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94 Auserlesene Gedichte von weiland

Gottlieb Biedermaier.

ttVrfurfi bcs 3Sucf)6mbers Jjorntius Treuherz, unsere 3cil in Hexametern

zu besingen.

Mitternacht war es vordem, jetzt ist es so ziemlich Mittagszeit,

Wenn nur die Reaktion nicht allzu fatal über Hand nimmt,

Zwar, und das tröstet mich recht, sich dem Geiste der Zeit zu entziehen
Ist eine Schwierigkeit selbst für die finstern Gewalten des Stillstands,
Welche dem Fortschritte wehrt, stets vorwärts zum Lichte zu schreiten;
Freiheit, Licht und auch Recht, seit Guttenberg's edler Erfindung,

Seit Amerika ward entdeckt von Christoph Columbus,

Seit nun das Leinwandpapier und die Taschenuhr wurde erfunden,

Ist keinem Angriff so leicht wie ehemals aus jetzt gcletzet;

Aber erst seit man Censur abgcschafft und Geschwornengerichtc
Ueberall eingeführt hat, erschrickt die Partei der Verdummung
Schier vor sich selbst, da sie sieht, wie bethört sie den Mißbrauch gefürchtet,
j Darum lobsing' ich der Zeit, die gewiß noch nicht da ist gewesen,
j Wo keine Inquisition, kein Autodafch mehr ist möglich,

! Weil schon die Staatspolizei sich selbst reformirt und gebessert.

Glücklich der Mann, welcher lebt in der Zeit, die der Zukunft so nah' >teht,
Wo sich sogar der Jesuit nicht scheut, mit dem Bahnzug zu sahrcn
Und mit dem Telegraphist auf vertrautestem Fuße zu stehen.

Glücklick die Zeit, wo der Fürst das Talent auch mit Orden verstehet,
Daß es nicht böslich verstimmt nur dem Wahne des Pöbels sich hingibt
-Und an de» Säulen des Staats ehrgeizig rüttelt und krittelt.

Schmäht nicht die jetzige Zeit, nicht dieses neunzehnte Jahrhundert,

Denn wo gab einst cs, wie heut', Leihbibliotheken in Krautheim
Oder in anderen Restern, wodurch sich die Geister entwickeln,

Daß selbst das ärmste Genie schon als Kind nimmer braucht zu ersticken
Und die mißbildetste Frau durchaus nie als Here verbrannt wird.

Finanzielle Ansicht.

„Was glauben Sic, werden die Schritte, die man jetzt thut, um
eine» gemeinsamen Münzfuß zu erzielen, zu einem Resultate führen?"

„Ich glaube kaum. Mir dünkt es vorthcilhafter, wenn man Füße
i machen möchte zu einem gemeinsamen Münzschritte."

Ein Dnell auf Logik.

Bor dem Correktionellgerichte in Berlin verant-
wortete sich kürzlich ein speculativer Taschendieb fol-
gcndermassen.

„Geehrtester Herr Präsident!

Wenn ich anerkenne, daß unsere Gerichtshöfe
höchst nützliche Institute sind, die einer Menge von
brauchbaren Staatsdienern, als da sind: Richter, As-
sessoren und Referendarien, Amt und Brod verschaf-
fen, wenn ich ferner zugebe, daß durch die Erricht-
ung einer Gensdarmeric und Sicherheitspolizei eine
Versorgungs-Anstalt für alte verdiente Militärs er-
zielt wird, so wird man mir andcrnthcils nicht be-
streiten, daß alle diese ehrenwerthen Personen amt-
und brodlos wären, wenn es keine Leute meines
Schlages gäbe, daß mithin mein Erwcrbszwcig gc-
wissermassen ein verdienstlicher ist, weil er so vielen
achtbaren Staatsbürgern Gelegenheit verschafft, eine
ehrenvolle Stellung mit auskömmlichem Gehalte ein-
zunehmcn, von der durch ihn cröffneten Arena für
juristische Celebritäten, die uns ihre Berühmtheit ver-
danke», nicht einmal zu peden.

Indem ich den verehrten Herrn Präsidenten so- |
mit sowohl von der Unentbehrlichkeit, als auch Ver-
dienstlichkeit meines Standes überzeugt zu haben glaube,
erwarte ich von der Solidität meines Beweises ein \
freisprcchcndes Erkenntniß."

Der Präsident antwortete eben so philosophisch:

„Ich kann nicht umhin, die Richtigkeit Ihrer
Vordersätze anzuerkennen; wenn Sic aber darauf hin
wie es den Anschein hat, die Schlußfolgerung einer
Freisprechung bauen, so betrübt es mich, einen Mann
von Ihrem Scharfsinne auf den schreienden Wider-
spruch zwischen seinen Vorder- und Nachsätzen auf-
merksam machen zu müssen. Nicht allein die Eri-
stenz Ihres Erwerbszweiges, sondern weit mehr die
Einschränkung, resp. Unterdrückung desselben, begrün- i
det unsere Stellung. Wenn Leute Ihres Genres !
nicht eristirtcn, könnten wir freilich auch nicht als
das eristiren, was wir sind. Wenn Ihr Gewerbe
aber unbestraft bleiben sollte, so wären wir ebenfalls
als das, was wir sind, übcrflüßig. Mithin bilden
beide Faktoren die Eristenz, und die Bestrafung Ih-
res Metiers erst die Grundlage unseres Standes,
und einer ohne den anderen führte zu unserer Auf !
lösung.

Sie werde» jetzt die llebcrzcugung gewonnen
haben, daß ich nach Ihren eigenen, durchaus vortreff-
lichen Voraussetzungen, Ihre Einspcrrung verfügen
muß.". —

Zerstreutheit.

„Guten Abend, lieber Herr Miller, es freut
mich, Sie wohl zu sehen." — „Entschuldigen Sie, I
ich bin nicht der Herr Milkcr." — „Ach, verzeihen !
Sic, ich glaubte Sie wären der selige Herr Milkcr."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Auserlesene Gedichte von weiland Gottlieb Biedermaier"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Ille, Eduard
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Personifikation
Memento mori
Lokomotive <Motiv>
Biedermeier
Vergänglichkeit <Motiv>
Karikatur
Zeitgeist
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 26.1857, Nr. 612, S. 94

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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