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„Mein Gott! was ist denn los ?" fragte Leck in seinem

„Aufgemacht! Im Namen deS Kaisers!"

Der Conditor wäre bei diesen Worten beinahe vor Schreck
gestorben. Er ward erst durch die Donnerstimme des Offiziers
wieder aus seiner Betäubung geweckt, welcher hinaus rief:
„Wird'S bald! sonst laß ich die Thür in Stücken schlagen!"

„Großer, gerechter Gott!" wimmerte der Conditor; schlug
Licht, warf den alten HauSrock über und waiiktc mehr todt
als lebendig die Treppe hinab. Als die -HauSthür aufge-
schlossen war, trat der Offizier mit den beiden Soldaten ei».

„Ihr seid der Conditor Leck?"

„Zu dienen," Herr Offizier, antwortete demüthig und
zitternd der Gefragte.

„So kleidet Euch augenblicklich an!"

Der Conditor fuhr entsetzt zurück.

„Ihr werdet mir folgen!"

„Ihnen folgen! und wohin denn um Gottes Willen?"

„Ihr werdet eine Reise machen!"

„Eine Reise?"

„Eine weite Reise, ja!"

„Eine Reise!" stöhnte der unglückliche Bürger. „Ich l
eine Reise, Herr Offizier. Ich wüßte nicht, daß ich mir oor- j
genommen hätte, eine Reise zu machen!"

„Donerre de Dieu! cs ist hier nicht Zeit zum Plaudern,"

herrschte ihn zornig der Offizier an. „Vorwärts! oder Ihr

geht unangelleidet mit!"

Nun begab es sich, daß der bestürzte Patriot in seiner
großen Angst Alles verkehrt anzog, worüber viel Zeit verstrich,
so daß zuletzt der Offizier den Soldaten befahl, Sttcfel,
Strümpfe, Rock, Hose und Hu« sammt dem Conditor aufzu-
packen und in die Chaise zu werfen. Als dieser Befehl pünkt-
lich und rasch vollzogen war, fetzten sich die zwei Soldaten
zu dem Gefangenen. Der Offizier händigte ihnen mehrere
Papiere ein, schloß den Schlag von außen und der Kutscher
schlug auf die Gäule. Fort ging« in dunkler Nacht durch
die Straßen.

Der Conditor wußte nicht, war'S ein Traum oder Wirk-
lichkeit, ging'S nach Norden oder »ach Süden, nach Osten
oder Westen.

„Großer, gerechter Gott!" schrie er ein übcr'S andere
Mal. „Werthe Herren! was Hab' ich armer geschlagener Mann
verbrochen, was soll aus mir werden! Wohin bringt Ihr
mich, ums Himmels willen! ES ist noch Zeit, den Jrrthum
gut zu machen. Ja, cS ist ein Jrrthum! Ihr habt den Un-
rechten. Ich habe meine Steuern sämmtlich bezahlt und 100
Francs zur Anleihe, 100 Francs, meine werthcn Herren! und
meine Einquarttrung gut gehalten. Herr Gott! was Hab' ich
gethan?"

„Rir, »ir! Jtaliano! — non so nulla! notle felice!
antwortete einer der Soldaten, warf sich in eine Ecke deS
Wagens und schnarchte bald, indcß sein Kamerad mit einem
halb deutschen halb italienischen Fluche den armen Gefangenen
zum Schweigen brachte.

So befand er sich denn mit zwei italienischen Gardisten
allein, die kein Wort deutsch verstanden. Am Thvrc stand
eine lange Reihe von Wagen, welche, sobald die Chaise er-
schien, sich langsam in Bewegung setzten und dieser folgten.

Der Conditor, damals noch Junggeselle, wohnte in seinem
kleinen Hause allein mit einem Burschen von 16 Jahren, den
er aus dem Waiscnhause zu sich genommen hatte. Dieser
Junge, der mit vieler Liebe an seinem Meister hing, war bei
all' seiner angeborncn Dummheit ein vielseittgeS Individuum,
den» deS Morgen« versah er in der Badstube den Dienst
eines Lehrlings, dann verwandelte er sich beim Kehren und
Kochen in eine Magd und wen» der Tag zu Ende ging
schwang er sich auf die höchste Stufe der Verwandlung und
bediente in weißer Schürze und ditto Mütze die Stammgäste
seines Meisters. Jean brachte die Nacht in einer Bodenkam-
mer zu, die ei» kleine« Fenster nach dem Hofe hatte und schlief
so lange, bis unten der Ruf seines Meister« erscholl. Am
Morgen »ach jener vcrhängnißvollen Nacht erwachte er, ohne
geweckt worden zu sein. ES war noch nicht ganz hell, aber
die gewöhnliche Zeit de« Aufstchcns schien ihm doch vorüber
zu sein. Nun, dachte er, der Meister schläft heute schön lang, !
da« kannst du dir zu Nutze machen, und drehte sich noch ein-
mal um und ttäumte sich gcmüthlich ein.

(Fortsetzung folgt.)
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Danzig ist über!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Besuch
Soldat <Motiv>
Gasse
Offizier <Motiv>
Kutsche <Motiv>
Nacht <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Belagerung von Danzig <1807>

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 23.1856, Nr. 529, S. 3

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