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Der versalzene Reisbrei.
gehcimnißvoll der Schulmeister; „sie macht Ihnen eigens Ihr
Leibgericht: Milchreis mit brauner Butter und Zimmet und
Zucker darüber."
„Ei sieh da! Milchreis mit Zimmet und Zncker und brauner
Butter! das ist in der That eine schöne, erhebende Idee," sprach
er sinnend halb für sich hin und kostete schon in Gedanken.
Dann aber, als ob ihn plötzlich eine angstvolle Vermuthung in
dem geistigen Genüsse störe, wandte er sich wieder zu dem Schul-
meister und sagte fast ärgerlich: „Wenn sie ihn nur ordentlich
bereiten!! Bei dem Begräbniß ihres Mannes war der Brei total
versalzen! O! ich hätte gleich bersten mögen vor Aerger."
Doktor Balsemann war yämlich ein abgesagter Feind alles Salzes.
„Haben Sie nur keine Sorge, Herr Freund," beruhigte der
Schulmeister, „die Hochzeitömuttcr kocht diesmal nicht selbst; sic
hat ihre Muhme dazu kommen lassen, die in Braunschweig im
deutschen Hause das Kochen auö dem Fundament gelernt hat."
„Na das ist schön! vortrefflich!"
So schieden sie für heute von einander.
Am andern Morgen zog nun ein festlicher Brautzug zur
Kirche; denn die Sippschaft und Freundschaft der beiden
Familien, die im Begriffe waren sich zu verschwägern, war groß. !
Auch aus den umliegenden Dörfern hatten sich zahlreiche Gäste !
eingestellt. Als dann die Trauung nach einem salbungsvollen !
Sermone des Pastors vollzogen war, ging der Zug, die Musik- j
bandc des Stadtmusikus König aus H. an seiner Spitze, zum
Brauthause zurück. Hier waren im Laufe des Vormittags die
großartigsten Anstalten zur Bewirthung einer so ansehnlichen
Hochzeitsgesellschaft getroffen. In der geräumigen, mit grünen
Eichenzweigen geschmückten Gcsindestrlbe war die Tafel für vierzig
Gäste bereits gedeckt, es fehlte nur noch, die Speise», mit deren
Zubereitung zahlreiche Hände in der Küche mit Eifer beschäftigt
waren, auf die Tische zu setzen. Bis dies bewirkt sein konnte,
unterhielten sich die Gäste in der Wohnstube an den musikalischen
Quodlibets, die der lustige Stadtmusikus hier zum Besten gab
und mit allerhand komischen und lächerlichen Faxe» gar köstlich
zu begleiten verstand, wobei er übrigens die Fortschritte der zur
Speisung und Atzung der Gäste getroffenen Anstalten durch die
halbgeöffnete Stubenthür, in deren Nähe er seine Bandc aus-
gestellt hatte, zu beobachten nicht unterließ. So sah er denn
mit derselben Befriedigung, mit der der Herr Doktor Tags
zuvor davon gehört hatte, auf die großen Schüsseln und Näpfe
dampfenden RciSbrei's, die eben jetzt aus der Küche herausge-
tragcn und einstweilen auf dem Fußboden der sehr geräumigen
Hausflur niedcrgesctzt wurden, um hier erst noch der Reihe nach
von der geschäftigen Brautmutter mit einer Fülle zerlaffcncr und
braun gemachter Butter übergoffcn und mit Zimmt und gestoßenem
Zucker überstreut zu werden, che sic auf die Tafel gestellt wurden.
Er zählte schon die zwölfte Schüssel, und so oft die Brautmutter
den Butterpinscl darauf brachte, dachte er in seinem Sinne:
„Spare nich!" Das that sie auch nicht; schon bei der achten
Schüssel war der reichliche Vorrath zerlassener Butter erschöpft,
und sic ging zur Küche zurück, neuen Vorrath zu holen. In
diesem verhängnißvollen Augenblicke, wo die Sicherheit der am
Boden nicdcrgcsetzten Schüsseln und Näpfe dem Schirme und
Schutze der allwaltenden Vorsehung anvertraut war, denn alle
Frauen waren eben in der Küche beschäftigt und mitten unter
der rauschenden Musik eines ländlichen Zweitritts sah der Stadt-
musikus deS Nachbars Spitz, angclockt durch den duftenden Geruch
der Butter, von der Straße aus durch die offenstchcndc Haus-
thür auf der Hausflur erscheine» und sofort Anstalt machen,
mit der schwarzen glänzenden Nase an der wohlriechenden Butter
des einen Napfes herum zu schnuppern. Den darauf unmittelbar
folgenden Versuch, mit der lüstern ausgestrecktcn Zunge auch
daran zu lecken, büßte er aber mit einer verbrannten Zungen-
spitze, und er fuhr jählings, als habe ihn eine Tarantel gestochen,
von der Schüssel zurück. Dieser komische Austritt belustigte den
Stadtmusikns fast in höherem Grade, als die ehrenwcrthcn Hoch-
zcitsgäste durch seine Faxen ergötzt wurden. Voll Lüsternheit
ging der Spitz nach einigen wiederholten, aber immer vergeblichen
Ausbrüchen der Naschhaftigkeit endlich wie eine Katze im eigent-
lichsten Sinne des Worts um den heißen Brei herum und hob
plötzlich, sei's, daß seiner Ansicht nach der Buttcrguß nicht reichlich
genug auf de» Brei gepinselt war, sei's aus Aerger und wahr-
haft hündischer Bosheit über die grelle, unerträgliche Hitze des
Breis, das rechte Hinterbein in die Höhe und —
Just in diesem verhängnißvollen Augenblicke kamen aber
die Brautmutter mit dem Buttcrtopfe und die junge Neuver-
mählte mit einer großen Tute voll Zimmet und Zucker auf die
Hausflur zurück, um das unterbrochene Geschäft an den anderen
Schüsseln zu vollenden. „Härrjäscs, Mutter, kiek dän verfluchten
Köter!" rief entsetzt die junge Frau, und rnit erhobener Hand
auf den Hund losfahrend, schrie sie: „Wutt dann hoimc! Wutt
dann hoime!" Der Spitz suchte natürlich, wo der Zimmermann
Der versalzene Reisbrei.
gehcimnißvoll der Schulmeister; „sie macht Ihnen eigens Ihr
Leibgericht: Milchreis mit brauner Butter und Zimmet und
Zucker darüber."
„Ei sieh da! Milchreis mit Zimmet und Zncker und brauner
Butter! das ist in der That eine schöne, erhebende Idee," sprach
er sinnend halb für sich hin und kostete schon in Gedanken.
Dann aber, als ob ihn plötzlich eine angstvolle Vermuthung in
dem geistigen Genüsse störe, wandte er sich wieder zu dem Schul-
meister und sagte fast ärgerlich: „Wenn sie ihn nur ordentlich
bereiten!! Bei dem Begräbniß ihres Mannes war der Brei total
versalzen! O! ich hätte gleich bersten mögen vor Aerger."
Doktor Balsemann war yämlich ein abgesagter Feind alles Salzes.
„Haben Sie nur keine Sorge, Herr Freund," beruhigte der
Schulmeister, „die Hochzeitömuttcr kocht diesmal nicht selbst; sic
hat ihre Muhme dazu kommen lassen, die in Braunschweig im
deutschen Hause das Kochen auö dem Fundament gelernt hat."
„Na das ist schön! vortrefflich!"
So schieden sie für heute von einander.
Am andern Morgen zog nun ein festlicher Brautzug zur
Kirche; denn die Sippschaft und Freundschaft der beiden
Familien, die im Begriffe waren sich zu verschwägern, war groß. !
Auch aus den umliegenden Dörfern hatten sich zahlreiche Gäste !
eingestellt. Als dann die Trauung nach einem salbungsvollen !
Sermone des Pastors vollzogen war, ging der Zug, die Musik- j
bandc des Stadtmusikus König aus H. an seiner Spitze, zum
Brauthause zurück. Hier waren im Laufe des Vormittags die
großartigsten Anstalten zur Bewirthung einer so ansehnlichen
Hochzeitsgesellschaft getroffen. In der geräumigen, mit grünen
Eichenzweigen geschmückten Gcsindestrlbe war die Tafel für vierzig
Gäste bereits gedeckt, es fehlte nur noch, die Speise», mit deren
Zubereitung zahlreiche Hände in der Küche mit Eifer beschäftigt
waren, auf die Tische zu setzen. Bis dies bewirkt sein konnte,
unterhielten sich die Gäste in der Wohnstube an den musikalischen
Quodlibets, die der lustige Stadtmusikus hier zum Besten gab
und mit allerhand komischen und lächerlichen Faxe» gar köstlich
zu begleiten verstand, wobei er übrigens die Fortschritte der zur
Speisung und Atzung der Gäste getroffenen Anstalten durch die
halbgeöffnete Stubenthür, in deren Nähe er seine Bandc aus-
gestellt hatte, zu beobachten nicht unterließ. So sah er denn
mit derselben Befriedigung, mit der der Herr Doktor Tags
zuvor davon gehört hatte, auf die großen Schüsseln und Näpfe
dampfenden RciSbrei's, die eben jetzt aus der Küche herausge-
tragcn und einstweilen auf dem Fußboden der sehr geräumigen
Hausflur niedcrgesctzt wurden, um hier erst noch der Reihe nach
von der geschäftigen Brautmutter mit einer Fülle zerlaffcncr und
braun gemachter Butter übergoffcn und mit Zimmt und gestoßenem
Zucker überstreut zu werden, che sic auf die Tafel gestellt wurden.
Er zählte schon die zwölfte Schüssel, und so oft die Brautmutter
den Butterpinscl darauf brachte, dachte er in seinem Sinne:
„Spare nich!" Das that sie auch nicht; schon bei der achten
Schüssel war der reichliche Vorrath zerlassener Butter erschöpft,
und sic ging zur Küche zurück, neuen Vorrath zu holen. In
diesem verhängnißvollen Augenblicke, wo die Sicherheit der am
Boden nicdcrgcsetzten Schüsseln und Näpfe dem Schirme und
Schutze der allwaltenden Vorsehung anvertraut war, denn alle
Frauen waren eben in der Küche beschäftigt und mitten unter
der rauschenden Musik eines ländlichen Zweitritts sah der Stadt-
musikus deS Nachbars Spitz, angclockt durch den duftenden Geruch
der Butter, von der Straße aus durch die offenstchcndc Haus-
thür auf der Hausflur erscheine» und sofort Anstalt machen,
mit der schwarzen glänzenden Nase an der wohlriechenden Butter
des einen Napfes herum zu schnuppern. Den darauf unmittelbar
folgenden Versuch, mit der lüstern ausgestrecktcn Zunge auch
daran zu lecken, büßte er aber mit einer verbrannten Zungen-
spitze, und er fuhr jählings, als habe ihn eine Tarantel gestochen,
von der Schüssel zurück. Dieser komische Austritt belustigte den
Stadtmusikns fast in höherem Grade, als die ehrenwcrthcn Hoch-
zcitsgäste durch seine Faxen ergötzt wurden. Voll Lüsternheit
ging der Spitz nach einigen wiederholten, aber immer vergeblichen
Ausbrüchen der Naschhaftigkeit endlich wie eine Katze im eigent-
lichsten Sinne des Worts um den heißen Brei herum und hob
plötzlich, sei's, daß seiner Ansicht nach der Buttcrguß nicht reichlich
genug auf de» Brei gepinselt war, sei's aus Aerger und wahr-
haft hündischer Bosheit über die grelle, unerträgliche Hitze des
Breis, das rechte Hinterbein in die Höhe und —
Just in diesem verhängnißvollen Augenblicke kamen aber
die Brautmutter mit dem Buttcrtopfe und die junge Neuver-
mählte mit einer großen Tute voll Zimmet und Zucker auf die
Hausflur zurück, um das unterbrochene Geschäft an den anderen
Schüsseln zu vollenden. „Härrjäscs, Mutter, kiek dän verfluchten
Köter!" rief entsetzt die junge Frau, und rnit erhobener Hand
auf den Hund losfahrend, schrie sie: „Wutt dann hoimc! Wutt
dann hoime!" Der Spitz suchte natürlich, wo der Zimmermann
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der versalzene Reisbrei"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 26.1857, Nr. 613, S. 98
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg