gerlichen Theatern; wenn überhaupt vorhanden, dann
waren sie nur durch niedrige Abschlußwände voneinander
getrennt746), um die Sicht nicht zusätzlich zu behindern. Die
meisten Theaterräume dieser Zeit zeigen, nach dem Muster
des Wiener Volkstheaters, zwei bis drei Ränge mit großem,
nach der Decke zu frei belassenen Amphitheater747); das
bereits erwähnte Seelingsche „reduzierte Rangsystem“
wurde vor allem von Dülfer, später auch von Littmann ange-
wendet.
Dülfer zog den ersten Rang immer bis ans Proszenium,
stufte aber die oberen Ränge gegenüber den unteren zu-
rück und führte den dritten Rang als amphitheaterartige Er-
weiterung des zweiten Ranges aus748); Littmann dagegen
verzichtete auch im ersten Rang auf die seitlichen Plätze, er
verwendete immer gleich breite Ränge.
Von diesen beiden verschiedenen Ausführungen des redu-
zierten Rangsystems hat die Seeling-Dülfersche Lösung die
weitere Verbreitung gefunden: sie wurde für kleinere und
mittlere Theater, die sich auf zwei Ränge beschränken
mußten, als besonders geeignet angesehen.749)
Raumaufteilung und Funktion der übrigen Räume
Verkehrsführung und Pausenräume
Obwohl die Theater zunächst nur von den oberen Gesell-
schaftsschichten benutzt wurden, gab es (vom Theater in
Bordeaux abgesehen) lange Zeit keine „Prachttreppen“ für
diese Gebäude; erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ent-
deckte man die repräsentativen „Theatertreppen“, die als
„höfisch“ bezeichnet, vor allem von Semper und von Gar-
nier (Pariser Oper) verwendet wurden.750)
In der Regel traten in Deutschland die Treppenhäuser der
Theater am Außenbau als Pylonen oder als Flügelbauten in
Erscheinung; den Treppenanlagen wurde nach 1880 eine
immer größer werdende Bedeutung beigemessen751), so
daß in der Fachliteratur um die Jahrhundertwende nach
dem Typus der verwendeten Treppenanlagen klassifiziert
wurde. Man unterschied zwischen Fellner & Helmers Dia-
gonaltreppen und dem Seeling-Dülferschen Treppentyp752).
Die Wiener Architekten ließen zu jedem Rang jeweils zwei
Treppen vom Kassenvestibül aus abgehen, wobei die des
ersten Ranges diagonal zu den Umfassungsmauern und
zum Auditorium gelegt waren. Dülfer und Seeling dagegen
ordneten nur die Treppen zu den oberen Rängen beim Kas-
senvestibül an, während die Treppen zum ersten Rang in
die Auditorium-Umgänge verlegt und besonders aufwendig
gestaltet waren. Das ergab den Vorteil eines direkten, zug-
freien Verkehrs zwischen Parkett und Foyer und bot den
wohnlichen Eindruck einer Dielentreppe, die allerdings den
Nachteil hatte, nicht sofort auffindbar zu sein753). Die
Seeling-Dülfersche Anordnung machte sich „in einer inti-
men Wirkung geltend, die dem Eintretenden nicht das Ge-
fühl gibt, sich in einem öffentlichen Gebäude zu befinden,
sondern ihn eher zu der Meinung führt, etwa den Empfangs-
raum eines großen, vornehmen Hauses vor sich zu haben.“
Beide Treppentypen lassen sich vom österreichischen
„Asphaleia-System“ ableiten: dort sollten sämtliche Trep-
pen an einem halbrunden, den Zuschauerraum umgeben-
den Ringfoyer liegen.754)
Von zentralen Prachttreppen war man abgekommen, meist
wurden nur noch sogenannte „Stutztreppen“ verwendet755);
später war die Anlage von mehrläufigen Freitreppen als
Hauptverbindung für alle Ränge in Deutschland sogar aus-
drücklich verboten.756)
Unterschiedlich waren auch-die Eingänge zum Parkett der
deutschen bzw. der österreichischen Theater angelegt:
Fellner & Helmer bevorzugten einen breiten Mittelgang
oder zwei seitliche Längsgänge; die deutschen Architekten
führten dagegen das Publikum ausschließlich durch seit-
lich angelegte Eingangstüren in die durchgehenden Sitz-
reihen.757)
Bühnen- und Sicherheitseinrichtungen
Beliebt waren in Deutschland große und oft sehr tiefe Büh-
nen, die sich verschiedentlich auf die Akustik nachteilig be-
merkbar machten758). Die Bühnenmaschinerie war aufwen-
dig, vor allem aber wurde den Sicherheitseinrichtungen
größtes Augenmerk gewidmet: man ging von dem Grund-
satz aus, daß eine Bühne einfach nicht zu brennen habe
und verbot deshalb weitgehend alle brennbaren Materialien
im Bühnenbereich.759) Darüberhinaus achtete man auf aus-
reichende Fluchtwege für das Bühnenpersonal, auf großzü-
gige Verteilung von Hydranten im ganzen Haus und auf
elektrische Notbeleuchtung; die elektrische Bühnenbe-
leuchtung sollte dann viele gravierende Risiken beseitigen.
Auswirkungen behördlicher Sicherheitsvorschriften auf
den Theaterbau
Seit 1882 bestanden in Österreich Theaterverordnungen,
für deren Paragraphen vor allem die Untersuchungsergeb-
nisse des in Wien (auf Betreiben Helmers) errichteten
„Probebrand-Theaters“ ausschlaggebend waren; diesen
Gesetzen waren weitgehend auch die deutschen Theater-
gesetze nachgebildet760), ein weiterer Beweis dafür, wie
wichtig für den deutschen Theaterbau die österreichischen
Vorbilder genommen wurden.
In formaler Hinsicht bewirkten die Bauordnungen eine Vier-
gliedrigkeit der Theater-Baukörper: hohes Zuschauerhaus
mit niedrigen Verkehrs- und Pausenräumen, verbunden mit
einem hochaufragenden Bühnenturm und den meist erheb-
lich niedrigeren Bühnennebenräumen761). Durch die Vor-
schrift, die Hauptbühne von allen sie umgebenden Gebäu-
deteilen durch höher hinausgeführte, feuerfeste Wände zu
trennen, war die Anlage eines Bühnenturms obligatorisch
geworden762); ein durchgehendes Dach für den ganzen Bau
wie beispielsweise bei der Wiener Oper wäre um die Jahr-
hundertwende nicht mehr möglich gewesen.
Unangetastet durch die neuen Bestimmungen blieb dage-
gen die herkömmliche Form der Zuschauerräume; lediglich
die Anzahl der Ränge wurde 1889 auf vier, 1909 auf drei be-
schränkt.763)
Die Auswirkung der Sicherheitsvorschriften auf die Trep-
penanlagen wurde bereits erwähnt; ebenso bestimmten sie
das Maß der Flurbreiten, aber auch der Foyers —die unter
anderem als „Menschen-Reservoir“ bei Panik wirken soll-
ten.764)
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waren sie nur durch niedrige Abschlußwände voneinander
getrennt746), um die Sicht nicht zusätzlich zu behindern. Die
meisten Theaterräume dieser Zeit zeigen, nach dem Muster
des Wiener Volkstheaters, zwei bis drei Ränge mit großem,
nach der Decke zu frei belassenen Amphitheater747); das
bereits erwähnte Seelingsche „reduzierte Rangsystem“
wurde vor allem von Dülfer, später auch von Littmann ange-
wendet.
Dülfer zog den ersten Rang immer bis ans Proszenium,
stufte aber die oberen Ränge gegenüber den unteren zu-
rück und führte den dritten Rang als amphitheaterartige Er-
weiterung des zweiten Ranges aus748); Littmann dagegen
verzichtete auch im ersten Rang auf die seitlichen Plätze, er
verwendete immer gleich breite Ränge.
Von diesen beiden verschiedenen Ausführungen des redu-
zierten Rangsystems hat die Seeling-Dülfersche Lösung die
weitere Verbreitung gefunden: sie wurde für kleinere und
mittlere Theater, die sich auf zwei Ränge beschränken
mußten, als besonders geeignet angesehen.749)
Raumaufteilung und Funktion der übrigen Räume
Verkehrsführung und Pausenräume
Obwohl die Theater zunächst nur von den oberen Gesell-
schaftsschichten benutzt wurden, gab es (vom Theater in
Bordeaux abgesehen) lange Zeit keine „Prachttreppen“ für
diese Gebäude; erst ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ent-
deckte man die repräsentativen „Theatertreppen“, die als
„höfisch“ bezeichnet, vor allem von Semper und von Gar-
nier (Pariser Oper) verwendet wurden.750)
In der Regel traten in Deutschland die Treppenhäuser der
Theater am Außenbau als Pylonen oder als Flügelbauten in
Erscheinung; den Treppenanlagen wurde nach 1880 eine
immer größer werdende Bedeutung beigemessen751), so
daß in der Fachliteratur um die Jahrhundertwende nach
dem Typus der verwendeten Treppenanlagen klassifiziert
wurde. Man unterschied zwischen Fellner & Helmers Dia-
gonaltreppen und dem Seeling-Dülferschen Treppentyp752).
Die Wiener Architekten ließen zu jedem Rang jeweils zwei
Treppen vom Kassenvestibül aus abgehen, wobei die des
ersten Ranges diagonal zu den Umfassungsmauern und
zum Auditorium gelegt waren. Dülfer und Seeling dagegen
ordneten nur die Treppen zu den oberen Rängen beim Kas-
senvestibül an, während die Treppen zum ersten Rang in
die Auditorium-Umgänge verlegt und besonders aufwendig
gestaltet waren. Das ergab den Vorteil eines direkten, zug-
freien Verkehrs zwischen Parkett und Foyer und bot den
wohnlichen Eindruck einer Dielentreppe, die allerdings den
Nachteil hatte, nicht sofort auffindbar zu sein753). Die
Seeling-Dülfersche Anordnung machte sich „in einer inti-
men Wirkung geltend, die dem Eintretenden nicht das Ge-
fühl gibt, sich in einem öffentlichen Gebäude zu befinden,
sondern ihn eher zu der Meinung führt, etwa den Empfangs-
raum eines großen, vornehmen Hauses vor sich zu haben.“
Beide Treppentypen lassen sich vom österreichischen
„Asphaleia-System“ ableiten: dort sollten sämtliche Trep-
pen an einem halbrunden, den Zuschauerraum umgeben-
den Ringfoyer liegen.754)
Von zentralen Prachttreppen war man abgekommen, meist
wurden nur noch sogenannte „Stutztreppen“ verwendet755);
später war die Anlage von mehrläufigen Freitreppen als
Hauptverbindung für alle Ränge in Deutschland sogar aus-
drücklich verboten.756)
Unterschiedlich waren auch-die Eingänge zum Parkett der
deutschen bzw. der österreichischen Theater angelegt:
Fellner & Helmer bevorzugten einen breiten Mittelgang
oder zwei seitliche Längsgänge; die deutschen Architekten
führten dagegen das Publikum ausschließlich durch seit-
lich angelegte Eingangstüren in die durchgehenden Sitz-
reihen.757)
Bühnen- und Sicherheitseinrichtungen
Beliebt waren in Deutschland große und oft sehr tiefe Büh-
nen, die sich verschiedentlich auf die Akustik nachteilig be-
merkbar machten758). Die Bühnenmaschinerie war aufwen-
dig, vor allem aber wurde den Sicherheitseinrichtungen
größtes Augenmerk gewidmet: man ging von dem Grund-
satz aus, daß eine Bühne einfach nicht zu brennen habe
und verbot deshalb weitgehend alle brennbaren Materialien
im Bühnenbereich.759) Darüberhinaus achtete man auf aus-
reichende Fluchtwege für das Bühnenpersonal, auf großzü-
gige Verteilung von Hydranten im ganzen Haus und auf
elektrische Notbeleuchtung; die elektrische Bühnenbe-
leuchtung sollte dann viele gravierende Risiken beseitigen.
Auswirkungen behördlicher Sicherheitsvorschriften auf
den Theaterbau
Seit 1882 bestanden in Österreich Theaterverordnungen,
für deren Paragraphen vor allem die Untersuchungsergeb-
nisse des in Wien (auf Betreiben Helmers) errichteten
„Probebrand-Theaters“ ausschlaggebend waren; diesen
Gesetzen waren weitgehend auch die deutschen Theater-
gesetze nachgebildet760), ein weiterer Beweis dafür, wie
wichtig für den deutschen Theaterbau die österreichischen
Vorbilder genommen wurden.
In formaler Hinsicht bewirkten die Bauordnungen eine Vier-
gliedrigkeit der Theater-Baukörper: hohes Zuschauerhaus
mit niedrigen Verkehrs- und Pausenräumen, verbunden mit
einem hochaufragenden Bühnenturm und den meist erheb-
lich niedrigeren Bühnennebenräumen761). Durch die Vor-
schrift, die Hauptbühne von allen sie umgebenden Gebäu-
deteilen durch höher hinausgeführte, feuerfeste Wände zu
trennen, war die Anlage eines Bühnenturms obligatorisch
geworden762); ein durchgehendes Dach für den ganzen Bau
wie beispielsweise bei der Wiener Oper wäre um die Jahr-
hundertwende nicht mehr möglich gewesen.
Unangetastet durch die neuen Bestimmungen blieb dage-
gen die herkömmliche Form der Zuschauerräume; lediglich
die Anzahl der Ränge wurde 1889 auf vier, 1909 auf drei be-
schränkt.763)
Die Auswirkung der Sicherheitsvorschriften auf die Trep-
penanlagen wurde bereits erwähnt; ebenso bestimmten sie
das Maß der Flurbreiten, aber auch der Foyers —die unter
anderem als „Menschen-Reservoir“ bei Panik wirken soll-
ten.764)
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