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Habbo Knoch
Zusammenfassung
der Bauernschaft einher und dokumentiert
einen essentiellen Systemwandel in der ersten
Phase des NS-Regimes.
d. Massenfeste wie die Reichserntedankfeiern
lassen nach der lange verdrängten „Freiwillig-
keit des Mitwirkens" der Teilnehmenden (Joa-
chim Wolschke-Bulmahn) fragen und eröffnen
damit Perspektiven auf die Motivationslagen,
das NS-Regime zu unterstützen.
e. Als Ort der intendierten Gemeinschaftsbil-
dung war der Bückeberg in die Politik des
Ausschlusses von Unerwünschten eingebun-
den, indem u.a. Teilnahmeverbote bestanden
oder allen ohne eine postulierte genetische An-
lage germanischer Natur überhaupt die Fähig-
keit abgesprochen wurde, die Ästhetik von Ort
und Fest angemessen wahrzunehmen.
f. Durch die technischen Anlagen vor Ort und
die Übertragungen wie Speicherungen in Foto-
grafie und Film wurden die Reichserntedank-
feste doppelt medialisiert. Damit wirkten sie
über die reale Zusammenkunft in die deutsche
Gesellschaft hinein. Mediale Propagandatechni-
ken, wie sie mit dem Bückeberg erprobt wur-
den, gehörten zur Grundausstattung der natio-
nalsozialistischen Vereinnahmungs- und Insze-
nierungspolitik.
4. Eine Freigabe als Wohn- oder Gewerbegebiet
würde unweigerlich die Zerstörung des Bückebergs
als historischen Ort bedeuten. Dies würde dem
ausdrücklich formulierten Bekenntnis des Landes
Niedersachsen und der Bundesrepublik Deutsch-
land zur kritischen Aufarbeitung der Geschichte
des Nationalsozialismus und seiner Folgen wider-
sprechen.
III. Gerade bei Bauten aus nationalsozialistischer Zeit
oder im Umgang mit deren Überresten muss seitens
aller Verantwortlichen in der Begründung und der
späteren Nutzung das nüchterne Kriterium vom
„Wert als Geschichtszeugnis" gelten (Lars Olof
Larsson), wie es bereits einleitend zu dieser Doku-
mentation zitiert worden ist. Auf dieser Basis haben
die Experten des Symposiums zunächst vor allem den
Erhaltungswert des Festgeländes auf dem Bückeberg
und der diesen umgebenden Infrastruktur aufgrund
der historischen Bedeutung des Ortes bekundet.
Welcher Dokumentationswert damit einhergeht, ist in
einer weiteren Phase der Diskussion näher zu bestim-
men. Die Diskussion auf dem Symposium hat dafür
jedoch bereits einige Anhaltspunkte ergeben.
1. Aus der Ausweisung als Kulturdenkmal folgt
keine Verpflichtung einer Erläuterung oder Doku-
mentation in einer bestimmten Form oder Größen-
ordnung. Ist der grundsätzliche Schutz als Denkmal
kein Präjudiz, kann, muss und soll mit allen Be-
teiligten und Verantwortlichen zusammen mit
Experten über eine angemessene Form des weite-
ren Umgangs mit dem Bückeberg als historischem
Ort und als Ort historisch-politischer Bildung disku-
tiert werden.
2. Mit den Untersuchungen von Bernhard Gelder-
blom und laufenden Forschungsarbeiten liegen da-
für perspektivisch solide Kenntnisse zur Entste-
hung, Nutzung und Nachgeschichte des Bücke-
bergs und seiner Rolle im Nationalsozialismus vor.
Sie gewährleisten eine reflektierte historische
Kontextualisierung des derzeit sichtbaren Gelän-
des.
3. Das erhaltene Landschaftsbild des Festgeländes
sollte vor Ort erläutert werden, um es nicht wie in
den vergangenen Jahrzehnten stumm zu belassen.
Die geeignete technische Form - von Informations-
tafeln bis zu Audioguides - ist zusammen mit ei-
nem Konzept der Besucherleitung und der Doku-
mentation des historischen Ortes zu entwickeln.
4. Das Gelände sollte für einen angeleiteten Be-
such durch Gruppen, insbesondere für Schulklas-
sen, in angemessener Weise zugänglich gemacht
werden. Eine didaktische Erschließung stellt den
Schlüssel dar, um den historischen Ort in einen
Bildungsprozess zu integrieren, der historischen
Emotionen und deren politischer Instrumen-
talisierung sowie Motivationen des Mitmachens
und deren Folgen für die Herrschaftspolitik des
Nationalsozialismus auf den Grund geht.
5. Neben einer Erläuterung der baulichen Spuren
und ihrer didaktischen Erschließung bleibt offen zu
diskutieren, ob eine umfangreichere Ausstellung
zur Geschichte des Reichserntedankfestes und des
Bückebergs sowie der Region im Nationalsozialis-
mus erforderlich ist und wo diese ihren Ort haben
sollte.
Welche Form der Bückeberg auch annehmen wird:
Der Begriff „Gedenkstätte" erscheint auf keinen Fall
angebracht. Hier ist nicht zu gedenken, sondern
nüchtern, sachlich und aus der historischen Sach-
kenntnis heraus zu dokumentieren und aufzuklären.
Dem kann und soll die überkommene Anschaulichkeit
zuträglich sein. Formal geht mit einer Inschutzstellung
des Ortes die Bezeichnung „Kulturdenkmal" einher.
Das wirft die Frage auf, wie ein solcher Ort für „Kul-
tur" stehen kann. Als Gebrauchsbezeichnung des
Ortes hat der Begriff des „Kulturdenkmals" seine
Grenzen, die zu berücksichtigen sind, um nicht das
Missverständnis einer ungewollten Aufwertung ent-
stehen zu lassen.
Habbo Knoch
Zusammenfassung
der Bauernschaft einher und dokumentiert
einen essentiellen Systemwandel in der ersten
Phase des NS-Regimes.
d. Massenfeste wie die Reichserntedankfeiern
lassen nach der lange verdrängten „Freiwillig-
keit des Mitwirkens" der Teilnehmenden (Joa-
chim Wolschke-Bulmahn) fragen und eröffnen
damit Perspektiven auf die Motivationslagen,
das NS-Regime zu unterstützen.
e. Als Ort der intendierten Gemeinschaftsbil-
dung war der Bückeberg in die Politik des
Ausschlusses von Unerwünschten eingebun-
den, indem u.a. Teilnahmeverbote bestanden
oder allen ohne eine postulierte genetische An-
lage germanischer Natur überhaupt die Fähig-
keit abgesprochen wurde, die Ästhetik von Ort
und Fest angemessen wahrzunehmen.
f. Durch die technischen Anlagen vor Ort und
die Übertragungen wie Speicherungen in Foto-
grafie und Film wurden die Reichserntedank-
feste doppelt medialisiert. Damit wirkten sie
über die reale Zusammenkunft in die deutsche
Gesellschaft hinein. Mediale Propagandatechni-
ken, wie sie mit dem Bückeberg erprobt wur-
den, gehörten zur Grundausstattung der natio-
nalsozialistischen Vereinnahmungs- und Insze-
nierungspolitik.
4. Eine Freigabe als Wohn- oder Gewerbegebiet
würde unweigerlich die Zerstörung des Bückebergs
als historischen Ort bedeuten. Dies würde dem
ausdrücklich formulierten Bekenntnis des Landes
Niedersachsen und der Bundesrepublik Deutsch-
land zur kritischen Aufarbeitung der Geschichte
des Nationalsozialismus und seiner Folgen wider-
sprechen.
III. Gerade bei Bauten aus nationalsozialistischer Zeit
oder im Umgang mit deren Überresten muss seitens
aller Verantwortlichen in der Begründung und der
späteren Nutzung das nüchterne Kriterium vom
„Wert als Geschichtszeugnis" gelten (Lars Olof
Larsson), wie es bereits einleitend zu dieser Doku-
mentation zitiert worden ist. Auf dieser Basis haben
die Experten des Symposiums zunächst vor allem den
Erhaltungswert des Festgeländes auf dem Bückeberg
und der diesen umgebenden Infrastruktur aufgrund
der historischen Bedeutung des Ortes bekundet.
Welcher Dokumentationswert damit einhergeht, ist in
einer weiteren Phase der Diskussion näher zu bestim-
men. Die Diskussion auf dem Symposium hat dafür
jedoch bereits einige Anhaltspunkte ergeben.
1. Aus der Ausweisung als Kulturdenkmal folgt
keine Verpflichtung einer Erläuterung oder Doku-
mentation in einer bestimmten Form oder Größen-
ordnung. Ist der grundsätzliche Schutz als Denkmal
kein Präjudiz, kann, muss und soll mit allen Be-
teiligten und Verantwortlichen zusammen mit
Experten über eine angemessene Form des weite-
ren Umgangs mit dem Bückeberg als historischem
Ort und als Ort historisch-politischer Bildung disku-
tiert werden.
2. Mit den Untersuchungen von Bernhard Gelder-
blom und laufenden Forschungsarbeiten liegen da-
für perspektivisch solide Kenntnisse zur Entste-
hung, Nutzung und Nachgeschichte des Bücke-
bergs und seiner Rolle im Nationalsozialismus vor.
Sie gewährleisten eine reflektierte historische
Kontextualisierung des derzeit sichtbaren Gelän-
des.
3. Das erhaltene Landschaftsbild des Festgeländes
sollte vor Ort erläutert werden, um es nicht wie in
den vergangenen Jahrzehnten stumm zu belassen.
Die geeignete technische Form - von Informations-
tafeln bis zu Audioguides - ist zusammen mit ei-
nem Konzept der Besucherleitung und der Doku-
mentation des historischen Ortes zu entwickeln.
4. Das Gelände sollte für einen angeleiteten Be-
such durch Gruppen, insbesondere für Schulklas-
sen, in angemessener Weise zugänglich gemacht
werden. Eine didaktische Erschließung stellt den
Schlüssel dar, um den historischen Ort in einen
Bildungsprozess zu integrieren, der historischen
Emotionen und deren politischer Instrumen-
talisierung sowie Motivationen des Mitmachens
und deren Folgen für die Herrschaftspolitik des
Nationalsozialismus auf den Grund geht.
5. Neben einer Erläuterung der baulichen Spuren
und ihrer didaktischen Erschließung bleibt offen zu
diskutieren, ob eine umfangreichere Ausstellung
zur Geschichte des Reichserntedankfestes und des
Bückebergs sowie der Region im Nationalsozialis-
mus erforderlich ist und wo diese ihren Ort haben
sollte.
Welche Form der Bückeberg auch annehmen wird:
Der Begriff „Gedenkstätte" erscheint auf keinen Fall
angebracht. Hier ist nicht zu gedenken, sondern
nüchtern, sachlich und aus der historischen Sach-
kenntnis heraus zu dokumentieren und aufzuklären.
Dem kann und soll die überkommene Anschaulichkeit
zuträglich sein. Formal geht mit einer Inschutzstellung
des Ortes die Bezeichnung „Kulturdenkmal" einher.
Das wirft die Frage auf, wie ein solcher Ort für „Kul-
tur" stehen kann. Als Gebrauchsbezeichnung des
Ortes hat der Begriff des „Kulturdenkmals" seine
Grenzen, die zu berücksichtigen sind, um nicht das
Missverständnis einer ungewollten Aufwertung ent-
stehen zu lassen.