Abb. 36 Dresden: Projekt für das Hauptgebäude der
Technischen Hochschule
Das nicht zur Ausführung gekommene Hauptgebäude zum
Sedanplatz (Fritz-Förster-Platz) wäre ein typisches Beispiel
für die Architektur jener Jahre geworden: es hätte die Er-
scheinungsformen von Behrens’ deutscher Botschaft in Pe-
tersburg mit dem Kuppelbau der Breslauer Jahrhunderthal-
le vereinigt; dem barock anmutenden Grundriß wären weni-
ger funktionelle als dekorative Qualitäten zuzusprechen ge-
wesen.
Die vom Bauhaus propagierte konsequente Sachlichkeit
lehnte Dülfer ab; er wollte auf den Dekor nicht ganz verzich-
ten, wie er auch dem „nicht bodenständigen“ Bauhaus eine
nur kurze Lebensdauer voraussagte.547)
Sein „Festhalten am Dekor“ war vermutlich der Haupt-
grund dafür, daß sein in wesentlichen Zügen ausgespro-
chen avantgardistisches Lebenswerk von den folgenden
Architektengenerationen nicht seinem Rang entsprechend
beachtet wurde und daß der Name Dülfer in keiner der neu-
eren Architekturgeschichten bisher ausführlich behandelt
ist.
Neue und wiederentdeckte
Möglichkeiten des künstlerischen
Ausdrucks der verschiedenen
Baumaterialien
Geschichte der Putzarchitektur und der farbigen Fassaden-
gestaltung
Dülfers Bedeutung lag nicht nur in seiner bemerkenswerten
Dekor-Behandlung; als einer der ersten seiner Zeitgenos-
sen beschäftigte er sich intensiv mit den künstlerischen
Möglichkeiten, die die verschiedenen Baumaterialien bo-
ten. In diesem Rahmen kann nur eine knappe Übersicht der
wichtigsten bzw. der bekanntesten Verwendungsbeispiele
von Putzarchitektur gegeben werden; eine ausführliche Ge-
schichte der Putzarchitektur wäre ein ergiebiges Disserta-
tionsthema für sich.
Die Verwendung von Putz ist seit alters her bekannt; schon
in der altägyptischen Baukunst wurde eine möglichst glatte
Oberfläche angestrebt, um die Architektur mit Malerei ver-
binden zu können. Die Verwendung von porösem Gestein
(zum Beispiel Poros oder Travertin) verlangte daher nach ei-
nem ausgleichenden Überzug, der aus Sand, Kalk und Gips
(oftmals auch unter Beimengung von Marmorstaub) herge-
stellt wurde.
Erst auf solchem Untergrund war die gewünschte Bema-
lung mit Hieroglyphen oder Ornamentik möglich; aber auch
die übrigen, nicht zu bemalenden Wandflächen versah man
aus ästhetischen Gründen gerne mit gleichmäßigen Putz-
oder Stucküberzügen.548)
Auch die Griechen sahen das Ideal formaler und künstleri-
scher Vollendung in enger Verbindung der Architektur mit
ihren Schwesterkünsten Malerei und Plastik; zu Schmuck-
teilen gewordene Architekturglieder wie Triglyphen, Kapitel-
le usw. wurden mit Stuck überzogen und farbig besonders
hervorgehoben.549) Bis zum Ende ihrer Existenz war die grie-
chische Architektur ebenso polychrom wie die Plastik550);
die Farbtechnik war soweit fortgeschritten, daß einzelne
Farbspuren Jahrtausende überdauert haben.551) Den aufge-
fundenen Resten nach zu schließen, war die Farbe nicht
nur bei Putzmaterial, sondern auch beim Steinbau verwen-
det worden.552)
Die nachfolgende römische schmückte ebenso wie die spä-
tere byzantinische Kunst ihre vornehmeren Bauten mit far-
bigen Fassadenbemalungen.553) Durchgehend nachweisbar
ist die Verwendung von Putz, Stuck und Farbe auch in der
Romanik und in der Gotik; der Quaderbau der Marburger
Elisabethkirche z. B. war mit einer dünnen Putzschicht ver-
sehen, die rot gefärbt und mit weißen Fugen bemalt war.554)
Damals wurden die konstruktiven Teile meist in Werkstein
hergestellt und sichtbar belassen, die dazwischen liegen-
den Wandflächen aber verputzt.555)
Eine besondere Blüte sollte die Putzarchitektur gegen Ende
der Gotik erfahren, als man neben Kirchen auch die Bürger-
häuser zu bemalen anfing.
Aus Italien kommend verbreitete sich seit dem 16. Jahrhun-
dert die Fassadenmalerei vor allem im süddeutschen und
im österreichischen Raum; das brachte mit sich, daß als
Malgrund möglichst glatte Putzflächen gewünscht wurden.
Deshalb ging man im 17. und 18. Jahrhundert in Süd-
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