154
Aufforderung.
Das Hab' ich gcthan!
gings in dem Wirthshause zum Hirschen in Böblingen gar lebendig
her. Der Rcvicrförstcr Bocksberger hatte in seinem Walde ein
Treiben abgehalten und Alles geladen, was Freud' und Lust
am cdelu Waidwcrk hatte, und dazu zählte ein großer Theil
der ehrsamen Bürger Böblingens. Dazumal hatte ein Jäger
noch nicht zu riskiren, daß Herr Lampe ein Männchen machen
und ihn nach der Jagdkarte fragen werde. Da durfte noch ein
Jeder puffen und knallen, wem Pulver und Blei gegeben war.
Darum erzählten auch beim Bierglas mit jagdmännischer
Wahrheitsliebe Gevatter Schneider und Handschuhmacher die
heute erlebten Abentheuer in Wald und Feld; der Seilcrmeister
Hiutcrich, wie er einen Fuchs nur um etliche Gänge gefehlt;
der Siebmachcr Spannickel, wie er einem Hasen den vorderen
Lauf abgeschosscn, dem dann der Forstgehilfe Zotteler leicht den
Garaus machen konnte, und wie der Kronenwirth beinahe ein
Hochwild erlegt hätte, wenn ihn der lustige Doktor hätte nur
zu Schüsse kommen lassen u. s. w. Kurzum, cs ward hier ein
Stück Ludwig Storch'schc „Bürgerjagd" abgespielt. Die Elite
dieser Gesellschaft, die eigentlichen Nimrode jedoch hatten in dem
anstoßenden Kabinetchcn Platz gesunden, und das waren der
Revicrförstcr mit seinen zwei Gehilfen, einige benachbarte Forst-
warte, etliche reiche Bürger, der Schullehrer des Ortes, und der
Held unserer Geschichte, der praktische Arzt vr. Scherzer,
ein Männchen voll Beweglichkeit und Leben, witzig, munter
bis zur Ausgelassenheit. Durch Geschick uud eine glückliche
Hand hatte er sich eine schöne Praxis erworben, die seine
reichlich befriedigte, und in eine Umgebung sich hinein
gelebt, die ihm lieb geworden war. Nicht gerade streng in
Wahl seiner Mittel, sich und die Welt auf Kosten
lachen zu machen oder ungesehen einen Tort auszu-
ließ er dagegen das Wort des Dichters gelten: „Auf
einen groben Klotz gehört ein grober Keil!" und lachte mit, 1
wenn er seinen Mann gesunden hatte. Besonders war es jene |
Menschenklaffe, waren es die Juden, von welchen der gute Hebel
daß sie das christliche Volk so oft verhöhnt und sich da- i
durch versündigt, welche gar oft die Zielscheibe seiner schlechten !
itzc abgebcn mußten. Die Jagd war zwar seine Passion nicht,
lief aber doch gern mit, weil es dabei manchen Spaß ab- ;
dem jedenfalls ein lustiger Abend folgte, der wieder paß- !
Gelegenheit zu allerlei Schabernack bot. Da saß daun die
Gestalt des lustigen Doktors, wie man ihn gewöhnlich
am obcrn Tischende des Kabincts in seiner ganzen Behäb- !
, einen Stock mit eisernem Häkchen im Schooßc, das Auge
durch die silberne Brille blickend, Ironie und Hohn
um den Mund, die eine Hand gemächlich aus dem wohlgenährten
Bauch ruhend, die andere das gefüllte Bicrglas zum Anstoßen
herumbietcnd. Vergebens war jedoch heute sein Bemühen, Leben
und Bewegung in die Gesellschaft zu bringen, der „Stoff" war
nicht gut: das Bier war, wie der Revicrförstcr sagte, nicht
süffig, oder, wie die Gesellschaft aussen sich ausdrückte, es war
ein Plämpel, den der Hirschenwirth bei dieser Gelegenheit nur
fortbringcu wollte. Darum klopften die meisten Bürger nach
10 Uhr Einer um den Andern die Tabakspfeifen aus, Andere
brannten sic zum Gehen auch wohl au und wünschten sich eine
I.
An einem kalten, aber schneelosen Winterabende, der einem
Tage gefolgt war, von dem ein neuerer Dichter*) singt:
„Es war ein wundcrklarer Tag
Wie nur ein Waidmann wünschen mag,"
—
,
| *) Kinkel in „Otto der Schütz."
Der endgiltige Richtcrspruch bleibt dem Publikum voll-
ständig Vorbehalten.
Also Muth, ihr scharfsinnigen Seelen! Auf zum Kampfe
gegen den nahenden Unhold! Wir sind überzeugt, nicht ein
einzelnes, nein, tausende der trefflichsten Mittel werden zu Tage
gefördert werden und wir wollen uns freuen, wenn wir dann
die Beruhigung des Publikums erreichen, nach dessen Erheiter-
ung wir bis jetzt nur gestrebt haben.
München, im Mai 1857.
Die geologische Sektion der Fliegenden Blätter.
Das Hab' ich gethan!
(Einem wirklichen Verfalle nachcrzählt.)
Aufforderung.
Das Hab' ich gcthan!
gings in dem Wirthshause zum Hirschen in Böblingen gar lebendig
her. Der Rcvicrförstcr Bocksberger hatte in seinem Walde ein
Treiben abgehalten und Alles geladen, was Freud' und Lust
am cdelu Waidwcrk hatte, und dazu zählte ein großer Theil
der ehrsamen Bürger Böblingens. Dazumal hatte ein Jäger
noch nicht zu riskiren, daß Herr Lampe ein Männchen machen
und ihn nach der Jagdkarte fragen werde. Da durfte noch ein
Jeder puffen und knallen, wem Pulver und Blei gegeben war.
Darum erzählten auch beim Bierglas mit jagdmännischer
Wahrheitsliebe Gevatter Schneider und Handschuhmacher die
heute erlebten Abentheuer in Wald und Feld; der Seilcrmeister
Hiutcrich, wie er einen Fuchs nur um etliche Gänge gefehlt;
der Siebmachcr Spannickel, wie er einem Hasen den vorderen
Lauf abgeschosscn, dem dann der Forstgehilfe Zotteler leicht den
Garaus machen konnte, und wie der Kronenwirth beinahe ein
Hochwild erlegt hätte, wenn ihn der lustige Doktor hätte nur
zu Schüsse kommen lassen u. s. w. Kurzum, cs ward hier ein
Stück Ludwig Storch'schc „Bürgerjagd" abgespielt. Die Elite
dieser Gesellschaft, die eigentlichen Nimrode jedoch hatten in dem
anstoßenden Kabinetchcn Platz gesunden, und das waren der
Revicrförstcr mit seinen zwei Gehilfen, einige benachbarte Forst-
warte, etliche reiche Bürger, der Schullehrer des Ortes, und der
Held unserer Geschichte, der praktische Arzt vr. Scherzer,
ein Männchen voll Beweglichkeit und Leben, witzig, munter
bis zur Ausgelassenheit. Durch Geschick uud eine glückliche
Hand hatte er sich eine schöne Praxis erworben, die seine
reichlich befriedigte, und in eine Umgebung sich hinein
gelebt, die ihm lieb geworden war. Nicht gerade streng in
Wahl seiner Mittel, sich und die Welt auf Kosten
lachen zu machen oder ungesehen einen Tort auszu-
ließ er dagegen das Wort des Dichters gelten: „Auf
einen groben Klotz gehört ein grober Keil!" und lachte mit, 1
wenn er seinen Mann gesunden hatte. Besonders war es jene |
Menschenklaffe, waren es die Juden, von welchen der gute Hebel
daß sie das christliche Volk so oft verhöhnt und sich da- i
durch versündigt, welche gar oft die Zielscheibe seiner schlechten !
itzc abgebcn mußten. Die Jagd war zwar seine Passion nicht,
lief aber doch gern mit, weil es dabei manchen Spaß ab- ;
dem jedenfalls ein lustiger Abend folgte, der wieder paß- !
Gelegenheit zu allerlei Schabernack bot. Da saß daun die
Gestalt des lustigen Doktors, wie man ihn gewöhnlich
am obcrn Tischende des Kabincts in seiner ganzen Behäb- !
, einen Stock mit eisernem Häkchen im Schooßc, das Auge
durch die silberne Brille blickend, Ironie und Hohn
um den Mund, die eine Hand gemächlich aus dem wohlgenährten
Bauch ruhend, die andere das gefüllte Bicrglas zum Anstoßen
herumbietcnd. Vergebens war jedoch heute sein Bemühen, Leben
und Bewegung in die Gesellschaft zu bringen, der „Stoff" war
nicht gut: das Bier war, wie der Revicrförstcr sagte, nicht
süffig, oder, wie die Gesellschaft aussen sich ausdrückte, es war
ein Plämpel, den der Hirschenwirth bei dieser Gelegenheit nur
fortbringcu wollte. Darum klopften die meisten Bürger nach
10 Uhr Einer um den Andern die Tabakspfeifen aus, Andere
brannten sic zum Gehen auch wohl au und wünschten sich eine
I.
An einem kalten, aber schneelosen Winterabende, der einem
Tage gefolgt war, von dem ein neuerer Dichter*) singt:
„Es war ein wundcrklarer Tag
Wie nur ein Waidmann wünschen mag,"
—
,
| *) Kinkel in „Otto der Schütz."
Der endgiltige Richtcrspruch bleibt dem Publikum voll-
ständig Vorbehalten.
Also Muth, ihr scharfsinnigen Seelen! Auf zum Kampfe
gegen den nahenden Unhold! Wir sind überzeugt, nicht ein
einzelnes, nein, tausende der trefflichsten Mittel werden zu Tage
gefördert werden und wir wollen uns freuen, wenn wir dann
die Beruhigung des Publikums erreichen, nach dessen Erheiter-
ung wir bis jetzt nur gestrebt haben.
München, im Mai 1857.
Die geologische Sektion der Fliegenden Blätter.
Das Hab' ich gethan!
(Einem wirklichen Verfalle nachcrzählt.)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das hab' ich gethan!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 26.1857, Nr. 620, S. 154
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg