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Der Menschenfeind.

I entsetzlich lang, und er hatte zuletzt mit einer wahren Sehn-

i sucht von der vorderen Gallerte des Schlosses die große Allee,

durch die der Weg zum Hauptportal führte, hinuntergeschaut,
i mit einer Sehnsucht wie er sie das ganze Jahr hindurch nie
gekannt; denn sie galt mehr noch dem Menschen, der da
kommen sollte, als dem Käufer. Recht verstimmt setzte er
sich zu Tische und immer stärker wurde in ihm der Wunsch,
nicht allein zu sein, sondern eine mitfühlende Seele bei sich
zu haben, wäre eS auch nur dazu, um seinen Aerger gegen

i sie aussprechen zu können. Nach dem Essen streckte er sich

hin, um das gewohnte Schläfchen zu machen, er hatte aber
! noch nicht lange geschlummert, so weckte ihn der kräftige
Hufschlag eines in den Hof galloppirendcn Pferdes, und
> wenige Minuten darauf wurde ihm Baron Mur, einer seiner
nächsten Nachbarn, gemeldet. Die Freude, daß nach so langem
1 Warten doch noch Jemand kam, daß wenigstens ein Käufer
erschien, und zwar ein so höchst anständiger, machte, daß der
Oberst den Eintretenden wirklich freundlich empfing. Man
setzte sich, es wurde Wein aufgetragen, und bald waren die
beiden Männer im lebhaftesten Gespräch über alle möglichen
Dinge, nur nicht über den Gutskauf; denn der Gast fing
nicht davon an, und dem Oberst widerstrebte es, daran zu
mahnen und so seine Waare noch selbst mündlich anzubicten.
Auch unterhielt er sich mit dem Gaste so außerordentlich gut
und fand an seinem ganzen Wesen, Herzlichkeit und Offen-
heit bei aller Feinheit und Bildung, solchen Gefallen, daß
er sich um so weniger versucht fühlte, die Unterhaltung durch
Erwähnung jenes prosaischen Endziels früher, als cs jenem
gefiel, abzubrechcn.

Uebrigenö blieben sic auch nicht lauge allein, der Nach-
mittag schien gut machen zu wollen, was der Vormittag
versäumt hatte: Reiter um Reiter sprengte in den Schloßhof.
Alle Edelsitze in der Runde schienen um die Wette ihre Be-
sitzer herzusenden, um beim Gutskauf zu concurriren, und
bald war der große Saal des Schlosses Hohenstein wieder
wie in früheren Zeiten mit einem Schwarm von Gästen
angefüllt. Auch war nichts davon zu sehen, daß die Gäste
durch das bisherige scheue Wesen des Besitzers sich irgendwie
hätten Schranken anlegen lassen. Der herzliche Ton, in dem
Baron Mur angcfangcn hatte, pflanzte sich auch auf die anderen
fort, sie benahmen sich nach der ersten Viertelstunde als alte
Bekannte, wurden in kurzer Zeit sammt und sonders kreuz-
fidel und erwiesen sich insbesondere auch durch die Ehre, die
sie dem Vorgesetzten trefflichen Gewächse anthatcn, als mann-
hafte Zecher, die an alles andere eher dachten, als Umstände
zu machen. Ja, einige von ihnen leisteten im Consumircn
ganz Außerordentliches, die aufgelragcncn Flaschen mußten
unaufhörlich durch neue ersetzt werden, und der alte Diener
des Obersten, der den Kellermeister machte, war wie versteinert
über die Geschichte, die so auf einmal iin Saale aufgcführt
wurde. Seinem Herrn ging es indessen nicht viel besser;
er war da zu einem Zechgelage gekommen, er wußte gar
nicht wie, hatte eine zahlreiche, überaus fröhliche Gesellschaft
um sich her, die er zu solchem Zwecke gar nicht gewollt und

bestellt hatte, und so wollte es ihm manchmal bedünke», es
gehe nicht mit rechten Dingen zu. Denn daß mau auf
diese Weise einen Gutskauf einleite, davon hatte er doch
noch nie etwas gehört. Es kam ihm wohl auch der Gedanke,
die Herren Nachbarn treiben ihren gnädigen Scherz mit ihm,
und bei diesem Gedanken richteten sich seine Augen jedesmal
zornglühend nach den an der Wand hängenden Pistolen, und
er fühlte sich Manns genug, die Zecher alle, einen nach dem
anderen, ihren Bubenstreich mit ihrem Blute büßen zu lassen.
Allein war denn eine so unerhörte Frechheit auch nur denkbar,
oder sahen diese fröhlichen Gäste darnach aus, als ob sie in
einem so gefährlichen Wagestück begriffen wären, oder ließ
sich annchmen, daß sic ihn für einen solchen Schwächling
hielten, um sich das mit ihm erlauben zu dürfen? Nein,
das konnte nicht sein, das war rein unmöglich. Also weg
mit solchen Gedanken.

Der Oberst cutschlug sich derselben um so leichter, da
es ihm selbst in dieser Gesellschaft so krcuzwohl war, und
da er sich dachte, so wie ihm, werde cs wohl auch den andern
ergangen sein, daß sic durch die lebhafte Unterhaltung, durch
die frohe Laune, die von Anfang an in dem Kreise gewaltet
— und er war sich wohl bewußt, zur Erweckung derselben
durch die Art wie er die Fremden empfangen hatte, selbst
wesentlich mitgewirkt zu haben — so fortgerissen worden
seien, daß sie den Zweck ihres Daseins ganz aus den Augen
verloren hätten. Denn von dem Gutskauf, das war aller-
dings sehr auffallend, war mit keinem Worte die Rede.
Aber das konnte ja noch kommen, das mußte noch kommen. —
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Menschenfeind"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Heil, Friedrich Michael
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Grund
Reiter <Motiv>
Kauf
Hof <Motiv>
Eingang <Architektur>
Isolation <Soziologie>
Pferd <Motiv>
Nachbar <Motiv>
Begrüßung <Motiv>
Gesellschaft
Karikatur
Heiterkeit
Schloss <Motiv>
Oberst <Motiv>
Ankunft <Motiv>
Gut <Landwirtschaft>
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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 38.1863, Nr. 928, S. 122

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