83
Wie ich zu meinem Weibe kam.
nem Kinde blos das geben, was ich selbst besitze, näm-
lich Sinn für Wirthlichkeit, Rechtschaffenheit und Spar-
samkeit. Wenn sich nun ein Mann findet, der mit dieser Mit-
gift sich begnügt, ein Mann der ein gutes Herz besitzt und
im Stande ist, ein Weib zn ernähren, so werde ich nicht zögern
ihm mit meinem Segen meine Tochter zu geben. Sie selbst
ist zu folgsam und liebt mich zu viel, als daß sie gegen die
Wahl, die ich treffen würde, irgend eine Einwendung machen
möchte."
Das war wirklich aufrichtig und deutlich gesprochen. Zch
erhob mich, überreichte der Matrone meine Karte, versprach
morgen Vormittag wieder zu kommen und zwar, wie ich
lächelnd sagte, nicht allein und entfernte mich nach einem herz-
lichen Händedruck, nicht ohne auf die Thüre, in der die schöne
Marie verschwunden war, einen Blick geworfen zu haben.
Als ich zu Hause anlangte, kam mir Julius schon mit
einem Freudensprung entgegen. Er war völlig verwandelt.
Seine Augen blitzten und eine lebhafte Rothe lagerte auf
seinen Wangen.
„Endlich, endlich, daß Sie da sind", rief er. „Ach,
Onkel, welches Glück! welches Glück! Denken Sie sich, sie ist
wieder hier, ich habe sie gesehen und gesprochen, sie hat mich
eingeladcn sie wieder zu besuchen, ich bin der Glücklichste der
Menschen!"
Und dabei drehte er sich auf den Absätzen herum.
„Ja von wem sprichst Du denn?" fragte ich ihn ganz
verblüfft, und Hut und Stock entfiel meinen Händen.
„Von ihr, von ihr, die alle Herzen mit sich nimmt, von
ihr, der Herrlichen), Unvergleichlichen, von der- schönsten und
feurigsten Tänzerin der Welt, von der göttlichen Camilla!"
„Camilla, Camilla", wiederholte ich wie halb träumend.
„Ja um's Himmels willen. Du bist doch in Maria Helmer
verliebt?"
„Ach, was ist sie gegen Camilla! Ter Mond im Ver-
gleich zu der Sonne! Eine Oellampe gegen Gasbeleuchtung!
Sie freilich können mich nicht verstehen, denn Sie haben nie
geliebt und wissen auch nicht was Liebe ist!"
Ich stand da und konnte unmöglich glauben, was ich
hörte. Es kam mir vor, als ob ein Alp mich drückte.
„Also Du willst Maria Helmer nicht heirathcn?" war
Alles, was ich nach einer ziemlichen Pause hcrvorbringen
konnte.
„Kann ich ihr denn meine Hand gebe», wenn Camilla
schon seit einem Jahre mein Herz besitzt", erwiderte er, indem
er mich selber erstaunt und vorwurfsvoll ansah, als ob ich ihn
zu einem Verbrechen hätte verleiten wollen und seine Mienen
waren in ihrer Entrüstung dabei so komisch, daß ich wider
Willen über diesen sonderbaren extravaganten Menschen laut
auflachcn mußte.
„Höre Julius", sagte ich, „ich wußte wohl, daß Du wie
viele Maler ein Narr, daß Du aber verrückt bist, das erfahre
ich erst heute."
„Onkel, Sie haben nie geliebt! —"
„Hol Dich der Henker," rief ich, „mit sammt Deiner
Liebe! Was soll ich jetzt thun? Ich frage Dich, vcrnunftloses,
narrheitsreiches Menschenkind, was ich jetzt thun soll? Deinet-
wegen habe ich mich blamirt. Ich habe der Madame Helmer
mein Wort gegeben, morgen Vormittag mit Dir zu ihr zu
kommen, was soll ich nun thun?"
„Machen Sie was Sie wollen, Onkel," war die Ant-
wort. „Gehen Sie gar nicht, ober noch zwanzig Mal hin,
sagen Sie zu oder ab, das ist mir Alles Eins. Ich habe
meine Camilla gefunden und eine Andere verlange ich nicht!"
Um nun den Leser nicht zu ermüden, will ich ihm in
aller Kürze erzählen, daß ich den andern Tag mit schwerem
Herzen den Weg bis zur Friederichsstraße allein zurücklegte.
Ich wollte nämlich Madame Helmer um Entschuldigung bitten
und ihr ganz offen die Narrheit meines Neffen mittheilen.
Als ich anläutete, öffnete mir abermals Marie. Sic
schien mir noch schöner, als gestern zu sein, und auch kam es
mir vor, als ob bei meinem Anblick eine flüchtige Röthe ihr
reizendes Gesichtchen überzog. Nachdem mich nun die Mutter
bewillkommt, Marie mir einen Seffel gestellt und dann aber-
mals durch die bewußte Seitenthüre verschwunden war, wollte
ich anfangen das Geschehene zu erzählen; doch muß ich dabei
sehr verlegen ausgesehen haben, denn Madame Helmer unter-
brach mich bei den ersten zwei Worten, die ich sprach.
„Herr Müller," sagte Sie lächelnd, „strengen Sie sich
nicht an, eine Kunst auszuüben, die Ihnen ganz fremd ist,
nämlich die Kunst der Verstellung. Der Verwandte, von dem
Sie sprachen, sind Sie selbst."
Ich war wie vom Blitz gerührt. Ich wurde bald roth
11*
Wie ich zu meinem Weibe kam.
nem Kinde blos das geben, was ich selbst besitze, näm-
lich Sinn für Wirthlichkeit, Rechtschaffenheit und Spar-
samkeit. Wenn sich nun ein Mann findet, der mit dieser Mit-
gift sich begnügt, ein Mann der ein gutes Herz besitzt und
im Stande ist, ein Weib zn ernähren, so werde ich nicht zögern
ihm mit meinem Segen meine Tochter zu geben. Sie selbst
ist zu folgsam und liebt mich zu viel, als daß sie gegen die
Wahl, die ich treffen würde, irgend eine Einwendung machen
möchte."
Das war wirklich aufrichtig und deutlich gesprochen. Zch
erhob mich, überreichte der Matrone meine Karte, versprach
morgen Vormittag wieder zu kommen und zwar, wie ich
lächelnd sagte, nicht allein und entfernte mich nach einem herz-
lichen Händedruck, nicht ohne auf die Thüre, in der die schöne
Marie verschwunden war, einen Blick geworfen zu haben.
Als ich zu Hause anlangte, kam mir Julius schon mit
einem Freudensprung entgegen. Er war völlig verwandelt.
Seine Augen blitzten und eine lebhafte Rothe lagerte auf
seinen Wangen.
„Endlich, endlich, daß Sie da sind", rief er. „Ach,
Onkel, welches Glück! welches Glück! Denken Sie sich, sie ist
wieder hier, ich habe sie gesehen und gesprochen, sie hat mich
eingeladcn sie wieder zu besuchen, ich bin der Glücklichste der
Menschen!"
Und dabei drehte er sich auf den Absätzen herum.
„Ja von wem sprichst Du denn?" fragte ich ihn ganz
verblüfft, und Hut und Stock entfiel meinen Händen.
„Von ihr, von ihr, die alle Herzen mit sich nimmt, von
ihr, der Herrlichen), Unvergleichlichen, von der- schönsten und
feurigsten Tänzerin der Welt, von der göttlichen Camilla!"
„Camilla, Camilla", wiederholte ich wie halb träumend.
„Ja um's Himmels willen. Du bist doch in Maria Helmer
verliebt?"
„Ach, was ist sie gegen Camilla! Ter Mond im Ver-
gleich zu der Sonne! Eine Oellampe gegen Gasbeleuchtung!
Sie freilich können mich nicht verstehen, denn Sie haben nie
geliebt und wissen auch nicht was Liebe ist!"
Ich stand da und konnte unmöglich glauben, was ich
hörte. Es kam mir vor, als ob ein Alp mich drückte.
„Also Du willst Maria Helmer nicht heirathcn?" war
Alles, was ich nach einer ziemlichen Pause hcrvorbringen
konnte.
„Kann ich ihr denn meine Hand gebe», wenn Camilla
schon seit einem Jahre mein Herz besitzt", erwiderte er, indem
er mich selber erstaunt und vorwurfsvoll ansah, als ob ich ihn
zu einem Verbrechen hätte verleiten wollen und seine Mienen
waren in ihrer Entrüstung dabei so komisch, daß ich wider
Willen über diesen sonderbaren extravaganten Menschen laut
auflachcn mußte.
„Höre Julius", sagte ich, „ich wußte wohl, daß Du wie
viele Maler ein Narr, daß Du aber verrückt bist, das erfahre
ich erst heute."
„Onkel, Sie haben nie geliebt! —"
„Hol Dich der Henker," rief ich, „mit sammt Deiner
Liebe! Was soll ich jetzt thun? Ich frage Dich, vcrnunftloses,
narrheitsreiches Menschenkind, was ich jetzt thun soll? Deinet-
wegen habe ich mich blamirt. Ich habe der Madame Helmer
mein Wort gegeben, morgen Vormittag mit Dir zu ihr zu
kommen, was soll ich nun thun?"
„Machen Sie was Sie wollen, Onkel," war die Ant-
wort. „Gehen Sie gar nicht, ober noch zwanzig Mal hin,
sagen Sie zu oder ab, das ist mir Alles Eins. Ich habe
meine Camilla gefunden und eine Andere verlange ich nicht!"
Um nun den Leser nicht zu ermüden, will ich ihm in
aller Kürze erzählen, daß ich den andern Tag mit schwerem
Herzen den Weg bis zur Friederichsstraße allein zurücklegte.
Ich wollte nämlich Madame Helmer um Entschuldigung bitten
und ihr ganz offen die Narrheit meines Neffen mittheilen.
Als ich anläutete, öffnete mir abermals Marie. Sic
schien mir noch schöner, als gestern zu sein, und auch kam es
mir vor, als ob bei meinem Anblick eine flüchtige Röthe ihr
reizendes Gesichtchen überzog. Nachdem mich nun die Mutter
bewillkommt, Marie mir einen Seffel gestellt und dann aber-
mals durch die bewußte Seitenthüre verschwunden war, wollte
ich anfangen das Geschehene zu erzählen; doch muß ich dabei
sehr verlegen ausgesehen haben, denn Madame Helmer unter-
brach mich bei den ersten zwei Worten, die ich sprach.
„Herr Müller," sagte Sie lächelnd, „strengen Sie sich
nicht an, eine Kunst auszuüben, die Ihnen ganz fremd ist,
nämlich die Kunst der Verstellung. Der Verwandte, von dem
Sie sprachen, sind Sie selbst."
Ich war wie vom Blitz gerührt. Ich wurde bald roth
11*
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wie ich zu meinem Weibe kam"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 21.1855, Nr. 491, S. 83
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg