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Ein Weihnachtsabend.
Laden zog er mit Wilhelm und kaufte ein. — Sie hatten
Mittags Alle zusammen gegessen, still und bewegt, cs wurde
wenig gesprochen, aber der Vater hatte eine Flasche Wein
auf den Tisch gebracht, wortlos hatte er sein Glas genommen
und mit der Tochter angestoßen, sie verstanden es ja Beide,
es hieß: auf ein ferneres Zusammenleben in Liebe und alter
Herzlichkeit! und Theresen waren die Thränen über die hohlen
bleichen Wangen geflosien. Bald nach Tische aber war Herr
Petersen zum Vorstand des Missionsvereins gegangen und
hatte dem Erstaunten erzählt von seinem Traume und von
dem Entschlusie, welchen derselbe hervorgcbracht. — „Ich weiß
nun nicht," hatte er dann gesagt, „wie Sie und die Andern
die Sache ansehcn werden, was mich betrifft, ich bin ganz
im Klaren, aber wenn ich Anstoß erregen sollte dadurch, daß
ich noch ferner dem Vereine zugehöre..." — „Gewiß nicht,
bester Herr Petersen, nein — nein! aber.. nur Eins., es
war unsere Absicht, Sie zum Mitvorstaud zu wählen... Sie
werden... ich weiß nicht., vielleicht einsehen.. es heißt in
der Schrift, die Vorsteher sollen... gehorsame Kinder., ich
fürchte..." — „Lassen Sie das gut sein," erwiderte Petersen,
„ich verzichte gern auf diese mir zugedachte Ehre. Und nun
noch Eins: Ich kann dießmal nicht bei unserer Zusammen-
kunft erscheinen, ich will den Kindern einen Weihnachtöbaum
anzündcn, und die Zusammenkunft würde mich zu lange
aufhalte-n." — „Hm! so?., ja, das ist ja recht... das ist
ja schlimm., indessen..." — „Nehmen Sie aber hier schon
voraus meinen Beitrag zum Kirchlein in Zoar. Ick werde
künftig freilich mich vielleicht mehr beschränken, ich fühle, ich
habe näher liegende Verpflichtungen, aber ganz entziehen werde
ich mich gewiß der Sache nicht, so lange man mir erlaubt,
dem Vereine zuzugchören." — Der Herr Vorstand dankte
für den bedeutenden Beitrag, der ihm eingehändigt worden,
und schritt, als Herr Petersen ihn verlassen, kopfschüttelnd
einige Male im Zimmer auf und nieder. —- Als aber die
frühzeitige Dämmerung des Abends anbrach, wie geschäftig
war da der Alte mit Wilhelm, der Christbaum ward geputzt
und reiche Christbescherung aufgebaut für die Neuangekommenen,
die Vorhänge wurden herabgelassen, und die Lichter am Baume
angezündet, und in hellen: fröhlichem Glanze strahlte seit langer
Zeit zum ersten Mal wieder das Zimmer. Welcher Jubel
der Kinder, die sich bereits heimisch fühlten in der neuen
Wohnung, über die niegesehene Pracht! Wclcke Thränen der
Freude und der Reue in Theresens Augen! Sie fiel schluckzend
dem Vater um den Hals und hielt ihn lang umschlossen,
und er legte in unbeholfener Rührung seine zitternde Hand
auf ihr Haupt. — Und als nun die Kinder, geputzt mit den
Kleidungsstücken, die sich unter dem Christbauinc für sie vor-
gcfunden, vor Freude strahlend um den Weihnachtstisch spielten,
und die Mutter ihnen dies und jenes Neue zeigte und sic
lehrte, wie sie so manches Spielzeug handhaben müßten, da
saß der alte Mann im Sorgcnstuhlc die Hände gefaltet und
eine unsäglich wchmüthige Freude leuchtete aus seinen Augen,
als seine Blicke auf seinem Kinde, auf den Enkeln ruhten,
die er so glücklich und fröhlich vor sich sah. Das war nach
manchen schweren und trüben Jahren wieder ein seliger glück-
licher Weihnachtsabend.
Ein Weihnachtsabend.
Laden zog er mit Wilhelm und kaufte ein. — Sie hatten
Mittags Alle zusammen gegessen, still und bewegt, cs wurde
wenig gesprochen, aber der Vater hatte eine Flasche Wein
auf den Tisch gebracht, wortlos hatte er sein Glas genommen
und mit der Tochter angestoßen, sie verstanden es ja Beide,
es hieß: auf ein ferneres Zusammenleben in Liebe und alter
Herzlichkeit! und Theresen waren die Thränen über die hohlen
bleichen Wangen geflosien. Bald nach Tische aber war Herr
Petersen zum Vorstand des Missionsvereins gegangen und
hatte dem Erstaunten erzählt von seinem Traume und von
dem Entschlusie, welchen derselbe hervorgcbracht. — „Ich weiß
nun nicht," hatte er dann gesagt, „wie Sie und die Andern
die Sache ansehcn werden, was mich betrifft, ich bin ganz
im Klaren, aber wenn ich Anstoß erregen sollte dadurch, daß
ich noch ferner dem Vereine zugehöre..." — „Gewiß nicht,
bester Herr Petersen, nein — nein! aber.. nur Eins., es
war unsere Absicht, Sie zum Mitvorstaud zu wählen... Sie
werden... ich weiß nicht., vielleicht einsehen.. es heißt in
der Schrift, die Vorsteher sollen... gehorsame Kinder., ich
fürchte..." — „Lassen Sie das gut sein," erwiderte Petersen,
„ich verzichte gern auf diese mir zugedachte Ehre. Und nun
noch Eins: Ich kann dießmal nicht bei unserer Zusammen-
kunft erscheinen, ich will den Kindern einen Weihnachtöbaum
anzündcn, und die Zusammenkunft würde mich zu lange
aufhalte-n." — „Hm! so?., ja, das ist ja recht... das ist
ja schlimm., indessen..." — „Nehmen Sie aber hier schon
voraus meinen Beitrag zum Kirchlein in Zoar. Ick werde
künftig freilich mich vielleicht mehr beschränken, ich fühle, ich
habe näher liegende Verpflichtungen, aber ganz entziehen werde
ich mich gewiß der Sache nicht, so lange man mir erlaubt,
dem Vereine zuzugchören." — Der Herr Vorstand dankte
für den bedeutenden Beitrag, der ihm eingehändigt worden,
und schritt, als Herr Petersen ihn verlassen, kopfschüttelnd
einige Male im Zimmer auf und nieder. —- Als aber die
frühzeitige Dämmerung des Abends anbrach, wie geschäftig
war da der Alte mit Wilhelm, der Christbaum ward geputzt
und reiche Christbescherung aufgebaut für die Neuangekommenen,
die Vorhänge wurden herabgelassen, und die Lichter am Baume
angezündet, und in hellen: fröhlichem Glanze strahlte seit langer
Zeit zum ersten Mal wieder das Zimmer. Welcher Jubel
der Kinder, die sich bereits heimisch fühlten in der neuen
Wohnung, über die niegesehene Pracht! Wclcke Thränen der
Freude und der Reue in Theresens Augen! Sie fiel schluckzend
dem Vater um den Hals und hielt ihn lang umschlossen,
und er legte in unbeholfener Rührung seine zitternde Hand
auf ihr Haupt. — Und als nun die Kinder, geputzt mit den
Kleidungsstücken, die sich unter dem Christbauinc für sie vor-
gcfunden, vor Freude strahlend um den Weihnachtstisch spielten,
und die Mutter ihnen dies und jenes Neue zeigte und sic
lehrte, wie sie so manches Spielzeug handhaben müßten, da
saß der alte Mann im Sorgcnstuhlc die Hände gefaltet und
eine unsäglich wchmüthige Freude leuchtete aus seinen Augen,
als seine Blicke auf seinem Kinde, auf den Enkeln ruhten,
die er so glücklich und fröhlich vor sich sah. Das war nach
manchen schweren und trüben Jahren wieder ein seliger glück-
licher Weihnachtsabend.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein Weihnachtsabend"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 39.1863, Nr. 964, S. 205
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg