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sofort über die gemeinen Soldaten her und in Zeit von weitern
fünf Minuten war die ganze Besatzung hundstoll. Als keine
Menschen mehr zu beißen waren, stürzten sich die Unglücklichen
auf Gewehre, Kanonen, Wagen, u. s. w., in welche sie ihre
Zähne einschlugen. Und so unerhört heftig war der Grad der
Tollheit, daß — es klingt freilich unglaublich, aber ich kann
es auf Tartarenehrc versichern! — daß auch diese tobten Ge-
genstände von der Tollheit angesteckt wurden und wie rasend
unter einander herumfuhren. Zum Glücke, muß man sagen,
war auch ein großer, gefüllter Pulverwagen mit gebissen wor-
den und rasetc hierauf so gewaltig nach allen Seiten hin- und
her, daß sich endlich durch die beständige Reibung das Pulver
entzündete und mit einem furchtbaren Krachen die ganze Bastion
nebst Allem, was darauf war, in Atome zersprengt wurde.

Dieser Umstand machte im Lager der Verbündeten einen
erschütternden Eindruck, aber Niemand frohlockte über den Ver-
lust der Russen, venn unverschuldetes Unglück findet auch beim
Feinde, wenn derselbe civilisirten Nationen angehört, eine Thräne
des Mitleides.

Oberon von Wieland

(Schluß).

Als ich zu Ende war, meinte der Hofrath, der Oberon sei aller-
dings ein abscheulicherMensch gewesen und er beklage die armeMarie
sehr, aber er könne auch weiter Nichts für sie thun, als sie
beklagen; denn er sei noch ledig, habe gar keinen Sohn und
sein Oberon sei ein Buch, welches er geschrieben habe. Es
müsse hier ein ganz eigenthümliches Mißverständniß und Na-
mensmißbrauch zu Grunde liegen, über welche beide wohl nur
unser Gerichtshalter werde Auskunft ertheilen können und
diese wolle er sich zu verschaffen suchen, durch Vermittlung eines
Freundes in Arnstadt. Der Herzog fiel ihm jedoch in's Wort
und erklärte, „Sie können mehr thun, bester Hofrath, als nur
das arme Mädchen beklagen, Sie können es, wenn Sie nur
wollen, und ich wünsche, daß es geschieht. Gönnen Sie dem
Kinde nur ihren unsterblichen Namen und helfen Sie mir es
aus der Taufe heben, der Geheime Rath Goethe wird unser

n Wielanv.

Mitgevatter sein. Für das Weitere zu sorgen habe ich mir
vorgenommcn. Den Schelm von Vater zu ermitteln, bin ich
ebenso begierig wie Sie, und daß es uns gelingen wird, hoffe
ich zu Gott!" Dem also ausgesprochenen Wunsche des Herzogs
fügte sich der Hofrath sofort, beide bestimmten Tag und Stunde
wo sie in M . . . rotha zur Taufe eintreffen wollten und ich
wurde mit der Weisung entlassen, die Taufe zu bestellen.

Welche Aufregung der Erfolg meiner Sendung und meine
mitgebrachtcn Nachrichten bei den Meinige» und im ganzen
Dorfe hervorbrachten, kann man sich denken und selbst der
Baron kam in unser elendes Häuschen, um sich zu erkundigen,
ob Alles so wahr sei, was ich natürlich nur bestätigen konnte.
Als die zur Taufe festgesetzte Stunde erschien, war unsre Kirche
so voll, wie sie wohl seit ihrer Erbauung nicht gewesen war;
von allen benachbarten Dörfern waren die Leute herbeigeströmt
um das Mirakel in Augenschein zu nehmen, das noch Niemand
gesehen hätte, nämlich wie ein Herzog Gevatter steht. Ich
machte mich nicht wenig mausig, in meinen Sonntagskleidern,
denn alle Leute zeigten mit Fingern auf mich und zischelten
einander in die Ohren: „der Dünne dort, der Schneider, das
ist der verfluchte Kerl, der soviel Courage gehabt hat, nach
Weimar zu laufen und den Herzog und die andern zwei vor-
nehmen Herren zu Gevattern zu bitten." Mein Stolz fing aber
an bedeutend zu wanken, als eine Viertelstunde nach der andern
verlief, ohne daß die hohen Herrschaften sich einstellten und ich
wurde kleinmüthig und ängstlich genug, als die Leute immer
unruhiger und unruhiger und die Gesichter immer schadenfroher
wurden. Vor allem war es der Baron, der mir aus seiner
Kapelle so schadenfrohe Blicke zuwarf, daß es mich wie lauter
Ameisen überlief. Da endlich vernahm man vas Gerassel
mehrerer Wagen, die bald vor der Kirche hielten. In dem
einen Wagen saß der Herzog nebst dem Herrn Hofrath und
dem Geheimen Rath Goethe, der zweite Wagen war der uns
Allen wohlbekannte altmodische des Gerichtshalters. Die Herr-
schaften wurden von dem Baron und dem Pastor begrüßt,
ihnen folgte der Gerichtshalter, der etwas verblüfft und des-
parat aussah, zur Kirche und dort erklärte er, daß er sofort
nach der Taufe über den Vater des Kindes den gewünschten
Ausschluß geben werve. Die drei Herren waren über Arnstadt
gefahren und hatten den Gerichtshalter gleich mitgebracht.

Vor Beginn der Taufhandlung übergab der Herzog dem
Pastor auf einem Zettel die Namen, welche das Kind führen
solle, es waren die Namen Christian, Martin, Oberon und als
Eingebindc fügte er, nebst einer kleinen Pension für die Marie,
Namens des abwesenden Vaters ein großes, schön geschriebenes
Adelsdiplom bei, laut welchem der Junge und alle feine ehe-
lichen Nachkommen sich von Wieland zu nennen hatten und
so wurde das Kind auch getauft.

Der Gerichtshaller erklärte über den Vater des Kindes,
daß dieser ein junger Herr von Adel sei, aus dem Geschlecht«
derer von D.dn, der in seiner doppelten Eigenschaft, als
Bildbeschreibung

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Titel/Objekt
"Direkteste illustrirte Nachrichten vom Kriegsschauplatze"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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G 5442-2 Folio RES

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Entstehungsort (GND)
München

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Fund/Ausgrabung

Provenienz

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Sammlung Eingang

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Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Soldat <Motiv>
Tollwut
Karikatur
Krimkrieg <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Fliegende Blätter, 21.1855, Nr. 501, S. 162

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