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Der Brodtarif.
— „Ei, wir brauch'n keinen Tarif, ich und der Gesell richten
uns nach dem Meister!" — „Wie ist das zu versteh'n?" —
„Nun, wenn der Meister mit einem feurigen G'sicht aus der
Schranne kommt, so hat's aufg'schlagen; dann war er auch
beim Wein und ich und der Gesell machen das Brod kleiner."
— „Wenn aber der Meister mit keinem feurigen G'sicht
kommt, was g'schieht dann?" — „Ja wissen S', nachher hat's
abgeschlag'n, und bleibt beim alten."
Wie man Geschäfte macht.
Der Fabrikant Herr Klugmann, Chef des Hauses Klug-
mann und Tuchmann in Dortenstadt, saß in seinem Comptoir
und durchflog einen eben erbrochenen Geschäftsbrief mit sicht-
lichem Unwillen. Dann rief er seinem an der andern Seite
des Zimmers auf einem zweibeinigen Stuhl rittlings sitzenden
Sohne zu: „Da hör' 'mal, Eduard, was uns da ein Kunde
schreibt. Ist uns noch nicht vorgekommen."
Dieser blickte neugierig auf und vernahm:
„Ihre Sendung mit Faktura im Betrage von 627 st.
48 kr. habe richtig erhalten, bedauere aber, daß die mitge-
folgte Waare nicht nach Wunsch ausgefallen und dem vorge-
legthabenden Muster nicht entsprochen hat. Die braunen Tuche
sind durchweg von geringerer Qualität, die in Blau dünn
und fadenscheinig re.
Auch habe einen Portobetrag von 10 fl. 27 kr. bezahlt
und doch Frankosendung bei Ihrem Reisenden ausbedtingen.
Gering angeschlagen, wie nebenstehend berechnet, erwächst mir
daraus ein Schaden von 45 fl. 12 kr., den Sie mir ab-
schreiben wollen, widrigenfalls die Waare zu ihrer Verfüg-
ung steht.
Achtungsvoll und ergebenst
S. M. Uz er."
Der Sohn gab seinem Befremden Ausdruck und auf
Befragen des Vaters, welcher von den Reisenden jene Gegend
besuche, nannte er ihn mit dem Beifügen, daß derselbe ge-
rade zu Hause sei. Herr Sendheimer, der Reisende, kam ge-
rufen und sagte aus, daß der erhaltene Auftrag richtig in das
Commissionsbuch eingetragen worden und der Comptoirist, daß
Alles in der Fabrik bestellt und gefertigt und rechtzeitig in
Magazin gebracht worden sei. Herr Sendheimer gestand je-
doch auf Befragen des Prinzipals, daß es das erste Mal sei,
daß er mit dem Hause S. M. Uzer in Lumpenheim gemacht,
wie aber andere Häuser, bei welchen er sich erkundigt, den
„Angefragten" für gut erklärt hätten. „Man will eben, ist
man einmal draußen," setzte er kleinlaut hinzu, denn er
fürchtete noch Schlimmeres, „machen. Man hat ja so viele
Conkurrenten, die auch riskiren." Entrüstet aber war er, als
er von der angeblichen Frankatur, die er zugestanden haben
solle, hörte. „Auch nicht mit einer Sylbe war davon die
Rede! Auf Ehre!" ries er aus.
„Man lasse den Magazinier kommen," sprach der Chef
zu den jungen Männdrn, die wieder an ihre Arbeit gingen.
„Nun wird's Fremdwörter regnen und zu dem Ernst
der Sache doch etwas Spaß kommen," meinte Eduard.
Wie man Geschäfte macht.
„Höhne mir den Mann nicht," sprach ernst der Vater,
„ob dieser kleinen Schwäche; ist mein verlässigster Bediensteter,
goldehrlich und wie zum Magazinier geboren."
Der Magazinier trat alsbald mit einem Bon jour! in's
Zimmer. Es war ein schon etwas ältlicher Herr, jedoch noch
voll Rüstigkeit, das Haar über der Stirn emporstehend, einen
abgeschabten Rock mit Arbeitsärmeln, die in besserem Zustand
als der durch sie zu schonende Rock selbst waren, die bläu-
liche Brille aus der Rammsnase. „Bin bereits instruirt über
den schlimmen Casus und davon völlig indignirt," rief er.
„Was befehlen Herr Prinzipal zu thun?"
„Herr Kellermann," sagte dieser, „haben Sie am 12.
ds. die im Commissionsbuch Seite 669 eingetragenen Artikel
nach dem bestellten Muster an S. M. Uzer in Lumpenheim
abgegeben?"
„Yes, Herr Prinzipal! Alles striktissime realisirt und
effektuirt nach Qualität und Quantität, kann nicht mankiren."
„So fragen Sie weiter nach, Herr Kellermann, ob
Alles richtig verpackt und wann es, und durch wen abgeschickt
worden sei?"
Alles wurde abgefragt, der Commis, der Packer, der
Fuhrmann, der Lehrjunge, welcher die letzte Hand durch An-
fertigung des Frachtbriefes und Assistenz bei der Ablieferung
auf dem Lagerhaus des Bahnhofes an die Sendung gelegt
hatte. Alle betheuerten, ihre Schuldigkeit gethan zu haben.
Nur meinte Krips, der Lehrjunge, kleinlaut: „Wenn nur der
Expeditor den Ballot fortgeschickt hat, macht immer allerlei
Anstände, hat schon lange kein Trinkgeld bekommen."
„So gehe doch, Krips, sogleich auf die Expedition! Der
Expeditor wird uns doch nicht in solche Affairen bringen, die
Ehre unseres Hauses nicht so schwer schädigen," sagte Eduard.
Diesmal hatte der Expeditor das Haus nicht in solche
Der Brodtarif.
— „Ei, wir brauch'n keinen Tarif, ich und der Gesell richten
uns nach dem Meister!" — „Wie ist das zu versteh'n?" —
„Nun, wenn der Meister mit einem feurigen G'sicht aus der
Schranne kommt, so hat's aufg'schlagen; dann war er auch
beim Wein und ich und der Gesell machen das Brod kleiner."
— „Wenn aber der Meister mit keinem feurigen G'sicht
kommt, was g'schieht dann?" — „Ja wissen S', nachher hat's
abgeschlag'n, und bleibt beim alten."
Wie man Geschäfte macht.
Der Fabrikant Herr Klugmann, Chef des Hauses Klug-
mann und Tuchmann in Dortenstadt, saß in seinem Comptoir
und durchflog einen eben erbrochenen Geschäftsbrief mit sicht-
lichem Unwillen. Dann rief er seinem an der andern Seite
des Zimmers auf einem zweibeinigen Stuhl rittlings sitzenden
Sohne zu: „Da hör' 'mal, Eduard, was uns da ein Kunde
schreibt. Ist uns noch nicht vorgekommen."
Dieser blickte neugierig auf und vernahm:
„Ihre Sendung mit Faktura im Betrage von 627 st.
48 kr. habe richtig erhalten, bedauere aber, daß die mitge-
folgte Waare nicht nach Wunsch ausgefallen und dem vorge-
legthabenden Muster nicht entsprochen hat. Die braunen Tuche
sind durchweg von geringerer Qualität, die in Blau dünn
und fadenscheinig re.
Auch habe einen Portobetrag von 10 fl. 27 kr. bezahlt
und doch Frankosendung bei Ihrem Reisenden ausbedtingen.
Gering angeschlagen, wie nebenstehend berechnet, erwächst mir
daraus ein Schaden von 45 fl. 12 kr., den Sie mir ab-
schreiben wollen, widrigenfalls die Waare zu ihrer Verfüg-
ung steht.
Achtungsvoll und ergebenst
S. M. Uz er."
Der Sohn gab seinem Befremden Ausdruck und auf
Befragen des Vaters, welcher von den Reisenden jene Gegend
besuche, nannte er ihn mit dem Beifügen, daß derselbe ge-
rade zu Hause sei. Herr Sendheimer, der Reisende, kam ge-
rufen und sagte aus, daß der erhaltene Auftrag richtig in das
Commissionsbuch eingetragen worden und der Comptoirist, daß
Alles in der Fabrik bestellt und gefertigt und rechtzeitig in
Magazin gebracht worden sei. Herr Sendheimer gestand je-
doch auf Befragen des Prinzipals, daß es das erste Mal sei,
daß er mit dem Hause S. M. Uzer in Lumpenheim gemacht,
wie aber andere Häuser, bei welchen er sich erkundigt, den
„Angefragten" für gut erklärt hätten. „Man will eben, ist
man einmal draußen," setzte er kleinlaut hinzu, denn er
fürchtete noch Schlimmeres, „machen. Man hat ja so viele
Conkurrenten, die auch riskiren." Entrüstet aber war er, als
er von der angeblichen Frankatur, die er zugestanden haben
solle, hörte. „Auch nicht mit einer Sylbe war davon die
Rede! Auf Ehre!" ries er aus.
„Man lasse den Magazinier kommen," sprach der Chef
zu den jungen Männdrn, die wieder an ihre Arbeit gingen.
„Nun wird's Fremdwörter regnen und zu dem Ernst
der Sache doch etwas Spaß kommen," meinte Eduard.
Wie man Geschäfte macht.
„Höhne mir den Mann nicht," sprach ernst der Vater,
„ob dieser kleinen Schwäche; ist mein verlässigster Bediensteter,
goldehrlich und wie zum Magazinier geboren."
Der Magazinier trat alsbald mit einem Bon jour! in's
Zimmer. Es war ein schon etwas ältlicher Herr, jedoch noch
voll Rüstigkeit, das Haar über der Stirn emporstehend, einen
abgeschabten Rock mit Arbeitsärmeln, die in besserem Zustand
als der durch sie zu schonende Rock selbst waren, die bläu-
liche Brille aus der Rammsnase. „Bin bereits instruirt über
den schlimmen Casus und davon völlig indignirt," rief er.
„Was befehlen Herr Prinzipal zu thun?"
„Herr Kellermann," sagte dieser, „haben Sie am 12.
ds. die im Commissionsbuch Seite 669 eingetragenen Artikel
nach dem bestellten Muster an S. M. Uzer in Lumpenheim
abgegeben?"
„Yes, Herr Prinzipal! Alles striktissime realisirt und
effektuirt nach Qualität und Quantität, kann nicht mankiren."
„So fragen Sie weiter nach, Herr Kellermann, ob
Alles richtig verpackt und wann es, und durch wen abgeschickt
worden sei?"
Alles wurde abgefragt, der Commis, der Packer, der
Fuhrmann, der Lehrjunge, welcher die letzte Hand durch An-
fertigung des Frachtbriefes und Assistenz bei der Ablieferung
auf dem Lagerhaus des Bahnhofes an die Sendung gelegt
hatte. Alle betheuerten, ihre Schuldigkeit gethan zu haben.
Nur meinte Krips, der Lehrjunge, kleinlaut: „Wenn nur der
Expeditor den Ballot fortgeschickt hat, macht immer allerlei
Anstände, hat schon lange kein Trinkgeld bekommen."
„So gehe doch, Krips, sogleich auf die Expedition! Der
Expeditor wird uns doch nicht in solche Affairen bringen, die
Ehre unseres Hauses nicht so schwer schädigen," sagte Eduard.
Diesmal hatte der Expeditor das Haus nicht in solche
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wie man Geschäfte macht"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 51.1869, Nr. 1263, S. 102
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg