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Werner, Wilfried
Cimelia Heidelbergensia: 30 illuminierte Handschriften der Universitätsbibliothek Heidelberg — Wiesbaden, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.2051#0096

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(Cod. Pal. Germ. 152) Historie vom Herzog Herpin

sondern auch die Schwächen und Grenzen des Menschen und der Gesellschaft - auch der adligen - nüchtern
oder mit Freude am Derben und Grellen ans Licht stellt. Ein neues Publikum zeichnet sich ab in dem
aufstrebenden, auch politisch an Einfluß gewinnenden Bürgertum, das selbst als Autor ritterlicher Stoffe bereits
hervortritt. Noch ist allerdings die Bezeichnung »Volksbuch« für ein Werk wie den »Herzog Herpin« nur
mit Einschränkungen zu gebrauchen. Urheberin der deutschen Übertragung ist Elisabeth von Nassau-Saar-
brücken (1394-1456), Tochter der literarisch gebildeten Margarete von Vaudemont/Joinville und des
Friedrich von Lothringen, die 1412 den deutschen Grafen Philipp I. von Nassau-Saarbrücken heiratete.
Verwandtschaftliche Beziehungen verbanden sie mit den Höfen in Heidelberg und Rottenburg.

Elisabeth übersetzte in den Jahren um 1437 außer dem »Herzog Herpin« drei weitere Chansons de geste
fast wortgetreu in die Sprache ihres neuen Wirkungsbereiches. Lediglich anstößige oder ihr unverständliche
Stellen formte sie um oder kürzte sie.

Die »Historie vom Herzog Herpin« ist in drei Handschriften des 15. Jahrhunderts überliefert. Vier Drucke
sind während des 16. Jahrhunderts erschienen. Püterich von Reichertshausen nennt in seinem »Ehrenbrief«
von 1462 an die Pfalzgräfin Mechthild unter den ihm unbekannten Büchern ihrer Bibliothek auch den
»Herzog Herpin« (Strophe 99). Unser Exemplar wird zuerst in einem Katalog von 1556/7 erwähnt, in dem
Ottheinrich wahrscheinlich die Bücher hat zusammenstellen lassen, die mit der Bibliothek der Heilig-Geist-
Stiftung zur Bibliotheca Palatina vereinigt werden sollten: In Cod. Pal. Lat. 1941 (»Historiographi et
Cosmographi«, unter »H in folijs«) liest man: »Historia von Hertzog Herpin vnd Khönig Carolo. Auf
Papier geschrieben«. Ein entsprechender Eintrag findet sich in der Handschrift selbst (lr).

Das früheste Manuskript des Herpin (zwischen 1455 und 1472 entstanden) gehört zu einer Gruppe von
drei Prachthandschriften (heute in Hamburg und Wolfenbüttel), in denen die vier Werke der Gräfin
repräsentiert sind. Es sind dies außer dem »Herpin«: »Loher und Maller«, »Hug Scheppel« und »Sibille«.
Die Kodizes wurden auf Veranlassung des Sohnes der Gräfin, Johanns III. Grafen von Nassau-Saarbrücken,
in rheinfränkischer Sprache geschrieben und mit eingeklebten Bildern in getuschter Federzeichnung ge-
schmückt. Auch die dritte Herpin-Handschrift (Berlin) ist mit qualitätvollen Bildern ausgestattet. Die Drucke
weisen Holzschnitte in unterschiedlicher Zahl auf.

Unser Bild (219v, Tafel S. 98) zeigt Löws Sieg über den gottlosen Gombaut, der Herpin erschlagen hat. -

1 ä ^au, a: »ir mugent« usw.. »geschenhen«. »besenhen« (= geschehen, besehen), noch keine Diphthongierung von
I, ü, iu; ei >ai; Tenuis in »tegen«, »tusent«, »tode«. »truckse«.

2 Die schwäbische Zerdehnung von ä ist hier allerdings seltener bezeichnet.

3 »dochter«, »dorin«. »gedaten«. »dische«; auch »gedocht«. »fohent«, meist ist allerdings ä in der Schreibung erhalten;
auffallend ist »des grefen« (vergl. Moser. Frnhd. Gr. I. 1929, § 58. Anm. 8). alemannisch jedoch »ir habent«. »sol«,
»kam« etc.; altes ei wird stets ey/ei geschrieben, alte Längen sind erhalten.

4 Diphthongierung (»mein«, »dein« neben »min«, »din« ). schwabische Zerdehnung (»gaben«. »Schwaben«). ai-Schrei-
bung, Vertauschung von w und b (»Wekant«. »albeg« ), dazu pald, pett, komen ( = 1. plur. praet.). Cod. Pal. Germ. 16
(der erste Teil der dreibändigen Bibel) hat regelmäßig ai für ei, jedoch keine Diphthongierung der mhd. Längen, dazu
Medien ( »erdoten«, »doten«, jedoch auch »tet« etc.), »öpfel«, »komen« ( = 1. plur. praet.) neben »kamen«.

E. Müller, Die Überlieferung des Herpin von Burges. Phil. Diss. Halle 1905. - W. Liepe. Elisabeth von Nassau-Saar-
brücken. Entstehung und Anfänge des Prosaromans in Deutschland. Halle 1920 (zum Herpin S. 104-133). -
W. Stammler, Von mal. dt. Prosa. - In: Journal of English and Germanic Philology 48 ( 1949) S. 36-44. - Neuhoch-
deutsche Übertragung des Romans von K. Simrock, Die deutschen Volksbücher 1 (Frankfurt 1865) S. 213-445. - Eine
moderne Ausgabe des mittelhochdeutschen Textes existiert nicht.

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