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Schlechte Witze.
i götzen dem Dispute zu. Lachend über den kleinen Trotzkopf
! seiner Frau trat er näher und fragte, ob die Visitation be-
endigt sei.
„Bis auf Ihren eigenen Wagen, Herr Steuerrath!"
erwiderten verlegen die Wächter des Gesetzes.
„Nun so steig einmal aus, Frauchen!" wandte er sich zu
>hr, den Spaß köstlich findend. „Hier hilft kein Maulspitzen!
! ks muß gepfiffen sein."
„Und ich steige nicht aus und lasse auch den Wagen nicht
durchsuchen!" erklärte die Gattin und begleitete diese Worte mit
; einem hervorbrechenden Strom von Thräncn.
„Aber Frau, was fällt Dir nur ein! Warum das Ge-
llsinsel?" fragte er in einiger Verlegenheit darüber, daß seine
sucht bös gemeinte Neckerei so üble Wirkung hatte, und daß er
! su Gegenwart seiner untergeordneten Beamten solchen Wider-
liand gegen seine Anordnungen traf. „Thu' mir den Gefallen
und steige aus."
„Nein!" rief sie schluchzend, „ich lasse mich nicht so vor
^r ganzen Gesellschaft blamiren! Wenn es heißt, der Steuer-
buch hat seine Frau durchsuchen lassen, so lacht mich alle Welt
' uns. Du weißt am besten . . . ."
„Daß nichts Zollpflichtiges im Wagen ist," fiel er ihr
w's Wort. „Ja! dafür glaub' ich mich verbürgen zu können.
Aber doch liegt durchaus kein Grund vor, die Durchsuchung
°e§ Wagens zu verweigern."
„Und ich duld' es wahrhaftig nicht!" schluchzte die Frau
! überlaut.
Es war eine äußerst peinliche Scene, für die Zolldiener
uicht weniger, als für den Stcuerrath. Letzterer biß sich die
j Lippen fast wund vor innerem Aerger über den ganz unzeitigen
! i^rotz seiner Frau; elftere erwarteten einen Wink, die Durch-
suchung unterlassen und sich entfernen zu dürfen. Aber darin
kannten sie ihren Vorgesetzten schlecht. Seine amtliche Autorität
Nutzte aufrecht erhalten werden, mochten die Folgen sein, welche
iic wollten. Mit einem Antlitz, auf welchem mindestens zehn
Paragraphen des Zollgcsetzes abgcdruckt zu sein schienen, wandte
cr sich an seine Gattin. „Nun wenn Du den Bitten Deines
Cannes nicht nachgebcn willst, so wirst Du doch den Befehlen
i>es Steuerraths genügen müssen. Meine Herren," lvandte er
Üch dann an die Zolldiener, „ich ersuche Sie, mir behülflich
i" sein, die Dame aus dem Wagen zu heben!"
Nach einigem Sträuben und Sperren gab sie der Gewalt
ss^eh und sprang aus dem Wagen, nicht ohne vorher ihrem
uberdiensteifrigen Gatten einen Blick tiefster Erbitterung zuzu-
^erfen und ihni zuzurufen: „Warte nur! das wird Dich schon
llereuen, ich fahre nicht weiter mit Dir!"
„Ei! fahre mit wem und wohin Du willst," brummte er
nach, als er sie in den Wagen ihrer Freundin flüchten und
"'esc und die übrige Reisegesellschaft dazu bestimmen sah, sofort
^Üzufahren. Aber damit hörte auch sei» Brunimcn auf. Das
^fsetz und seine amtliche Autorität waren unter schwierigen und
Ü"nljchen Verhältnissen aufrecht erhalten; er hatte sich vor
en Augen seiner Unterbeamtcn keine Blöße gegeben. Die
vorerwähnten zehn Zollparagraphen schwanden von seinem Antlitz
und begannen einem Zuge innerster Befriedigung Platz zu
machen. Noch einmal dänimerte zwar eine Art komischen
Zornes in seiner Seele auf, als er den davon eilenden Wagen
halb in Gedanken nachrief: „Nein! sehe einer den kleinen Trotz-
kopf!" aber der Ausdruck dieser Worte war doch schon so milde,
daß sie mehr wie zärtlicher Antheil an seinem unnöthiger Weise
so schwer gekränkten Frauchen als wie wirklicher Unwille aus-
sahen. Dann wandte er sich ruhig und im behaglichen Gefühl
vollkommenster Sicherheit an die verlegen dastehenden Zollwüchter
und sagte: „Nun, meine Herren, wenn ich bitten darf, rasch an
die Durchsuchung meines Wagens. Das Gesetz muß sein volles
Recht behalten."
Die Zollbeamten beeilten sich, dieser Weisung sofort Folge
zu geben. Aber gleich der erste, oberflächliche Einblick in den
Sitzkasten enthüllte zwei neue seidene Kleider, diverse Spitzen
und zwei schwarze seidene Wcstenstücke für ihn selbst. Es war
ihm bei diesem Anblicke, als ob ihn der Donner getroffen.
Abwechselnd blau und grün war es ihm vor den Augen: er
glaubte vor Scham in die Erde versinken zu müssen. Das
Blut tropfte ihm von den Lippen, so bearbeitete er sie mit den
Zähnen. Keines Wortes fähig, rang er mühsam nach Fassung
und drängte nur durch Zeichen seiner Hände zu genauester
Durchsuchung des Wagens. Aber es fand sich nichts Weiteres.
Schweigend, und wie an allen Gliedern gelähmt, zog er sich
mit dem Inspektor in das Zollhaus zurück, ermittelte den
Eingangszoll für die Vorgefundenen zollpflichtigen Gegenstände
und außerdem trotz der wiederholten Einsprache des Inspektors
die volle Strafe für die begangene Defraudation, zahlte Beides
baar, warf sich in seinen Wagen und fuhr blaß vor innerer
Aufregung seiner Reisegesellschaft nach, unterwegs eine wüthendc
Staudrede nach der andern überlegend, die er seiner Gattin !
nach seiner Rückkehr halten wollte und mit denen cr sic gründlich
zu zerknirschen gedachte. Aber sic blieben wie so manche andere j
wohlausgcdachtc Rede ungehalten; denn cr fand sei» schmollendes
Weibchen zu Hause uicht vor. Sic hatte vorgezogeu, bei ihrer
Freundin zu bleiben. Es war ihm ganz recht; desto mehr Zeit
hatte das Gewitter, das über ihrem schuldvollen Haupte sich !
ausschütten sollte, sich zusammen zu ballen. Noch am selbigen |
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Schlechte Witze.
i götzen dem Dispute zu. Lachend über den kleinen Trotzkopf
! seiner Frau trat er näher und fragte, ob die Visitation be-
endigt sei.
„Bis auf Ihren eigenen Wagen, Herr Steuerrath!"
erwiderten verlegen die Wächter des Gesetzes.
„Nun so steig einmal aus, Frauchen!" wandte er sich zu
>hr, den Spaß köstlich findend. „Hier hilft kein Maulspitzen!
! ks muß gepfiffen sein."
„Und ich steige nicht aus und lasse auch den Wagen nicht
durchsuchen!" erklärte die Gattin und begleitete diese Worte mit
; einem hervorbrechenden Strom von Thräncn.
„Aber Frau, was fällt Dir nur ein! Warum das Ge-
llsinsel?" fragte er in einiger Verlegenheit darüber, daß seine
sucht bös gemeinte Neckerei so üble Wirkung hatte, und daß er
! su Gegenwart seiner untergeordneten Beamten solchen Wider-
liand gegen seine Anordnungen traf. „Thu' mir den Gefallen
und steige aus."
„Nein!" rief sie schluchzend, „ich lasse mich nicht so vor
^r ganzen Gesellschaft blamiren! Wenn es heißt, der Steuer-
buch hat seine Frau durchsuchen lassen, so lacht mich alle Welt
' uns. Du weißt am besten . . . ."
„Daß nichts Zollpflichtiges im Wagen ist," fiel er ihr
w's Wort. „Ja! dafür glaub' ich mich verbürgen zu können.
Aber doch liegt durchaus kein Grund vor, die Durchsuchung
°e§ Wagens zu verweigern."
„Und ich duld' es wahrhaftig nicht!" schluchzte die Frau
! überlaut.
Es war eine äußerst peinliche Scene, für die Zolldiener
uicht weniger, als für den Stcuerrath. Letzterer biß sich die
j Lippen fast wund vor innerem Aerger über den ganz unzeitigen
! i^rotz seiner Frau; elftere erwarteten einen Wink, die Durch-
suchung unterlassen und sich entfernen zu dürfen. Aber darin
kannten sie ihren Vorgesetzten schlecht. Seine amtliche Autorität
Nutzte aufrecht erhalten werden, mochten die Folgen sein, welche
iic wollten. Mit einem Antlitz, auf welchem mindestens zehn
Paragraphen des Zollgcsetzes abgcdruckt zu sein schienen, wandte
cr sich an seine Gattin. „Nun wenn Du den Bitten Deines
Cannes nicht nachgebcn willst, so wirst Du doch den Befehlen
i>es Steuerraths genügen müssen. Meine Herren," lvandte er
Üch dann an die Zolldiener, „ich ersuche Sie, mir behülflich
i" sein, die Dame aus dem Wagen zu heben!"
Nach einigem Sträuben und Sperren gab sie der Gewalt
ss^eh und sprang aus dem Wagen, nicht ohne vorher ihrem
uberdiensteifrigen Gatten einen Blick tiefster Erbitterung zuzu-
^erfen und ihni zuzurufen: „Warte nur! das wird Dich schon
llereuen, ich fahre nicht weiter mit Dir!"
„Ei! fahre mit wem und wohin Du willst," brummte er
nach, als er sie in den Wagen ihrer Freundin flüchten und
"'esc und die übrige Reisegesellschaft dazu bestimmen sah, sofort
^Üzufahren. Aber damit hörte auch sei» Brunimcn auf. Das
^fsetz und seine amtliche Autorität waren unter schwierigen und
Ü"nljchen Verhältnissen aufrecht erhalten; er hatte sich vor
en Augen seiner Unterbeamtcn keine Blöße gegeben. Die
vorerwähnten zehn Zollparagraphen schwanden von seinem Antlitz
und begannen einem Zuge innerster Befriedigung Platz zu
machen. Noch einmal dänimerte zwar eine Art komischen
Zornes in seiner Seele auf, als er den davon eilenden Wagen
halb in Gedanken nachrief: „Nein! sehe einer den kleinen Trotz-
kopf!" aber der Ausdruck dieser Worte war doch schon so milde,
daß sie mehr wie zärtlicher Antheil an seinem unnöthiger Weise
so schwer gekränkten Frauchen als wie wirklicher Unwille aus-
sahen. Dann wandte er sich ruhig und im behaglichen Gefühl
vollkommenster Sicherheit an die verlegen dastehenden Zollwüchter
und sagte: „Nun, meine Herren, wenn ich bitten darf, rasch an
die Durchsuchung meines Wagens. Das Gesetz muß sein volles
Recht behalten."
Die Zollbeamten beeilten sich, dieser Weisung sofort Folge
zu geben. Aber gleich der erste, oberflächliche Einblick in den
Sitzkasten enthüllte zwei neue seidene Kleider, diverse Spitzen
und zwei schwarze seidene Wcstenstücke für ihn selbst. Es war
ihm bei diesem Anblicke, als ob ihn der Donner getroffen.
Abwechselnd blau und grün war es ihm vor den Augen: er
glaubte vor Scham in die Erde versinken zu müssen. Das
Blut tropfte ihm von den Lippen, so bearbeitete er sie mit den
Zähnen. Keines Wortes fähig, rang er mühsam nach Fassung
und drängte nur durch Zeichen seiner Hände zu genauester
Durchsuchung des Wagens. Aber es fand sich nichts Weiteres.
Schweigend, und wie an allen Gliedern gelähmt, zog er sich
mit dem Inspektor in das Zollhaus zurück, ermittelte den
Eingangszoll für die Vorgefundenen zollpflichtigen Gegenstände
und außerdem trotz der wiederholten Einsprache des Inspektors
die volle Strafe für die begangene Defraudation, zahlte Beides
baar, warf sich in seinen Wagen und fuhr blaß vor innerer
Aufregung seiner Reisegesellschaft nach, unterwegs eine wüthendc
Staudrede nach der andern überlegend, die er seiner Gattin !
nach seiner Rückkehr halten wollte und mit denen cr sic gründlich
zu zerknirschen gedachte. Aber sic blieben wie so manche andere j
wohlausgcdachtc Rede ungehalten; denn cr fand sei» schmollendes
Weibchen zu Hause uicht vor. Sic hatte vorgezogeu, bei ihrer
Freundin zu bleiben. Es war ihm ganz recht; desto mehr Zeit
hatte das Gewitter, das über ihrem schuldvollen Haupte sich !
ausschütten sollte, sich zusammen zu ballen. Noch am selbigen |
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Schlechte Witze"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 61.1874, Nr. 1517, S. 51
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg