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Werner, Wilfried
Cimelia Heidelbergensia: 30 illuminierte Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg — Wiesbaden, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.2051#0086

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(Cod. Pal. Germ. 84) Buch der Beispiele der alten Weisen

durch den ständigen Wechsel der Farben bei Rahmen, Hintergrund. Bodenstück und Kleidung des Acker-
manns. Sie sind recht sorgfältig, aber ohne größeres Können ausgeführt (21v, Tafel S. 88).

Bestimmung bzw. ehemalige Besitzverhältnisse werden deutlich an den Wappendarstellungen fol. lr und lv.
Sie zeigen das weiße Kreuz auf rotem Grund von Savoyen (lr, mit dem Monogramm I.M.M.L, und V) bzw.
die drei württembergischen schwarzen Geweihstangen auf gelbem Grund.

In die weitausladenden Schleifen der Oberlängen der ersten Zeilen sind verschiedentlich die Buchstaben
M und f hineingestellt, das »f« einmal aufgelöst als »fortuna«. Es handelt sich hier also offensichtlich
nicht um Schreiberinitialen, sondern um einen Glückwunsch für Margarete von Savoyen, die frühere
Gemahlin des Kurfürsten Ludwig IV., seit 1453 verheiratet mit Ulrich V. von Württemberg.

Textausg.: Der Ackermann aus Böhmen. Hrsg. von L. L. Hammerich und G. Jungbluth. 1: Bibliographie, Einl.,
krit. Text mit App., Glossar. Heidelberg 1951.

Buch der Beispiele der alten Weisen 27

Cod. Pal. Germ. 84, Papier, 241 Bl., 32x22,5 cm, schwäbisch, um 1475/80 Tau in Sfitf 91, 92

Dieses Buch geht auf eine altindische Sammlung von Fabeln und Novellen zurück, die im 2. oder 3. Jahrhun-
dert nach Christus entstanden sein mag, Geschichten, die mit dem Zweck der Unterhaltung zugleich die
Absicht verbanden zu unterrichten und an Hand von Exempeln in die Verhaltensregeln der Lebensklugheit
einzuführen. Obwohl zunächst wohl als Fürstenspiegel entworfen, um Prinzen die Kunst der Politik zu lehren,
wurde das Werk - unter den Bezeichnungen »Pancatantra«, »Kaiila und Dymna« oder auch »Bidpai« - zu
einem der erfolgreichsten Texte der Weltliteratur, wirkend über alle Grenzen des Standes, der Sprachen.
Kulturen und Religionen hinweg. Übersetzungen entstanden: ins Chinesische, Japanische, Malaiische und
Mongolische sowie im 6. Jahrhundert ins Persische. Wichtig für die Verbreitung im Abendland wurde die
arabische Version des 8. Jahrhunderts. Aus der daran anknüpfenden hebräischen Fassung übertrug der
konvertierte jüdische Gelehrte Johann von Capua zwischen 1263 und 1278 die Erzählungen ins Lateinische.
Anton von Pforr schließlich, Kirchherr und Hofkaplan der Pfalzgräfin Mechthild zu Rottenburg am Neckar,
übersetzte das Buch - für die Fürstin oder ihren Sohn, den Grafen Eberhart von Württemberg - ins
Deutsche. Von dieser Version ging nochmals eine große Wirkung aus: von ihr zeugen 17 gedruckte Ausgaben
des 15. und 16. Jahrhunderts. 6 erhaltene Handschriften des 15. Jahrhunderts sowie eine lange Reihe von
Übertragungen in andere europäische Sprachen, darunter auch ins Isländische.

Natürlich hat sich in der langen Geschichte der Aneignungen des Stoffes - insgesamt zählt man mehr als
200 Bearbeitungen in ca. 60 Sprachen — mehr verändert als nur das sprachliche Gewand. Die deutsche
Fassung des Anton von Pforr ist alles andere als eine bloße, wenn auch über mehrere Zwischenstufen erfolgte
Übersetzung jenes indischen, in hoher Kunstsprache geschriebenen Lehrbuchs für angehende Regenten, die
daraus lernen sollten, wie man Macht über andere gewinnt und bewahrt - wobei die empfohlenen Ver-
haltensweisen auch ein gutes Maß an Skrupellosigkeit voraussetzen. Antonius von Pforr legt seinem deutschen
Publikum ein Buch vor. das im Laufe von mehr als tausend Jahren immer wieder an anders geartete gesell-
schaftliche Bedingungen, moralische Konventionen und religiöse Vorstellungen angepaßt werden mußte, damit
sein Schatz an Geschichten die ursprüngliche Aufgabe erfüllen konnte: zu unterhalten und zu belehren. Das
»Buch der Beispiele« will - trotz der hohen Auftraggeberin — vor allem ein bürgerliches Publikum unter-
halten und belehren, unterhalten mit den Erzählungen, belehren mit den dazugegebenen, aus einer praktischen
Lebensphilosophie heraus gewonnenen Erklärungen. Manches in dem ursprünglich schlüssigen Bezugssystem
von vordergründig Erzähltem und letztlich Gemeintem paßt nicht mehr völlig zueinander. Dies aber wird das

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