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Werner, Wilfried
Cimelia Heidelbergensia: 30 illuminierte Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg — Wiesbaden, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.2051#0047

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Biblia Pauperum (Cod. Pal. Germ. 438)

Die sogenannte »Biblia Pauperum« dagegen gehört zu den typologischen Büchern des Mittelalters. Unter
dem Gesichtspunkt der Präfiguration werden Gestalten und Ereignisse des Alten und des Neuen Testaments
zueinander in Beziehung gesetzt, um die im göttlichen Plan angelegte Einheit der Heilsgeschichte anschaulich
zu machen. Der Urtyp einer »Biblia Pauperum« dürfte — nach gewissen Vorstufen-noch vor Mitte des 13. Jahr-
hunderts durch den Mönch eines süddeutschen Klosters geschaffen worden sein. Er hat bis zum 15. Jahrhundert
manche Änderung erfahren, nicht nur hinsichtlich der Bildkomposition und des beigefügten Textes, sondern
auch nach Zahl und Reihenfolge der Bildgruppen.

Unsere Handschrift enthält 41 solcher Bildgruppen, die aus jeweils sieben Darstellungen zusammengesetzt
sind. Das Hauptbild aus dem Neuen Testament, das den Antitypus vertritt, wird flankiert von insgesamt vier
kleineren Prophetenbildern, entsprechend der Zahl der vier Evangelisten. Über diese Fünfergruppe sind zwei
szenische Vorbilder (Typen) aus dem Alten Testament gestellt.

Ausgewählt ist hier die Bildgruppe (fol. 26r, Tafel S. 49), in deren Mittelpunkt die Rückkehr der heiligen
Familie aus Ägypten steht. Zu dem Geschehen des Neuen Testaments werden Jakobs Rückkehr aus Mesopo-
tamien (Genesis 32) und Davids Heimkehr nach Judäa (2. Reg. 2) in Beziehung gesetzt. Die Jakobsdarstellung
ist in zwei Hälften geteilt. Die obere zeigt Jakob mit seinen beiden Frauen Rahel und Lea sowie zwei seiner
Söhne, die untere seine Herde, von Hirten angetrieben. Auf dem danebenstehenden Bilde empfängt David,
der vor Saul hatte fliehen müssen wie Jakob vor dem Bruder Esau und wie Christus vor Herodes, nach dem
Tode des Saul die Weisung Gottes, sich nach Hebron zu begeben. Der um die Bilder herumgeordnete Text
erzählt in zusammenfassenden Sätzen die alttestamentlichen Ereignisse und deutet sie im Sinne der Präfigura-
tion aus, ebenso wie die Worte des Psalmisten und der Propheten Osee und Zacharias auf Christus bezogen
werden.

Die Bilder sind in kräftigem Deckfarbenkolorit ausgeführt. Die recht gut proportionierten Figuren in der
Tracht um 1430 stehen auf einem Bodenstück mit angedeutetem Gras- und Pflanzenbewuchs vor neutralem
Blattgoldhintergrund, der durch Punkturen geometrisch gegliedert ist. Die im Davidsbild angebrachten Spruch-
bänder wirken zugleich belebend und raumfüllend.

Die Heidelberger Handschrift, die zum sogenannten »deutschen erzählenden Typ« gehört, ist wenige Jahr-
zehnte nach ihrer Fertigstellung mit einem deutschen Psalterium in der Ordnung des römischen Breviers ver-
einigt worden, in der Weise, daß die Texte der Psalmen und Cantica meist auf eingeschobenen Blättern, mit-
unter aber auch auf den leeren Rückseiten der Armenbibel niedergeschrieben sind. Der zum Psalterium ge-
hörige Kalender verweist auf die Diözese Eichstätt, für die Armenbibel ist auf Grund des Dialekts und des Stils
der Bilder die bayerische Herkunft gesichert.

M. Berve, Die Armenbibel. Herkunft, Gestalt, Typologie. Dargest. anh. von Miniaturen aus der Handschrift Cpg. 148 der
Univ.-Bibliothek Heidelberg. Beuron 1969. - H. Cornell, Biblia pauperum. Stockholm 1925. - G. Schmidt, Die Armen-
bibeln des 14. Jahrhunderts. Graz, Köln 1959 (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung.
19).

14 Biblia Pauperum

in Cod. Pal. Germ. 438 (Bl. 111-128), Papier, 27 X 20 cm, Ostmitteldeutschland (?),
Tafel Seite 51 um 1455/58

Während die Texte dieser »Armenbibel« (zum Buchtyp vergleiche Nr. 13) mit der Hand geschrieben sind,
wurden die Bilder aus einer Holzplatte herausgearbeitet. Der »Holzblock« wurde mit einer schwarzen oder
bräunlichen Farbe bestrichen, ein angefeuchtetes Papier daraufgelegt und mit der Bürste, dem Falzbein oder

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