D irektest e illu strirte Nachrichten vom Kriegsschauplätze.
kluge Matrose an den Schwanz eines jeden Delphins eine
tüchtige Brandrakete, richtet den Zünder so ein, daß der Feuer-
werkkörper erst in bestimmter Entfernung explodirt und dann
werden die Delphine auf die ruffischen Schiffe gehetzt. Auf
diese Weise werden sämmtliche Fahrzeuge im Hafen in wenigen
Augenblicken vernichtet.
Der Matrose soll wegen seiner Lehrfähigkeiten bereits für
eine der englischen Universitäten gewonnen sein. Ob zur Zucht
von Stockfischen — das wissen wir nicht genau anzugeben.
Es hat sich jetzt im Lager der Verbündeten die Nach-
richt verbreitet, daß bei einem der letzten Ausfälle General
Liprandi gefährlich verwundet worden ist. Man hat alle Hoff-
nungen für seine Wiederherstellung in Sebastopol völlig auf-
gegeben.
Heute Morgens vernahmen wir, daß General Liprandi
in vergangener Nacht in Folge seiner Wunden gestorben sei.
Allgemeine Trauer in der Festung und Freude im Lager der
Verbündeten.
Nachmittags erfuhr man aus ebenfalls völlig glaubwür-
diger Quelle, daß General Liprandi bei jenem Ausfall gar
nicht verwundet wurde und sich ganz wohl befinden soll. All-
gemeine Freuve in der Festung und Trauer im Lager der
Verbündeten.
Wir fügen hinzu, daß bei der Wichtigkeit vieses Falles
sich rasch zwei Parteien bildeten, von denen die eine behauptete,
daß Liprandi todt sei, während die andere meinte, daß er am
Leben geblieben. Ein großer Theil der vorurtheilsfreistcn Män-
ner kam jedoch darin überein, weder das Eine noch das
Andere zu glauben.
Am ersten Weihnachtsfeiertage brachte ein
wirklich tragikomischer Vorfall fast das ganze
Lager der Franzosen in Aufregung.
Am Tage vorher war nämlich eine bedeu-
tende Ladung Cognac aus Frankreich angekommen
und dieser wurde den tapfern Soldaten als Wcih-
uachtsgabe feierlichst überreicht. Der Jubel der
Beschenkten läßt sich kaum beschreiben und wurde
derselbe durch den ehrenhaften Zuspruch, welchen
man dem geistvollen Geschenk bewies, nur immer
toller und ausgelaffcner. Am Tollsten ging cs
in einer Mörserbatterie gegenüber dem Fort Alexan-
der zu. Dort tanzten die lustigen Artilleristen
um ihre Füßchen, entleerten eines nach dem an-
dern und sangen aus vollen Kehlen 1» reine
Hortense baju. Endlich kommt einer der ausge- ^
lassendsten Burschen auf den Einfall: mit der
nächsten Mörserladuflg auch eines der Cognacfäßchen mit hin-
über in das Fort zu schicken. Die Idee fand ungctheilten
Beifall, das größte Füßchen ward ausgesucht und im nächsten
Augenblick flog die herrliche Ladung in einem weiten Bogen
mitten in das Fort hinein.
Allein die Wirkung des Schusses, welche derselbe drüben
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unter der russischen Besatzung hervorbrachtc, zu beschreiben,
dürfte gewiß eben so schwer sein, als die Wirkung selbst dem
Leser unglaublich erscheinen möchte. Wir versichern jedoch hier-
bei auf unsere Tartarenehre, daß wir uns streng an die
Wahrheit des Factums halten wollen.
Das Fäßchen mit Cognac schlug mit furchtbarer Gewalt
gegen eine innere Mauer des Forts, zersprang natürlich sofort
und übergoß eine halbe Compagnie ruffischer Infanteristen der-
maßen, daß die grauen Capots ganz durchnäßt waren. Hier- I
auf entstand eine Pause des allgemeinen Entsetzens ob solch
unerhörter Schießwaffe, welche man anfangs dem Teufel selbst
zuschreiben wollte, weshalb auch die Soldaten auf die Kniee
niedersanken und zu jammern begannen. Kaum belehrte jedoch
die Uebergossenen der köstliche Geruch ihrer Capots über den
Inhalt des Wunderfäßchens, als auch alle Teufelsfurcht ver-
schwand und Jeder sich eifrigst bemühte, mit Mund und Zunge
das göttliche Naß den schmutzigen Röcke» zu entreißen. Der
Jubel bei dieser herrlichen Beschäftigung konnte kaum geringer sein
als der im Lager der Franzosen, welche bei ihren vollen Fäß-
chen Zeugen der ganzen Scene waren, natürlich nur vermittelst
guter Fernröhre. Plötzlich nahten sich jedoch drüben im Fort
einige Stabsoffiziere, welche sich nach dem Grund des unge-
wöhnlichen Lärmens erkundigten. Schnell entschloffen befiehlt
General Durstokoff sämmtliche« cognacübergossencn Soldaten
auf der Stelle ihre Capots auszuziehen und den Leckermäulern
pro Mann fünfzig Kantschuhiebe zu Theil werden zu lassen.
Die Capots wurden aber sofort in die Wohnung des Generals
Durstokoff gebracht „Zur Reinigung", wie Seine Exeellenz
gesagt hatten. Die Prügelstrafe wurde nun rasch an den capot-
beraubten Infanteristen vollzogen, allein kaum hatten die Ar-
men ihre Hiebe empfangen, als sie wieder wie besessen an
jene Mauer eilten, wo vorhin das Cognacfaß zerplatzt war,
und hier mit ihren Zungen alle Spuren des irgendwo noch
haftenden himmlischen Getränkes an Mauer und Erdboden ver-
tilgten.
Es wäre jetzt den französischen Artilleristen ein Leichtes
gewesen, durch einige gut gezielte Schüffe den ganzen Haufen
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kluge Matrose an den Schwanz eines jeden Delphins eine
tüchtige Brandrakete, richtet den Zünder so ein, daß der Feuer-
werkkörper erst in bestimmter Entfernung explodirt und dann
werden die Delphine auf die ruffischen Schiffe gehetzt. Auf
diese Weise werden sämmtliche Fahrzeuge im Hafen in wenigen
Augenblicken vernichtet.
Der Matrose soll wegen seiner Lehrfähigkeiten bereits für
eine der englischen Universitäten gewonnen sein. Ob zur Zucht
von Stockfischen — das wissen wir nicht genau anzugeben.
Es hat sich jetzt im Lager der Verbündeten die Nach-
richt verbreitet, daß bei einem der letzten Ausfälle General
Liprandi gefährlich verwundet worden ist. Man hat alle Hoff-
nungen für seine Wiederherstellung in Sebastopol völlig auf-
gegeben.
Heute Morgens vernahmen wir, daß General Liprandi
in vergangener Nacht in Folge seiner Wunden gestorben sei.
Allgemeine Trauer in der Festung und Freude im Lager der
Verbündeten.
Nachmittags erfuhr man aus ebenfalls völlig glaubwür-
diger Quelle, daß General Liprandi bei jenem Ausfall gar
nicht verwundet wurde und sich ganz wohl befinden soll. All-
gemeine Freuve in der Festung und Trauer im Lager der
Verbündeten.
Wir fügen hinzu, daß bei der Wichtigkeit vieses Falles
sich rasch zwei Parteien bildeten, von denen die eine behauptete,
daß Liprandi todt sei, während die andere meinte, daß er am
Leben geblieben. Ein großer Theil der vorurtheilsfreistcn Män-
ner kam jedoch darin überein, weder das Eine noch das
Andere zu glauben.
Am ersten Weihnachtsfeiertage brachte ein
wirklich tragikomischer Vorfall fast das ganze
Lager der Franzosen in Aufregung.
Am Tage vorher war nämlich eine bedeu-
tende Ladung Cognac aus Frankreich angekommen
und dieser wurde den tapfern Soldaten als Wcih-
uachtsgabe feierlichst überreicht. Der Jubel der
Beschenkten läßt sich kaum beschreiben und wurde
derselbe durch den ehrenhaften Zuspruch, welchen
man dem geistvollen Geschenk bewies, nur immer
toller und ausgelaffcner. Am Tollsten ging cs
in einer Mörserbatterie gegenüber dem Fort Alexan-
der zu. Dort tanzten die lustigen Artilleristen
um ihre Füßchen, entleerten eines nach dem an-
dern und sangen aus vollen Kehlen 1» reine
Hortense baju. Endlich kommt einer der ausge- ^
lassendsten Burschen auf den Einfall: mit der
nächsten Mörserladuflg auch eines der Cognacfäßchen mit hin-
über in das Fort zu schicken. Die Idee fand ungctheilten
Beifall, das größte Füßchen ward ausgesucht und im nächsten
Augenblick flog die herrliche Ladung in einem weiten Bogen
mitten in das Fort hinein.
Allein die Wirkung des Schusses, welche derselbe drüben
123
unter der russischen Besatzung hervorbrachtc, zu beschreiben,
dürfte gewiß eben so schwer sein, als die Wirkung selbst dem
Leser unglaublich erscheinen möchte. Wir versichern jedoch hier-
bei auf unsere Tartarenehre, daß wir uns streng an die
Wahrheit des Factums halten wollen.
Das Fäßchen mit Cognac schlug mit furchtbarer Gewalt
gegen eine innere Mauer des Forts, zersprang natürlich sofort
und übergoß eine halbe Compagnie ruffischer Infanteristen der-
maßen, daß die grauen Capots ganz durchnäßt waren. Hier- I
auf entstand eine Pause des allgemeinen Entsetzens ob solch
unerhörter Schießwaffe, welche man anfangs dem Teufel selbst
zuschreiben wollte, weshalb auch die Soldaten auf die Kniee
niedersanken und zu jammern begannen. Kaum belehrte jedoch
die Uebergossenen der köstliche Geruch ihrer Capots über den
Inhalt des Wunderfäßchens, als auch alle Teufelsfurcht ver-
schwand und Jeder sich eifrigst bemühte, mit Mund und Zunge
das göttliche Naß den schmutzigen Röcke» zu entreißen. Der
Jubel bei dieser herrlichen Beschäftigung konnte kaum geringer sein
als der im Lager der Franzosen, welche bei ihren vollen Fäß-
chen Zeugen der ganzen Scene waren, natürlich nur vermittelst
guter Fernröhre. Plötzlich nahten sich jedoch drüben im Fort
einige Stabsoffiziere, welche sich nach dem Grund des unge-
wöhnlichen Lärmens erkundigten. Schnell entschloffen befiehlt
General Durstokoff sämmtliche« cognacübergossencn Soldaten
auf der Stelle ihre Capots auszuziehen und den Leckermäulern
pro Mann fünfzig Kantschuhiebe zu Theil werden zu lassen.
Die Capots wurden aber sofort in die Wohnung des Generals
Durstokoff gebracht „Zur Reinigung", wie Seine Exeellenz
gesagt hatten. Die Prügelstrafe wurde nun rasch an den capot-
beraubten Infanteristen vollzogen, allein kaum hatten die Ar-
men ihre Hiebe empfangen, als sie wieder wie besessen an
jene Mauer eilten, wo vorhin das Cognacfaß zerplatzt war,
und hier mit ihren Zungen alle Spuren des irgendwo noch
haftenden himmlischen Getränkes an Mauer und Erdboden ver-
tilgten.
Es wäre jetzt den französischen Artilleristen ein Leichtes
gewesen, durch einige gut gezielte Schüffe den ganzen Haufen
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Direkteste illustrirte Nachrichten vom Kriegsschauplatze"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 21.1855, Nr. 496, S. 123
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg