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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 21.1886

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Die Centenarfeier für König Ludwig I.
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5792#0301

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589

Korrespondenz,

590

München wird svnder Zweifel Festtage erleben,
wie sie noch kaum innerhalb seiner Mauern dagewesen
sind. Nur eine einzige Frage möge dabei bescheidener-
weisc gestellt werden:

Wcire es nicht das großartigste, am meisten im
Sinne des künstbegeisterten Monarchen gelegene Projekt,
an diesem Tage dcn Grundstein zu einer Stiftung
für Künstler zn legen, dercn Scgen fvrtwirkcn würdc
von Generation zu Generation und deren Folgen nicht
verrauschen würden wie dieFestesfreude, derenErinnerung
wohl in dem einzelnen lange haften bleibt, die aber, trotz
all ihrer schvnen Seiten, doch ein vergänglich Ding ist!
Zwar existirt ein Künstlerunterstlltzungsverein, für
dessen Zustandekommen vor alleni der verewigte Mo-
narch großmütig sorgte. Sein segensreiches Wirken
ist allen in München bekannt. Sollte nicht die
Ccntenarfeicr für König Ludivig I. die Gelegenheit
bieten, dieses schöne Unternehmen auf breiterer Basis
zu konstituiren, dadurch, daß reichere Mittel geboten
wiirden? Wer die Zeit ehrlich anschaut, der denkt
wohl auch zuweilen daran, daß es heute dir, morgen
mir passiren kann, besitzlos zu sein. Und dann?

v. U.

Aorrespondenz.

Mailand, im Mai 1886.

Jn den letzten Monaten wurden fllr die städti-
schen und staatlichen Sammlungen Mailands, welche
sämtlich der Direktion des Prof. Giuseppe Bertini
unterstehen, eine Anzahl von Erwerbungen gemacht,
die zum Teil von ganz erheblicher künstlerischer Be-
deutung sind. Durch einen glücklichen Zufall ist dem
Museo archeologico im Erdgeschoß des Brerapalastes
der Besitz eines kostbaren kleinen Skulpturwerkes ge-
sichert worden, von dem es bereits aus früherer Zeit
eine alte gefärbte Stuccokopie besaß. Erst aus dem mar-
mvrnen Originalwerk ersieht man den vollen charakteri-
stischen Wert des Werkes. Es ist ein unter einer gut
propvrtionirten Arkade stehender, an den Baum ge-
bundener heil. Sebastian in Hochrelief. Wiewohl
nicht mehr als das Maß von einer Spanne erreichend
deutet doch das Nackte in der ernsten, kräftigen Figur,
sowie das breitknochige Gesicht, welches im Giebelfeld
oben angebracht ist, auf einen hervorragenden lom-
bardischen Meister des Quattrocento, der wohl kein
Geringerer ist als Ler berühmte Goldschmied und
Bildhauer Caradosso Foppa, der Frennd und Mit-
arbeiter des Bramante, ein Künstler, der für den
lokalcn Stil Mailands in jcner Zcit als ebenbiirtig
mit dem gleichnamigen und wohl mit ihm verwandten
Malcr Vincenzo Foppa zu erachten ist.

Jn demselben Mnseum ist neu hinzugekvmmen
das marmorne Prosilbild des Mitgliedes einer alt-

adeligen mailändischen Familie, bczeichnet mit dem
Namen Laurentius Mozzanica und der Jahreszahl
1475: eine schlichte, gut modellirte Physiognomie, die
herabwallenden Haare unter dem hergebrachten Barett
gesammelt, das volle Kinn und die Wangen unbärtig.
Das Bildwerk stammt aus der Kirche San Carlo am
Corso, aus welcher mit besonderer Genehmigung der
Regierung auch ein wertvolles, auf Leinwand nber-
tragenes Freskobild fnr die Breragalerie erworben
wurde. Dieses Gcmälde, welches die Jungfrau Maria
als Schutzheilige mehrerer unter ihrem ausgebreiteten
Mantel versammelter Andächtigcr darstellt, ist das Werk
des Ambr. Borgognone, ein willkvmmener Erwerb
sür die Galerie der Brera, in welcher der ehrwürdige
mailändische Meister bisher weder besonders reichlich,
noch günstig repräsentirt war.

Desto unbegründeter aber und unerfreulicher ist
der Ankauf der Halbfigur eines büßenden Hieronymus
von Ribera, der bereits in einem der großen Säle
unter dem Bilde von Baroccio seinen Platz gesunden
hat. Das Bild ist erstens ein verzeichnetes und äußerst
nachgedunkcltes Produkt jenes Meisters, welches zweitens
in Betracht der beschränktcn Mittel unserer Museen
hätte in den Hintergrund gestellt werden sollen, um
eventuell neue Erwerbungen von lokalem Jnteresse mög-
lich zn machen.

Aus besserer Zeit und als bezeichnetes Bild
immerhin interessant ist dagegen das ebenfalls in neue-
ster Zeit eingereihte kleine Taselgemälde von Giovanni
Speranza aus Vicenza, dem Nachahmer und Schüler
des Bart. Montagna ^). Da letzterer uns hier in seinem
mächtigen Kapitalwerk Vvm Jahre 1500 entgegentritt,
so ist es immer belehrend, dcn freilich geringeren Schüler
ihm znr Seite zu finden.

Jm Mnseo artistico municipale für Kunst und
Jndustrie fesseln besonders einige aus Rom ange-
schafste altc Holzmöbel unsere Aufmerksamkeit. Zu-
nächst ein Cassone von schönster sarkvphagartiger Kon-
struktivn, mit einem Untergestell auf vier kräftigen
Löwentatzen, ein wahres Spezimen der gediegensten
Frncht- und Blätterdckvration aus dem Ende des
15. oder dem Anfange dcs folgenden Jahrhunderts.
Der wohlthuende, feine Effekt des Ganzen wird noch
speziell durch cine mäßige Anwendung von Vergoldnng
gesteigert. — Aber eine noch bei weitem bedeutendere
Anziehnngskraft besitzt ein zweiter Cassone, cin Uni-
kum in seiner Art, welches durch Herrn Direktor Ber-
tini für das Museum Poldi Pezzoli erworben wurbe.
An der dreigeteilten Fronte, mit leichten, in Schwarz

1) Es ist 0,55 m breit und 0,38 m hoch und stellt dis
Maria nnt dem Kinde zwischen den Heiligen Magdalena und
Jossf in Halbfiguren dar.
 
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