ich mich auch auf
die Zähen stellte, was sehr unangenehm war.

Nun muß ich Euch aber bemerken, daß ich Euch nicht
etwa eine gans genaue Beschreibung von der gansen Jndcdusterie-
ausstellung geben will, liebe Anverwandten u. s. w. weil ich
dieses nicht kann, denn ich bin kein Sachverstendichter und kein
Dächniker nicht, weil ich mich immer mehr mit der Liederatur
beschäftigt habe. Die Ausstellung macht auch einen so merk-
wirdigen Eindruck auf Einen, daß man immer schon daß Er-
stcre gans vergessen hat, noch che man das Zweite angesehn
hat, daher will ich Euch nur einiges erzählen, was mir in
den Gedcchtnisse zurückgeblieben ist und was mir gans be-
sonders auffallen that. Das Uebrichte werdet Ihr euch in den
Zeitungens lesen, was aber gewiß langweilig genug sein wird.

Was mir gleich zuerst in die Augen gefallen ist, das war

das große Sticke Leinewand, was sie auf das Glasdach gedeckt
haben, damit daß es nicht hineinregnet; aber diese Leinwand
ist so groß, daß man für gans Pirna könnte auf vierhun-
dert Jahre lange Schnubfticher machen und noch länger und
wenn auch die ganse Stadt vierhundert Jahre lang den Stock-
schnubfen hätte, lieben Anverwaneten u. s. w. und dieses will
doch gewiß viel sagen, aber cs ist wahr.

Ich weiß aber gar nicht zu was sie die vier Stick großen
Orchcln haben aufgestellt, denn diese sind doch mehr als wie
Kleinigkeiten und ich möchte das Bohrto nicht bezahlen was
davon der Thransbort gekostet hat. Der Kister Lehmann
wollte gerne einmal auf einer von die Orcheln spielen, aber
cs war kein Wind nicht drinne und dann kam auch ein Auf-
seher, der Lehmann auf die Finger klobfte, weil es gar Nie-
manden nicht erlaubt ist, die Sachen anzurihren. Ich glaube
es muß manchmal Kirche sein hier in der Ausstellung, denn außer
die Orcheln gab es auch noch ein große Gloke hier und noch
dazu ein aus Sachsen und zum Sbaße werden sie doch diese
schweren Geschichten nicht hierher gethransboritirt haben.

Was ich erst lange nicht begreifen konnte, das war ein
Baronometer oder Wetterglas, aber nun rathet einmal, wo-
mit dieses in Bewegung gesetzt wurde? Mit Quäcksilber? —
oh nein! Mit Spüritus? — auch nicht! Mit Wind? —
erst recht nicht; nun ich sehe schon, daß Ihr es doch in Euren
gansen Leben nicht errathet, denn Ihr seid einmal nicht so
fifig als wie ich, liebe Anverwandten u. s. w. Dieses Wetter-
beobachtungsbaronometer wird nämlich von mehreren Blut-
igels in Bewegung gesetzt! Ihr glaubt dieses nicht, aber es
ist hingegen doch wahr und die Sache ist gans einfach. Es
sind nämlich mehrere Glasflaschen, wo in jeder ein Blutigel
sitzt und dieser ist nun so drehsiert, daß er sobald als wie
er schlechtes Wetter sbürt, weil er sehr feines Gefihl hat, daß
er dann in die Flasche gans hinauskriecht und oben an einem
Fädchen zieht, woran ein Glocke ist und so auf mehrere Tage
vorher das Wetter gans genau anzcigt.

Gleich neben den Blutigelbaronometcr stand ein neuerfun-
dener Regenparrablü ohne Uebcrzug, sondern nur ein Gestelle aus
Fischbeinstäben, aber am Griffe war ein Dreher mit Möchani-
zisimus, wo man konnte das Gestelle so rasch in der Luft
herumdrehcn, daß kein Regentrobfen nicht hindurch kommen
konnte. Man glaubt gar nicht, worauf jetziger Zeit noch die
Kunst rafinirirt.

Wenn ich mir hätte etwas aussuchen dürfen zum mit-
nehmen so hätte ich wohl leicht möglicherweise das schöne
goldne Schachspiel genommen, welches gans masief ist und
lausend Pfund Störlingse kostet, also siebntausend Thaler, da-
vor könnte ich mir in Pirna den gansen Marktplatz sammt
das Rathhaus und die Haubtwache kaufen. Ich wißte auch
nicht was ich mit dem Schache anfing, denn ich spiele nicht, weil
es mir zu anichant ist und obendrein noch langweilig. Dann
dächte ich auch, es würde es mir Einer stehlen, was sie auch
hier denken thun mochten, denn darum stand auch immer
Bohlizei drum herum, daß eS Keiner nicht mitnehmen thätc.

(Schluß folgt.)

18»
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der wohlangesehene Bürger Lehmann und Graf aus Berne bei Dresden, Reise nach London"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Besucher
Wörterbuch
Karikatur
Menschenmenge <Motiv>
Satirische Zeitschrift
Weltausstellung (1851 : London)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Gedränge <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 13.1851, Nr. 306, S. 139

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen