Die Folgen einer telegraphischen Depesche.
auf das Sopha, wo er sie den Händen der jammernd Herbei-
stürzenden Schwiegermutter übergab. Das Kind, das die Wär-
terin auf dem Arme trug, fing dabei an zu schreien, die Köchin
war ebenfalls hereingekommen und stand schluchzend und Hände-
ringend in der Thür, und mit zitternden Händen erbrach jetzt
Vr. Müller die Depesche, deren Buchstaben ihm im Anfang
vor den Augen flirrten und tanzten. Endlich las er leise vor
sich hin:
Herzlichen Glückwunsch — heutigen Geburtstag — möge
noch oft wiederkehren — Alle wohl — tausendmal grüßen —
liebe Frau auch. Inniger Freundschaft
Mehlig.
Erst am Schluß, und wie ihm das Bewußtsein dämmerte
um was es sich hier handele, knitterte er das Papier in der
Hand zusammen, drehte einen Ball daraus und schleuderte die-
sen mit aller Gewalt aus den Boden.
„Ist er todt?" sagte Lorenz, in theilnehmendem Mitgefühl.
„Gehen Sie zum Teufel," rief Dr. Müller in leicht ver-
zeihlichem Aerger — „Sie und Ihre telegraphische Depesche —
„solchen Glückwunsch möcht' ich mir nächstes Jahr noch ein-
mal zum Geburtstag wünschen — meine arme Frau kann den
Tod davon Haben."
„Bitte tausendmal um Entschuldigung" sagte Lorenz, Nie-
mand bekümmerte sich aber mehr um ihn, denn die klebrigen
waren jetzt sämmtlich um die Ohnmächtige beschäftigt, so daß
er die Gelegenheit für paffend hielt, sich so rasch und unbe-
merkt als möglich zu entfernen. Durch das Haus mußte er
aber noch einmal förmlich Spießruthell laufen.
„Ach Sie Unglücksvogel" sagte das Kindermädchen, das!
mit einer Lase frischen Wassers, der Frau zu helfen, ihm an der>
Thür begegnete.
„Das nächste Mal erkundigen Sie sich vorher nach dem
Namen, Sie Dingsda" — sagte der Herr in dem schmutzigen
Schlafrock, der an der Saalthür in der ersten Etage ganz be-
sonders auf ihn gewartet haben mußte, als er dort rasch und
geräuschlos vorbeigleiten wollte, und unten in der Hausflur saß die
139
Mamsell noch immer bei den Scherben, die sie vergebens zu-
sammenpaßte.
Auch diese empfing ihn wieder mit einer Fluth von Vor-
würfen, Lorenz aber hielt sich nicht auf, und floh aus dem
Haus hinaus, als ob er hätte stehlen wollen und dabei er-
wischt worden wäre.
Erst nach langer Zeit gewöhnte er sich auch an diese un-
ausbleiblichen Folgen derartiger Depeschen, und als ich ihn
neulich sprach hatte er sogar eine Art statistischer
Tabelle ausgestellt, nach der er berechnet haben
wollte, daß durchschnittlich auf je vier telegraphische
Depeschen — denn nicht alle laufen so unglück-
lich ab, — eine Ohnmacht und zwei zerbrochene Tas-
sen, nur auf die sechste oder siebente aber ein
ernstlicher Unfall folgte.
„Is was Scheenes um en Telegraphen" sagte
er dabei, „aber Gott bewahre Eenen vor ener
telegrafischen Depesche!"
Die Basen.
Zeitungsleser. „Da steht in einem Artikel
aus Spanien: auf religiösen Basen müsse das
Wohl und die Eintracht des Vaterlandes beruhen.
— Das kommt mir wohl spanisch vor und meine
Erfahrung lehrt mich gerade das Gegentheil, denn seit meine
zwei alten Basen gar so religiös geworden sind, ist nichts als
Unheil und Zwietracht im Haus."
Teleologisches.
Wenn ich mir das Gebirg' betracht'
Staun' ich, wie weise es gemacht;
Die Berge sind so wohl gesezt,
Daß stets die höchsten steh'n zulezt,
Denn thät' der höchste vorne steh'n,
Wer Teufel könnt' die nieder'n seh'n.
Crasfus.
Avis für Finanzmänner.
„Das ist doch eine offenbare Ungerechtigkeit! Die ehr-
lichen Leut' müssen fleißig Steuer zahlen — an eine
Diebssteuer hat aber noch kein Mensch gedacht!"
Die Krebse.
Die Krebse sind drauf caprizirt
Daß sie, den Schwanz nach vorne, geh'n!
Wie lächerlich das Volk sich ziert
Uin seinen Fortschritt nicht zu feh'n.
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auf das Sopha, wo er sie den Händen der jammernd Herbei-
stürzenden Schwiegermutter übergab. Das Kind, das die Wär-
terin auf dem Arme trug, fing dabei an zu schreien, die Köchin
war ebenfalls hereingekommen und stand schluchzend und Hände-
ringend in der Thür, und mit zitternden Händen erbrach jetzt
Vr. Müller die Depesche, deren Buchstaben ihm im Anfang
vor den Augen flirrten und tanzten. Endlich las er leise vor
sich hin:
Herzlichen Glückwunsch — heutigen Geburtstag — möge
noch oft wiederkehren — Alle wohl — tausendmal grüßen —
liebe Frau auch. Inniger Freundschaft
Mehlig.
Erst am Schluß, und wie ihm das Bewußtsein dämmerte
um was es sich hier handele, knitterte er das Papier in der
Hand zusammen, drehte einen Ball daraus und schleuderte die-
sen mit aller Gewalt aus den Boden.
„Ist er todt?" sagte Lorenz, in theilnehmendem Mitgefühl.
„Gehen Sie zum Teufel," rief Dr. Müller in leicht ver-
zeihlichem Aerger — „Sie und Ihre telegraphische Depesche —
„solchen Glückwunsch möcht' ich mir nächstes Jahr noch ein-
mal zum Geburtstag wünschen — meine arme Frau kann den
Tod davon Haben."
„Bitte tausendmal um Entschuldigung" sagte Lorenz, Nie-
mand bekümmerte sich aber mehr um ihn, denn die klebrigen
waren jetzt sämmtlich um die Ohnmächtige beschäftigt, so daß
er die Gelegenheit für paffend hielt, sich so rasch und unbe-
merkt als möglich zu entfernen. Durch das Haus mußte er
aber noch einmal förmlich Spießruthell laufen.
„Ach Sie Unglücksvogel" sagte das Kindermädchen, das!
mit einer Lase frischen Wassers, der Frau zu helfen, ihm an der>
Thür begegnete.
„Das nächste Mal erkundigen Sie sich vorher nach dem
Namen, Sie Dingsda" — sagte der Herr in dem schmutzigen
Schlafrock, der an der Saalthür in der ersten Etage ganz be-
sonders auf ihn gewartet haben mußte, als er dort rasch und
geräuschlos vorbeigleiten wollte, und unten in der Hausflur saß die
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Mamsell noch immer bei den Scherben, die sie vergebens zu-
sammenpaßte.
Auch diese empfing ihn wieder mit einer Fluth von Vor-
würfen, Lorenz aber hielt sich nicht auf, und floh aus dem
Haus hinaus, als ob er hätte stehlen wollen und dabei er-
wischt worden wäre.
Erst nach langer Zeit gewöhnte er sich auch an diese un-
ausbleiblichen Folgen derartiger Depeschen, und als ich ihn
neulich sprach hatte er sogar eine Art statistischer
Tabelle ausgestellt, nach der er berechnet haben
wollte, daß durchschnittlich auf je vier telegraphische
Depeschen — denn nicht alle laufen so unglück-
lich ab, — eine Ohnmacht und zwei zerbrochene Tas-
sen, nur auf die sechste oder siebente aber ein
ernstlicher Unfall folgte.
„Is was Scheenes um en Telegraphen" sagte
er dabei, „aber Gott bewahre Eenen vor ener
telegrafischen Depesche!"
Die Basen.
Zeitungsleser. „Da steht in einem Artikel
aus Spanien: auf religiösen Basen müsse das
Wohl und die Eintracht des Vaterlandes beruhen.
— Das kommt mir wohl spanisch vor und meine
Erfahrung lehrt mich gerade das Gegentheil, denn seit meine
zwei alten Basen gar so religiös geworden sind, ist nichts als
Unheil und Zwietracht im Haus."
Teleologisches.
Wenn ich mir das Gebirg' betracht'
Staun' ich, wie weise es gemacht;
Die Berge sind so wohl gesezt,
Daß stets die höchsten steh'n zulezt,
Denn thät' der höchste vorne steh'n,
Wer Teufel könnt' die nieder'n seh'n.
Crasfus.
Avis für Finanzmänner.
„Das ist doch eine offenbare Ungerechtigkeit! Die ehr-
lichen Leut' müssen fleißig Steuer zahlen — an eine
Diebssteuer hat aber noch kein Mensch gedacht!"
Die Krebse.
Die Krebse sind drauf caprizirt
Daß sie, den Schwanz nach vorne, geh'n!
Wie lächerlich das Volk sich ziert
Uin seinen Fortschritt nicht zu feh'n.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die Folgen einer telegraphischen Depesche"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 24.1856, Nr. 570, S. 139
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg