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Reisebilder aus
einander, über der Thüre hing das kaiserliche Wappen, unter
derselben trat der Beamte vor ini abgetragenen Soldaten-
»,erntet, die lauge Cigarre im Munde, die österreichische
Mütze in die Stirn gedrückt. In schlechtem Dialekte lud er
uns ein, in sein Bureau zu treten, um die Pässe vorzuweisen.
Ei, da klopfte mir doch das Herz gelinde, als ich nun die
schlanke Gestalt aus dem Wagen hob und am Arme über
die Staffeln emporgeleitete. Die schwarze Dame schlug den
Schleier zurück, und zum erstenmale sah ich ihr in's Antlitz,
so dass ich fast meine Rolle vergessen hätte. Es war ein
langes schmales Gesicht voll Innigkeit und Hoheit, nur das
Colorit war leicht gebräunt vom Hauch des Südens. Es
war eine Schönheit. Ihre tiefen Augen glühten von stum-
mer Erregtheit; selbst der Beamte blickte sie mit Interesse
an und nahm die Cigarre aus dem Mund, als er ehrerbietig
um die Pässe bat. „Hast Du die Papiere zur Hand, Hugo?"
sprach meine Begleiterin, während ich die Blätter entfaltete, auf
denen stand, daß Graf Hugo und Gräfin Maria von Stcin-
bach für sechs Monate Italien bereisen. Damals waren noch
finstere Zeiten, echte Schlagbaumzeiten in Oesterreich, wo
Spionage und Chikane ihr eigenes Ressort hatten. Lange
stocherte der ausgediente Offizier in den Papieren herum und
N a t u r n n l u g c.
„Dös is aber doch recht sonderbar. Mci Großvater is
von an Ochsen erstoße» wor'n, mei Vater von aner Kuh,
und mich hat gestern der Stier halb zer Schanden g'stoßen.
Dös muß am HauS oder in der Familie lieg'n."
vergangener Zeit.
maß unsere Gesichter, bis er den Paß, den er gestempelt
hatte, wiederbrachte. Man sah ihm an, daß er in anderen
Fällen gröber sein konnte, als er es heute war und darum
geschah es wohl, daß die Frau Gräfin meinte, es sei höchste
Zeit, um wieder einzusteigen. Der Beamte salutirte — noch
ein kurzer Ruck und wir rollten weiter auf der Straße.
Ich fühlte, daß meine Hand zwischen den beiden Hän-
den des Mädchens lag, das sich gerettet sah; ich hörte beim
Wagenlärm die Worte kaum, die sie sprach, aber das fühlte
ich weiter, daß ein Dank an mich erging, wie ich ihn nicht
oft im Leben empfangen hatte. „Wenn Ihnen ein kleines
Andenken an diese Stunde nicht werthlos erscheint, dann em-
pfangen Sie diesen Ring," sprach die fremde Gestalt, die ihr
schönes Antlitz wieder verschleiert hatte, und streifte einen
schmalen goldenen Reif vom Finger. In den grünen Stein,
den er enthält, ist der eine der beiden Engel geschnitten, die
unter der Sixtinischen Madonna lehnen.
Näher kam der Morgen, näher kamen die Berge und
Häuser der Schweiz, aber weiter und imnier weiter ging un-
sere Rede, bis die Wellen des Vierwaldstädtersecs uns ent-
gegenströmten. Dort ward ein zweiter Engel mein — der
nicht aus Stein geschnitten war. (Fortsetzung folgt.)
So ist's.
„Gott, ist das Bier gut! Wahrhaftig, wenn ich zweimal
mei' Nas'n in's Glas steck', so is es holt allemal leer." — „Euch
geht's halt mit den Gläsern wie mit den Bauernhäusern."
Revactioni Kaspar Brau» und Eduard Ille. — München, Verlag von Braun & Schneider.
Druck von C. R. Schurich i» München.
Reisebilder aus
einander, über der Thüre hing das kaiserliche Wappen, unter
derselben trat der Beamte vor ini abgetragenen Soldaten-
»,erntet, die lauge Cigarre im Munde, die österreichische
Mütze in die Stirn gedrückt. In schlechtem Dialekte lud er
uns ein, in sein Bureau zu treten, um die Pässe vorzuweisen.
Ei, da klopfte mir doch das Herz gelinde, als ich nun die
schlanke Gestalt aus dem Wagen hob und am Arme über
die Staffeln emporgeleitete. Die schwarze Dame schlug den
Schleier zurück, und zum erstenmale sah ich ihr in's Antlitz,
so dass ich fast meine Rolle vergessen hätte. Es war ein
langes schmales Gesicht voll Innigkeit und Hoheit, nur das
Colorit war leicht gebräunt vom Hauch des Südens. Es
war eine Schönheit. Ihre tiefen Augen glühten von stum-
mer Erregtheit; selbst der Beamte blickte sie mit Interesse
an und nahm die Cigarre aus dem Mund, als er ehrerbietig
um die Pässe bat. „Hast Du die Papiere zur Hand, Hugo?"
sprach meine Begleiterin, während ich die Blätter entfaltete, auf
denen stand, daß Graf Hugo und Gräfin Maria von Stcin-
bach für sechs Monate Italien bereisen. Damals waren noch
finstere Zeiten, echte Schlagbaumzeiten in Oesterreich, wo
Spionage und Chikane ihr eigenes Ressort hatten. Lange
stocherte der ausgediente Offizier in den Papieren herum und
N a t u r n n l u g c.
„Dös is aber doch recht sonderbar. Mci Großvater is
von an Ochsen erstoße» wor'n, mei Vater von aner Kuh,
und mich hat gestern der Stier halb zer Schanden g'stoßen.
Dös muß am HauS oder in der Familie lieg'n."
vergangener Zeit.
maß unsere Gesichter, bis er den Paß, den er gestempelt
hatte, wiederbrachte. Man sah ihm an, daß er in anderen
Fällen gröber sein konnte, als er es heute war und darum
geschah es wohl, daß die Frau Gräfin meinte, es sei höchste
Zeit, um wieder einzusteigen. Der Beamte salutirte — noch
ein kurzer Ruck und wir rollten weiter auf der Straße.
Ich fühlte, daß meine Hand zwischen den beiden Hän-
den des Mädchens lag, das sich gerettet sah; ich hörte beim
Wagenlärm die Worte kaum, die sie sprach, aber das fühlte
ich weiter, daß ein Dank an mich erging, wie ich ihn nicht
oft im Leben empfangen hatte. „Wenn Ihnen ein kleines
Andenken an diese Stunde nicht werthlos erscheint, dann em-
pfangen Sie diesen Ring," sprach die fremde Gestalt, die ihr
schönes Antlitz wieder verschleiert hatte, und streifte einen
schmalen goldenen Reif vom Finger. In den grünen Stein,
den er enthält, ist der eine der beiden Engel geschnitten, die
unter der Sixtinischen Madonna lehnen.
Näher kam der Morgen, näher kamen die Berge und
Häuser der Schweiz, aber weiter und imnier weiter ging un-
sere Rede, bis die Wellen des Vierwaldstädtersecs uns ent-
gegenströmten. Dort ward ein zweiter Engel mein — der
nicht aus Stein geschnitten war. (Fortsetzung folgt.)
So ist's.
„Gott, ist das Bier gut! Wahrhaftig, wenn ich zweimal
mei' Nas'n in's Glas steck', so is es holt allemal leer." — „Euch
geht's halt mit den Gläsern wie mit den Bauernhäusern."
Revactioni Kaspar Brau» und Eduard Ille. — München, Verlag von Braun & Schneider.
Druck von C. R. Schurich i» München.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Naturanlage" "So ist's"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 51.1869, Nr. 1254, S. 32
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg