Vorwort
Angesichts eines allgemein erweiterten Denkmalverständ-
nisses ergibt sich zum Teil das Problem, daß die erforderli-
che sachgerechte Betreuung auch einer Fülle von Baudenk-
mälern zukommen muß, die bisher von der Wissenschaft
nur ungenügend berücksichtigt wurden. Umso dringlicher
erscheint es, den wechselseitigen Bezug von wissenschaft-
licher Fundierung der denkmalpflegerischen Praxis und
der kunsthistorischen Erschließung unbearbeiteter For-
schungsbereiche zu verstärken. In diesem Sinn kann gera-
de die Bearbeitung des Werkes von Martin Dülfer den Wis-
sensstand in dem für die Bayerische Denkmalpflege so
wichtigen Bereich der Münchner Architektur um die Jahr-
hundertwende erweitern. Schließlich war München damals
ein besonderer Brennpunkt, an dem sich die verschiedenar-
tigen Strömungen der bildenden Kunst auf fast allen Gebie-
ten in der fruchtbaren und vielschichtigen Übergangsphase
vom Historismus zur Moderne nebeneinander entfalteten
und wechselseitig durchdrangen.
Persönlichkeit und Werk Martin Dülfers, die bisher noch
keine zusammenfassende Würdigung erfahren haben,
standen im Zentrum der damaligen Bemühungen und Aus-
einandersetzungen um neue Architektur in München. Für
Dülfer handelte es sich dabei um den Höhepunkt seines
Wirkens; namhafte auswärtige Bauten, die nach seinen
Entwürfen entstanden, bilden ein wichtiges Kapitel der
Ausstrahlung der bayerischen Metropole zur Prinzregenten-
zeit. Sein Einfluß läßt sich von Meran bis Lübeck, von Wies-
baden bis Budapest nachweisen. Zu Recht galt er den Zeit-
genossen als „Wegbereiter der Moderne“: er schuf die erste
Neubarock-Fassade Münchens, verwendete zum erstenmal
im süddeutschen Raum unverkleidete Eisenkonstruktionen
und entwarf Deutschlands ersten Jugendstil-Bau. Lange
vor Muthesius baute er Villen im „englischen Landhaus-
stil“, Elemente der Formensprache des Art-Deco finden
sich bei Dülfer bereits um 1900 vorweggenommen. Revolu-
tionierend erschienen die Farbgebung seiner Fassaden,
sein originelles dekoratives Talent, seine Formensprache;
er bediente sich häufig regionaler Architekturvorbilder, die
er mit englischen oder amerikanischen, manchmal auch
mit islamischen Stilelementen zu verbinden wußte. Wie
Putz hier als Gestaltungselement eingesetzt wurde, ist eine
auch für die denkmalpflegerische Praxis wichtige Erkennt-
nis, die in der vorliegenden Arbeit zum ersten Mal analysiert
wird.
Obwohl viele von Martin Dülfers Werken in den Bauzeit-
schriften jener Zeit publiziert wurden, geriet sein Name in
Vergessenheit. Das mag nicht zuletzt daran liegen, daß die
wesentlichsten Teile des Nachlasses 1945 in Dresden zu-
grunde gingen. Die vorliegende Monographie von Dieter
Klein, der als Volontär am Bayerischen Landesamt für
Denkmalpflege tätig war, beruht auf seiner 1978 in Mün-
chen abgeschlossenen Dissertation. Die Veröffentlichung
im Rahmen der Arbeitshefte kann dazu beitragen, einem Ar-
chitekten, dessen Name gerade in der Münchner Denkmal-
liste immer wieder auftaucht, den ihm zukommenden Platz
in der Architekturgeschichte der Jahrhundertwende einzu-
räumen.
Michael Petzet
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Angesichts eines allgemein erweiterten Denkmalverständ-
nisses ergibt sich zum Teil das Problem, daß die erforderli-
che sachgerechte Betreuung auch einer Fülle von Baudenk-
mälern zukommen muß, die bisher von der Wissenschaft
nur ungenügend berücksichtigt wurden. Umso dringlicher
erscheint es, den wechselseitigen Bezug von wissenschaft-
licher Fundierung der denkmalpflegerischen Praxis und
der kunsthistorischen Erschließung unbearbeiteter For-
schungsbereiche zu verstärken. In diesem Sinn kann gera-
de die Bearbeitung des Werkes von Martin Dülfer den Wis-
sensstand in dem für die Bayerische Denkmalpflege so
wichtigen Bereich der Münchner Architektur um die Jahr-
hundertwende erweitern. Schließlich war München damals
ein besonderer Brennpunkt, an dem sich die verschiedenar-
tigen Strömungen der bildenden Kunst auf fast allen Gebie-
ten in der fruchtbaren und vielschichtigen Übergangsphase
vom Historismus zur Moderne nebeneinander entfalteten
und wechselseitig durchdrangen.
Persönlichkeit und Werk Martin Dülfers, die bisher noch
keine zusammenfassende Würdigung erfahren haben,
standen im Zentrum der damaligen Bemühungen und Aus-
einandersetzungen um neue Architektur in München. Für
Dülfer handelte es sich dabei um den Höhepunkt seines
Wirkens; namhafte auswärtige Bauten, die nach seinen
Entwürfen entstanden, bilden ein wichtiges Kapitel der
Ausstrahlung der bayerischen Metropole zur Prinzregenten-
zeit. Sein Einfluß läßt sich von Meran bis Lübeck, von Wies-
baden bis Budapest nachweisen. Zu Recht galt er den Zeit-
genossen als „Wegbereiter der Moderne“: er schuf die erste
Neubarock-Fassade Münchens, verwendete zum erstenmal
im süddeutschen Raum unverkleidete Eisenkonstruktionen
und entwarf Deutschlands ersten Jugendstil-Bau. Lange
vor Muthesius baute er Villen im „englischen Landhaus-
stil“, Elemente der Formensprache des Art-Deco finden
sich bei Dülfer bereits um 1900 vorweggenommen. Revolu-
tionierend erschienen die Farbgebung seiner Fassaden,
sein originelles dekoratives Talent, seine Formensprache;
er bediente sich häufig regionaler Architekturvorbilder, die
er mit englischen oder amerikanischen, manchmal auch
mit islamischen Stilelementen zu verbinden wußte. Wie
Putz hier als Gestaltungselement eingesetzt wurde, ist eine
auch für die denkmalpflegerische Praxis wichtige Erkennt-
nis, die in der vorliegenden Arbeit zum ersten Mal analysiert
wird.
Obwohl viele von Martin Dülfers Werken in den Bauzeit-
schriften jener Zeit publiziert wurden, geriet sein Name in
Vergessenheit. Das mag nicht zuletzt daran liegen, daß die
wesentlichsten Teile des Nachlasses 1945 in Dresden zu-
grunde gingen. Die vorliegende Monographie von Dieter
Klein, der als Volontär am Bayerischen Landesamt für
Denkmalpflege tätig war, beruht auf seiner 1978 in Mün-
chen abgeschlossenen Dissertation. Die Veröffentlichung
im Rahmen der Arbeitshefte kann dazu beitragen, einem Ar-
chitekten, dessen Name gerade in der Münchner Denkmal-
liste immer wieder auftaucht, den ihm zukommenden Platz
in der Architekturgeschichte der Jahrhundertwende einzu-
räumen.
Michael Petzet
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