Marröuver-Scencn.
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„Ach, mein Gott, Alfred, hier geht's ja zu wie in den Hugenotten im letzten Akt!"
Geschichten wie man sie sich in Thüringen erzählt.
immer mit en Streichhölzchen daran herunterfährt, Feuer zu
kriegen, so will ich mich gerne balbiren lassen. Gut — ich
bestelle mir beim Wirth einen Balbier und es dauert auch gar
nich lange, so kommt Sie so ein langer zittriger Schneidergeselle
auf die Stube, der sich erst zweimal bei's Messerabziehen
selber in die Hand schneidet. Na, mein Gesicht können Sie
sich ungefähr denken. Erst wollte ich schon gar nich, aber der
verwünschte Bart kratzte gar so sehr und da dacht ich: „mit
Gott für König und Vaterland", und setzte mich uf'n Schemel.
Das Einseifen ging Sie so dußemang vorüber; nur Hatte der
Kerl eiskaltes Wasser uud fuhr mir mit em Pinsel ein paar
Mal in die Augen. Ich ließ mir aber noch immer nix mer-
ken. Wie Sie aber der Mensch das Messer ansetzte und mir
dabei erzählte, daß ersch kalte Fieber hätte, ging mir der
Athem aus. Den Bart traf er dabei gar nich, so bewwerte
er rüber und nüber, und schreien dürft ich Sie ja auch nich,
ich wär' em ja sonst gerade in die Klinge hineingefahren.
Aber unten anklammern that ich mich, und hielt fest am Sche-
mel vor's Himmelreich. Auf einmal that Sie der Kerl en
Ruck über's ganze Gesicht weg, fehlte mir glücklicher Weise
die Nase, fuhr mir nur hier durch's Kinn weg, daß man die
Rinne noch sehen kann, und schnitt nur — weiß Gott 's is'
währ — zwee Henidenkneppchen vom Schemisett 'runter. Na,
aber ich aufspringen und den langen zitterigen Kerl zur Thür
'naus, und das Seefennäppchen mit dem verdammt kalten
Wasser aus'm Fenster schmeißen war Sie eens. Der Kerl soll
Heute noch wieder kommen; aber den Hieb Hatt' ich weg und
neue Kneppe mußt ich mir auch vorne an's Hemd nähen lassen."
„Wo ich die Narbe her habe, Herr Gevatter, das will
ich Sie erzählen — der Kerl hätte mir beinahe das ganze
Kinn weggeschnitten. Da bin ich Sie neulich auf der Reise
nach'm Viehmarcht und komme en Sonntag Morgen in ein
Dorf. Weil ich Sie nu nich gern mit en Gesicht wie ein
Reibeisen herumlanfe, und mich mein Schwager, der Ekonom,
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„Ach, mein Gott, Alfred, hier geht's ja zu wie in den Hugenotten im letzten Akt!"
Geschichten wie man sie sich in Thüringen erzählt.
immer mit en Streichhölzchen daran herunterfährt, Feuer zu
kriegen, so will ich mich gerne balbiren lassen. Gut — ich
bestelle mir beim Wirth einen Balbier und es dauert auch gar
nich lange, so kommt Sie so ein langer zittriger Schneidergeselle
auf die Stube, der sich erst zweimal bei's Messerabziehen
selber in die Hand schneidet. Na, mein Gesicht können Sie
sich ungefähr denken. Erst wollte ich schon gar nich, aber der
verwünschte Bart kratzte gar so sehr und da dacht ich: „mit
Gott für König und Vaterland", und setzte mich uf'n Schemel.
Das Einseifen ging Sie so dußemang vorüber; nur Hatte der
Kerl eiskaltes Wasser uud fuhr mir mit em Pinsel ein paar
Mal in die Augen. Ich ließ mir aber noch immer nix mer-
ken. Wie Sie aber der Mensch das Messer ansetzte und mir
dabei erzählte, daß ersch kalte Fieber hätte, ging mir der
Athem aus. Den Bart traf er dabei gar nich, so bewwerte
er rüber und nüber, und schreien dürft ich Sie ja auch nich,
ich wär' em ja sonst gerade in die Klinge hineingefahren.
Aber unten anklammern that ich mich, und hielt fest am Sche-
mel vor's Himmelreich. Auf einmal that Sie der Kerl en
Ruck über's ganze Gesicht weg, fehlte mir glücklicher Weise
die Nase, fuhr mir nur hier durch's Kinn weg, daß man die
Rinne noch sehen kann, und schnitt nur — weiß Gott 's is'
währ — zwee Henidenkneppchen vom Schemisett 'runter. Na,
aber ich aufspringen und den langen zitterigen Kerl zur Thür
'naus, und das Seefennäppchen mit dem verdammt kalten
Wasser aus'm Fenster schmeißen war Sie eens. Der Kerl soll
Heute noch wieder kommen; aber den Hieb Hatt' ich weg und
neue Kneppe mußt ich mir auch vorne an's Hemd nähen lassen."
„Wo ich die Narbe her habe, Herr Gevatter, das will
ich Sie erzählen — der Kerl hätte mir beinahe das ganze
Kinn weggeschnitten. Da bin ich Sie neulich auf der Reise
nach'm Viehmarcht und komme en Sonntag Morgen in ein
Dorf. Weil ich Sie nu nich gern mit en Gesicht wie ein
Reibeisen herumlanfe, und mich mein Schwager, der Ekonom,
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Manöuver-Scenen" "Geschichten wie man sie sich in Thüringen erzählt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Kommentar
abweichende Titelschreibweise: "Manöuver-Scenen" statt "Manöuvre-Scenen"
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Schaulustige <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 24.1856, Nr. 553, S. 5
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg