Wie man Gehaltszulage erlangt.
nehmen zu können. „Aber mehr Wochengeld muß ich Haben,
sonst setze ich Dir künftig täglich Brod und Kartoffeln vor."
„Ei, damit bin ich völlig zufrieden," sagte so sanft als mög-
lich Lämmlein.
„Aber ich nicht, ich will keine Gefangenhauskost," eiferte
Frau Lämmleiu. „Kannst Du mir nichts zulegen, so wende
Dich wieder an Deine Vorgesetzten und halte um Erhöhung
Deines Gehaltes an. Aber mache es nicht immer wieder so
sanft und kläglich wie bisher; jetzt tritt einmal derb auf. Grob
mußt Du werden, Wenn Dn etwas erlange!! willst. Verstehst
Du mich?"
„Ich verstehe Dich recht wohl, aber Du kennst nicht den
Gang solcher Sachen," entgegnete Lämmlein, „da muß Alles
höflich und glimpflich gesetzt sein, sonst käme unser Einer schlecht
an."
„Papperlappap!" fuhr die Calculatorin dazwischen, „Du
bist ein Hasenfuß und wagst Dir nichts. Aber wenn Du es nicht
thun willst, so will ich mich einmal in das Mittel schlagen."
Der entschlossene Ton, mit welchem Frau Lämmlein dies
sprach, klang wie ein Donner in des Calculators Ohr, denn bei
der ihm nur allzusehr bekannten Energie seiner Frau mußte er
ihr das Unerhörteste zutrauen.
„Was wolltest Du thun, Unglückliche?" fragte er sie mit
bebender Stimme.
„Ei was ! Das sollst Du schon sehen," fuhr Frau Lämm-
lein heftig fort, „aber mit einem Bittschreiben um Zulage brauchst
Du Dich diesmal nicht wieder zu plagen, ich werde jetzt einmal
nach meineiu Kopfe und nach meiner Idee Handeln."
„Frau, ich bitte Dich, ich beschwöre Dich, sage mir, was
Du vorhast. Wer weiß, ob Dein Schritt nicht die verderblichsten
Folgen für uns Alle Haben könnte. Deshalb sage mir vorher,
was Du zu thun gedenkst," bat mit Thränen in den Augen der
Calculator, der in seiner Angst sich schon abgesetzt wähnte.
„Nun, was soll ich weiter thun, als selbst einmal in die
Residenz zu dem Minister gehen und um Zulage für Dich an-
halten. Laß mich nur machen, ich will schon deutsch mit den
hohen Herren vom Hofe reden," sagte Frau Lämmlein mit hohn-
lächelnder Miene.
Das war jedoch für den Calculator zu viel gewesen. Seine
Frau zum Minister! Es war als drehte sich Alles mit ihm
im Kreise herum und erschöpft, vernichtet, sank er in einen
Stuhl.
„Und die beiden Kinder nehme ich auch mit," fuhr Frau
Lämmlein fort. „Aber denke nicht, daß wir in unserin Sonn-
tagsputz vor den Minister treten werden. Gott bewahre mich
davor! Ich reise in diesem zerrissenen wollenen Rocke und mit
der blauen geflickten Schürze. Die kleine Anna soll das alte
verbleichte, ausgewaschene Kattunkleid anziehen und Emil trägt
die Sommerhosen mit den aufgesetzten Flecken und sammt den
Löchern. So und nicht anders gehen wir und dann trete ich
vor den Herrn Minister hin und sage: „Hören Sie 'mal, Herr
Minister, sage ich, schämen Sie sich denn nicht, daß Sie meinem
Manne, dem Steueramtscalculator Lämmlein, nicht endlich ein-
mal die lang erbetene Zulage bewilligen, sage ich. Was sind
denn fünfzig Thaler für den Staat, wo alle Tage Tausende uu-
nöthig vergeudet und zum Fenster hinausgeworfen werden, sage
ich. Und wenn Sie etwa nicht Ja sagen wollen, so gehe ich
schnurstracks zum Könige, sage ich und da will ich keinen schlech-
ten Spektakel machen, sage ich. Denn mir scheint die ganze
Verwaltung keinen Schuß Pulver Werth zu sein, wenn man
einem armen Beamten in fünfzehn Jahren nicht einen Heller
zulegt, sage ich. Wenn mein Mann auch ein alberner Schwach-
kopf ist, der sich von Jedem nur über die Achsel ansehen läßt,
so bin ich, seine Frau, Amalie Lämmlein, dennoch nicht willens,
das Alles so sanft und geduldig hinzunehmen, sage ich."
(Schluß folgt.)
Das Examen.
Mad. Goldammer. „Ich muß Ihnen offen bekennen,
daß ich mich sehr in Ihrer Person getäuscht finde. Das ist be-
reits schon die zweite Frage, die Sie mir nicht beantworten
konnten. Doch fahren wir fort. (Ueberfliegt ein Zeitungsblatt.)
Ja, ganz recht — hier ist die Stelle. Nun werden wir gleich
sehen. Es heißt hier von einem Buche, daß es eine unverkenn-
bar ultramontane Färbung habe. Was ist das nun für eine
Farbe. Ultramarin kann es doch wohl nicht gemeint sein? Das
weiß ich, das ist blau."
Gesellschaftsfräulein. „Das Wort Farbe ist hier
nicht wörtlich, sondern für Richtung zu nehmen, ultramontan je-
doch bezeichnet —"
Mad. Goldammer. „Flausen, Flausen! Ich will wis-
sen, was ultramontan für eine Farbe ist. Nun! Sie lächeln da
auch noch über Ihre Unwissenheit! Doch, wir wollen weiter
Hören. Wo liegt der Berg Ohio und wie hoch ist er? Wie, Sie
lächeln wieder?"
Gesellschaftsfräulein. „Ohio ist kein Berg, es ist
einer der Nebenströme des Mississippi."
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nehmen zu können. „Aber mehr Wochengeld muß ich Haben,
sonst setze ich Dir künftig täglich Brod und Kartoffeln vor."
„Ei, damit bin ich völlig zufrieden," sagte so sanft als mög-
lich Lämmlein.
„Aber ich nicht, ich will keine Gefangenhauskost," eiferte
Frau Lämmleiu. „Kannst Du mir nichts zulegen, so wende
Dich wieder an Deine Vorgesetzten und halte um Erhöhung
Deines Gehaltes an. Aber mache es nicht immer wieder so
sanft und kläglich wie bisher; jetzt tritt einmal derb auf. Grob
mußt Du werden, Wenn Dn etwas erlange!! willst. Verstehst
Du mich?"
„Ich verstehe Dich recht wohl, aber Du kennst nicht den
Gang solcher Sachen," entgegnete Lämmlein, „da muß Alles
höflich und glimpflich gesetzt sein, sonst käme unser Einer schlecht
an."
„Papperlappap!" fuhr die Calculatorin dazwischen, „Du
bist ein Hasenfuß und wagst Dir nichts. Aber wenn Du es nicht
thun willst, so will ich mich einmal in das Mittel schlagen."
Der entschlossene Ton, mit welchem Frau Lämmlein dies
sprach, klang wie ein Donner in des Calculators Ohr, denn bei
der ihm nur allzusehr bekannten Energie seiner Frau mußte er
ihr das Unerhörteste zutrauen.
„Was wolltest Du thun, Unglückliche?" fragte er sie mit
bebender Stimme.
„Ei was ! Das sollst Du schon sehen," fuhr Frau Lämm-
lein heftig fort, „aber mit einem Bittschreiben um Zulage brauchst
Du Dich diesmal nicht wieder zu plagen, ich werde jetzt einmal
nach meineiu Kopfe und nach meiner Idee Handeln."
„Frau, ich bitte Dich, ich beschwöre Dich, sage mir, was
Du vorhast. Wer weiß, ob Dein Schritt nicht die verderblichsten
Folgen für uns Alle Haben könnte. Deshalb sage mir vorher,
was Du zu thun gedenkst," bat mit Thränen in den Augen der
Calculator, der in seiner Angst sich schon abgesetzt wähnte.
„Nun, was soll ich weiter thun, als selbst einmal in die
Residenz zu dem Minister gehen und um Zulage für Dich an-
halten. Laß mich nur machen, ich will schon deutsch mit den
hohen Herren vom Hofe reden," sagte Frau Lämmlein mit hohn-
lächelnder Miene.
Das war jedoch für den Calculator zu viel gewesen. Seine
Frau zum Minister! Es war als drehte sich Alles mit ihm
im Kreise herum und erschöpft, vernichtet, sank er in einen
Stuhl.
„Und die beiden Kinder nehme ich auch mit," fuhr Frau
Lämmlein fort. „Aber denke nicht, daß wir in unserin Sonn-
tagsputz vor den Minister treten werden. Gott bewahre mich
davor! Ich reise in diesem zerrissenen wollenen Rocke und mit
der blauen geflickten Schürze. Die kleine Anna soll das alte
verbleichte, ausgewaschene Kattunkleid anziehen und Emil trägt
die Sommerhosen mit den aufgesetzten Flecken und sammt den
Löchern. So und nicht anders gehen wir und dann trete ich
vor den Herrn Minister hin und sage: „Hören Sie 'mal, Herr
Minister, sage ich, schämen Sie sich denn nicht, daß Sie meinem
Manne, dem Steueramtscalculator Lämmlein, nicht endlich ein-
mal die lang erbetene Zulage bewilligen, sage ich. Was sind
denn fünfzig Thaler für den Staat, wo alle Tage Tausende uu-
nöthig vergeudet und zum Fenster hinausgeworfen werden, sage
ich. Und wenn Sie etwa nicht Ja sagen wollen, so gehe ich
schnurstracks zum Könige, sage ich und da will ich keinen schlech-
ten Spektakel machen, sage ich. Denn mir scheint die ganze
Verwaltung keinen Schuß Pulver Werth zu sein, wenn man
einem armen Beamten in fünfzehn Jahren nicht einen Heller
zulegt, sage ich. Wenn mein Mann auch ein alberner Schwach-
kopf ist, der sich von Jedem nur über die Achsel ansehen läßt,
so bin ich, seine Frau, Amalie Lämmlein, dennoch nicht willens,
das Alles so sanft und geduldig hinzunehmen, sage ich."
(Schluß folgt.)
Das Examen.
Mad. Goldammer. „Ich muß Ihnen offen bekennen,
daß ich mich sehr in Ihrer Person getäuscht finde. Das ist be-
reits schon die zweite Frage, die Sie mir nicht beantworten
konnten. Doch fahren wir fort. (Ueberfliegt ein Zeitungsblatt.)
Ja, ganz recht — hier ist die Stelle. Nun werden wir gleich
sehen. Es heißt hier von einem Buche, daß es eine unverkenn-
bar ultramontane Färbung habe. Was ist das nun für eine
Farbe. Ultramarin kann es doch wohl nicht gemeint sein? Das
weiß ich, das ist blau."
Gesellschaftsfräulein. „Das Wort Farbe ist hier
nicht wörtlich, sondern für Richtung zu nehmen, ultramontan je-
doch bezeichnet —"
Mad. Goldammer. „Flausen, Flausen! Ich will wis-
sen, was ultramontan für eine Farbe ist. Nun! Sie lächeln da
auch noch über Ihre Unwissenheit! Doch, wir wollen weiter
Hören. Wo liegt der Berg Ohio und wie hoch ist er? Wie, Sie
lächeln wieder?"
Gesellschaftsfräulein. „Ohio ist kein Berg, es ist
einer der Nebenströme des Mississippi."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wie man Gehaltszulage erlangt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 24.1856, Nr. 553, S. 3
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg