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Werner, Wilfried
Cimelia Heidelbergensia: 30 illuminierte Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg — Wiesbaden, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.2051#0050

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(Cod. Sal. x 16) Scivias

W. L. Schreiber, Manuel de Famateur de la gravure sur bois et sur metal au 15e siede. T. IV (Leipzig 1902), Neudr. 1969.
Biblia Pauperum. Unicum der Heidelberger Univ.-Bibl. Hrsg. von P. Kristeller. Berlin 1906 (Veröffentl. d. Graph.
Gesellschaft. 2). - Die Zehn Gebote. Faksimile eines Blockbuches von 1455/58 aus dem Codex Palatinus Germanicus
438 der Univ.-Bibl. Heidelberg. Mite. Kommentar von W. Werner. Dietikon - Zürich 1971. -The Fable ofthe Sick Lion.
A fifteenth-century blockbook. Catalogue prepared by R. S. Field. Middletown 1974.

Hildegard von Bingen SCIVIAS 15

Cod. Sal. X 16, Pergament, 200 Bl., 41,5 x 29 cm, Salem, um 1200 Tafeln Seite 54, 55

Die »Seherin vom Rupertsberg« (1098-1179), Tochter eines Edelfreien aus Bermersheim bei Alzey in der
Pfalz, lebte seit ihrem neunten Lebensjahr in klösterlicher Gemeinschaft; zunächst bei einer Klausnerin auf
dem Disibodenberg, seit 1147 dann als Vorsteherin des Frauenkonvents auf dem Rupertsberg bei Bingen. Sie
berichtet, wie sie die Offenbarungen, die ihr schon als Kind zuteil geworden seien, nicht im Zustand der
Ekstase, sondern in wachem Bewußtsein aller ihrer Sinne empfange. Nicht aus subjektivem religiösem Erleben
und nicht aus intimer Begegnung der Einzelseele mit Gott entstehen die Visionen, sondern Hildegard, die
»Mitwisserin Gottes«, sieht sich als Vermittlerin einer göttlichen Botschaft an die Kirche und an die Gläubigen
ihrer Zeit, als Prophetin. Dazu gehört der Auftrag, das Gesehene und Gehörte in unbedingter Treue unver-
fälscht wiederzugeben. Um seine strikte Ausführung bemüht sie sich im steten Bewußtsein ihrer Unzulänglich-
keit. Der gelehrte Mönch Volmar begnügt sich damit, die grammatischen Fehler ihres spröden Lateins zu ver-
bessern. Im merkwürdigen Gegensatz dazu, der an der Echtheit ihrer Schriften hat zweifeln lassen, steht Hilde-
gards umfassendes Wissen, die Weite ihrer Bildungswelt.

Ihr erstes Werk, mit dessen Abfassung sie auf ausdrücklichen göttlichen Befehl beginnt, entsteht in den
Jahren 1141-1151: Sei vias »Wisse die Wege (des Herrn)«. Es enthält die Dogmatik ihrer Zeit, die Glaubens-
lehren von der Erschaffung der Welt, dem Sturz Luzifers. dem Sündenfall des Menschen und seiner Erlösung,
vom Sieg der Kirche über die Synagoge, von der Bedeutung der Sakramente und den Möglichkeiten des Auf-
stiegs der Seele durch »Beschauungen« und Leiden. Die Visionen, deren Bilder an die Apokalypse des Johan-
nes erinnern, werden zunächst in ihren phantastischen Einzelheiten geschildert und danach auf ihre kosmischen
und geistig-religiösen Sachverhalte hin allegorisch ausgedeutet, wobei sich vielfach ein Anlaß bietet, moralische
Verhaltensregeln zu erläutern und zur Buße aufzurufen. Später hat Hildegard Werke auch über naturwissen-
schaftliche und medizinische Fragen verfaßt, sie hat das Thema der Ethik noch einmal gesondert behandelt
und ein Buch »Von den göttlichen Werken« geschrieben, stets in der Form einer Offenbarung Gottes. Schließ-
lich ist sie mit hymnischen Dichtungen und musikalischen Kompositionen hervorgetreten. Sie war die außer-
gewöhnlichste Frau ihres Jahrhunderts, die mit Päpsten und Kaisern, Fürsten und Bischöfen sprach und korre-
spondierte, die ihnen Mahnerin und Ratgeberin war, die in Kirchen. Klöstern und Marktplätzen als Rednerin
auftrat, die gegenüber den Großen der Welt ihre Rechte zu verteidigen wußte, die weite Reisen unternahm,
wenn Gottes Stimme es von ihr forderte.

Von den zehn bekanntgewordenen Handschriften sind zwei mit Bilderzyklen ausgestattet, doch ist die vom
Rupertsberg stammende, früher in Wiesbaden aufbewahrte Haupthandschrift des 12. Jahrhunderts seit Kriegs-
ende verschollen. Somit kommt dem Heidelberger illuminierten Manuskript eine erhebliche Bedeutung zu. Es
ist wahrscheinlich in Salem entstanden. Die textliche Beziehung zu den übrigen Handschriften ist noch nicht
hinreichend erforscht. Als Vorlage für einen Teil der vermutlich später hinzugefügten Miniaturen hat offen-
sichtlich ein Zwiefaltener Kodex gedient: Bildmotive aus einem Sammelband dieses Klosters (Stuttgart, Hist.
fol. 415) werden in das Salemer Buch aufgenommen und für den besonderen Illuminationszweck abgewandelt.
Beziehungen zur Hl. Hildegard waren sowohl in Zwiefalten, das Hildegard besucht hat, als auch in Salem ge-
geben, das mit ihr in Briefwechsel stand.

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