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Werner, Wilfried
Cimelia Heidelbergensia: 30 illuminierte Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg — Wiesbaden, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.2051#0015

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Missale Parisiense (Cod. Sal. ixa)

man das Wort des römischen Kriegshauptmanns: »Vere filius dei erat iste« (Matth. 27,54; Marc. 15,39). Die
Figuren bewegen sich auf einem felsigen Bodenstück, dessen helles Ocker nach der Tiefe zu in mehrfach ab-
gestuftes Grün übergeht. Im Hintergrund erheben sich stilisierte Felsen und Hügel nach dem Vorbild der
sienesischen Schule.

Die drei Kreuze ragen vor einem gleichmäßig ockerfarbenen, mit goldenen Federranken bedeckten Hinter-
grund auf. Lediglich der obere Teil des mittleren Kreuzes mit Haupt und Armen Christi reicht in eine blaue
Himmelssphäre hinein, die in Form eines Kreissegments das Bild zum oberen Rahmen hin abschließt. Auch
hier sind - kaum sichtbar - Engelsgestalten aus dem Blau herausmodelliert. Eine davon nimmt die aus dem
Munde des Schachers zur Linken (vom Betrachter aus gesehen) entschlüpfende Seele auf.

Nach M. Rickert vermittelt das Bild eher die dramatische Stimmung und erzählerische Spannung eines
Tafelbildes als die formale Eleganz einer Buchminiatur. Komposition, Stil und sogar viele der Einzelfiguren
seien nahezu identisch mit denen der »Kleinen Kreuzigung« des Veronika-Meisters, eines führenden Künstlers
der Kölner Schule. Sie hält es für nicht ausgeschlossen, daß unser Bild von Jan Maelwael, dem Onkel der
Limburg-Brüder, stamme. Sie kann auch sonst Beziehungen der Maelwael-Limburg-Gruppe zu Kölner Künst-
lern nachweisen, die einen Einfluß von dorther erklären mögen.

Die Handschrift stammt aus dem Zisterzienserkloster Salem am Bodensee, mit dessen Bibliothek sie 1826 in
die Universitätsbibliothek Heidelberg gelangte. Sie war im Jahre 1765 vom damaligen Abt des Klosters in
Paris erworben worden, wie aus einem Eintrag am oberen Rand der ersten Kalenderseite hervorgeht: »B. M. V.
in Salem, Comparavit Excellentissimus noster Anseimus II capituli generalis ad curiam Franciae commissarius
pro 40 Ib. Parisiis, 16. Jul. 1765«.

Ein weiterer Vermerk findet sich, von unten nach oben geschrieben, am inneren Rand derselben Seite:
»Paraphe au desir de Farrest du cinq juillet 1763. Mesnil«. Dieser Eintrag verweist auf das Urteil des »Conseil
secret du Parlament de Paris«, wonach die Bibliothek des 1762 aufgehobenen Jesuitenkollegs 1764 verkauft
werden sollte23. Auf Grund dieses Beschlusses sollten alle Handschriften mit einem entsprechenden Eintrag
versehen, es sollte die Blattzahl vermerkt werden3, alle Manuskripte sollten dann in versiegelten Kisten in die
Abtei St. Germain des Pres gebracht werden, wo die gelehrten Benediktiner den Inhalt der Handschriften zu
sichten, ihren Wert zu schätzen und einen Katalog anzulegen hatten4. Zwar wurde am 6. Dezember 1764 ein
Handel mit dem holländischen gelehrten Sammler Gerard Meerman abgeschlossen, wonach dieser sämtliche
856 Handschriften für 15000 Ib. erwarb, doch gelangten mit dem Transport im April 1765 offensichtlich nicht
alle Stücke nach Holland: Ein Teil mußte unter gelindem Druck der Königlichen Bibliothek in Paris zum
»Geschenk« gemacht werden, andere scheinen auf sonstigem Wege von den übrigen getrennt worden zu sein.
Nach V. Rose5 begegnet ein beträchtlicher Teil der 1764 verzeichneten Stücke nicht mehr in dem Katalog, in
dem die Meerman'sehen Handschriften 1824 zum Verkauf angeboten wurden6.

1 H. Walther, Carm. 14563, = »Calendarium metricum de diebus infaustis«. - Vergl. auch J. Hennig, Versus de mensibus.
In: Traditio 11 (1955) S. 65-90 (S. 84).

2 Auf den Kalender folgt, nach zwei leeren Blättern, fol. 9r der Temporalteil: >lncipit missale seeundum usum et
consuetudinem ecclesie Parisiensis. Dominica la in aduentu domini<. Die ausführlichen Rubriken, z.B. zur Aschermitt-
wochsliturgie oder für die Passionszeit wenden sich an einen Bischof als Liturgen. (z.B. 34r, 87v). Im Zusammenhang mit
der Palmsonntagsprozession werden zwei Pariser Kirchen genannt: (73vh): die »ecclesia beate Marie« und die Kirche
»Sancte Genouefe de monte«. Zum Gründonnerstag heißt es (89ra): >Post prandium conveniunt canonici in maiori (!)
ecclesia beate Marie . . .< In den Litaneien (95r, 98v, 100v) werden dieselben Heiligen herausgehoben, die auch für den
Kalender als charakteristisch gelten konnten (z.B. Dionysius, Marcellus, Gendulf, Genoveva).

Der »Ordo missae«, beginnend auf Bl. l()lr, enthält, mit französischen Quadratnoten im Vierliniensystem aufgezeichnet,

ab Bl. 102v die >prefaciones per anni circulum<, insgesamt 12 Prosahymnen. An den Kanon (Bl. 109r-113r) schließen sich

Nachträge des 17. Jahrhunderts in Antiqua an, darunter der Anfang des Johannes-Evangeliums. Das Temporale setzt sich

fort auf Bl. 115r— 176r. Das Sanctorale beginnt Bl. 176v mit der Vigil zu St. Andreas (30. 11.) und endet 222rh >In saneti

Saturnini martyris< (29.11.).

Es folgt ab Bl. 222r das Commune sanetorum. Ab Bl. 238v finden sich Votivmessen (>. . . de s. trinitate ...<,>... de

angelis ...<,>... pro infirmo< etc.), darunter Bl. 249vbff. ein »ordo ad sponsam benedicendam« mit französischen Partien,

nachfolgender Messe und Benediktionen, Exorzismen und Gebeten.

Ab Bl. 253v sind »Prosen« (Sequenzen) für den Ablauf des Kirchenjahres zusammengestellt.

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