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Klein, Dieter; Dülfer, Martin; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Dülfer, Martin [Ill.]
Martin Dülfer: Wegbereiter der deutschen Jugendstilarchitektur — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 8: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.63235#0062

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Umgekehrt stiegen die Parkette nach hinten an, manchmal
muldenförmig ausgebildet; auch die Seitenränge in Dort-
mund und Lübeck wiesen eine leichte Steigung auf, wäh-
rend sie in Meran und Duisburg waagrecht gehalten waren.
Bedingt vergleichbar sind die Aufrisse der Hauptfoyers:
überall durch mehrere Stockwerke geführt (meist durch
zwei, in Duisburg sogar über drei Ranggeschoße reichend),
wobei (mit Ausnahme von Meran) der zweite Rang dem
Hauptfoyer durch Emporen, Balkons oder Erker verbunden
wurde (Abb. 58, 71,78).
Stilistische Entwicklung der Theaterbauten
Von den baulichen Analogien abgesehen waren Dülfers
Theater bewußt sehr verschiedenartig gestaltet: alle Details
der Inneneinrichtung, vor allem aber die Fassaden, waren
individuelle Einzelleistungen. Anders als manche Architek-
ten entwarf er seine Projekte jedesmal neu, nie verwendete
er bereits angebotene oder gar ausgeführte Pläne mehr-
fach.™)
Als „Jugendstilbauten“ können von Dülfers Theatern am
ehesten der Dortmunder und der Lübecker Bau bezeichnet
werden; das Äußere des Meraner Theaters zeigt eine relativ
konventionelle, dem Klassizismus verpflichtete Fassade —
von der allerdings Cornelius Gurlitt meinte, daß dort zum er-
stenmal antike Formen „in das moderne Schaffen wieder
eingewoben“ seien, „in einer dem neuen Empfinden ange-
messenen Weise mit einer starken Note von Selbständig-
keit“ (Abb. 40).™)
Mußte Dülfer in Meran unter anderem auf die kleinstädti-
schen Maßstäbe Rücksicht nehmen, so war in Dortmund
eine ganz andere Formensprache notwendig, um neben
den benachbarten Monumentalbauten (Reichsbank, Syna-
goge und Telegraphenamt) bestehen zu können.
Dort entstand der erste, in der Fassadengestaltung nicht hi-
storisierende, feste Theaterbau seinerzeit780) in monumen-
talen Formen, wie sie vor allem von Richardsons amerikani-
schen Bauwerken mit ihren Hausteinfassaden bekannt
waren; sie sollten in Deutschland besonders für den Denk-
malsbau und für Bankgebäude modern werden (Abb. 48)781)
Wesentlich stärker als in Meran vermischten sich jetzt die
antikischen mit modernen Elementen zu einer eigenwilli-
gen Kombination, die nur für Dülfer typisch war.
Bei beiden Theatern wurde die Grundform des Zuschauer-
raumes nach außen hin zur Geltung gebracht782), die Bühne
gegen das Zuschauerhaus scharf abgesetzt und die Trep-
penhäuser nach außen kenntlich gemacht.783)
Waren die Fassadendetails in Meran teils frei von antiken
Formen abgewandelt, teils vom Jugendstil beeinflußt, so
vermischten sich bei der dortigen Innenausstattung Ju-
gendstil mit Barock- und Renaissanceformen, eine gewisse
Üppigkeit anstrebend —um nicht zu sagen vortäuschend
(Abb. 42 — 47).
Dagegen war die Dortmunder Ausstattung geradezu ein
Musterbeispiel dafür, wie in jener zwar wohlhabenden, aber
durch die üppigen Gründerzeit-Dekorationen übersättigten
Zeit das Element der „Sparsamkeit“ zum neuen Ideal erho-
ben wurde; die Räume waren „prunklos und einfach... von
ruhig-vornehmer Wirkung... streng in der Form, heiter in
der Farbe, belebt durch Lichteffekte“ (Abb. 55 —60).784)
Im Zuschauerraum dominierte eine Stuckdecke mit unkon-

ventionellem Dekor in Vogeler-Manier ohne irgendwelche
historische Reminiszenzen, während das Foyer noch deut-
liche Anklänge an Louis-Seize zeigte (Abb. 55, 57, 58).
Einen weniger monumentalen, aber dennoch vergleich-
baren Eindruck wie die Dortmunder macht die Lübecker
Theaterfassade: vorwiegend aus Haustein gebildet, mußte
sie sich in das relativ niedrige und schlichte Straßenbild
einfügen (Abb. 63).
Nur der plastische Schmuck läßt hinter der Fassade einen
Theaterbau ahnen, die Gliederung wird jedoch durch den
straßenseitig gelegenen Saalbau bestimmt. Der Zuschauer-
raum ist nur von den Höfen aus als eigener Bauteil erkenn-
bar. Die Innenräume betreffend war man in Lübeck weniger
auf „sparsame Wirkung“ bedacht als in Dortmund: auch
hier wies die Stuckdecke des Auditoriums auf Vogelers
Graphikvorbilder hin, die Ornamentik der Rangbrüstungen
und des Proszeniums waren aber stärker versilbert bzw. ver-
goldet (Abb. 66).
Der Festsaal schließlich mit seiner üppigen Kassetten-
decke kann wohl ohne weiteres zu den aufwendigsten
Raumgestaltungen der letzten Jahre des Kaiserreichs ge-
zählt werden (Abb. 68).
Dülfers größter Theaterbau, die Duisburger Oper, zeigt im
Gegensatz zu den älteren Bauten einen trockenen, fast aka-
demisch anmutenden Klassizismus, dessen Proportionen
nicht besonders glücklich wirken. Interessanter war wohl
die (im Kriege verlorgengegangene) Innenausstattung, die
zweifellos den Kunstgewerbe-Stil der Spätjugendstilzeit
verwertete (Abb. 73, 76).
Als ein Beispiel für den künstlerischen Individualismus Dül-
fers sei abschließend die Tatsache genannt, daß er bei al-
len seinen Theaterauditorien die konventionellen Weiß-,
Gold- und Rottöne vermieden hat: galten doch diese be-
währten Grundfarben bereits damals als Verlegenheits-
lösung, wenn nichts „Neues“ riskiert werden sollte.785)
Beschreibungen der ausgeführten Theaterbauten
Meraner Stadttheater
Baugeschichte
Vorbereitungen, Ausschreibung und Wettbewerb
Vor der Eröffnung des Stadttheaters fanden Theaterauffüh-
rungen im Kurhaussaal oder in anderen, kleineren Theater-
räumen statt; der aufblühende Fremdenverkehr und der zu-
nehmende Ruf als Kurstadt ließ das Bedürfnis nach einem
ständigen, etwa 550 bis 600 Personen fassenden Stadt-
theater wachsen und so wurde 1893 auf Anregung des Kur-
vorstehers Pernwerth ein Theaterkomitee gebildet786), dem
u.a. F.W. Ellmenreich als Obmann, Dr. Frank, Dr. Freuden-
fels, Kurvorsteher Dr. Huber, die Ingenieure Musch und Lun,
Dr. Stainer und BürgermeisterWeinberger angehörten.
Am 9. Mai 1894 beschloß das Komitee die Firma Fellner &
Helmer zu einem fachmännischen Gutachten aufzufordern.
Drei Bauplätze standen zur Wahl: einer beim städt.
Schlachthof787), einer in Untermais gegenüber dem Hotel
Meraner Hof am Greutendamm (heute Thermenstraße) und
schließlich die Ruffin-Anlage an der Habsburgerstraße
(heute Freiheitstraße bzw. Theaterplatz).

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