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Klein, Dieter; Dülfer, Martin; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Dülfer, Martin [Ill.]
Martin Dülfer: Wegbereiter der deutschen Jugendstilarchitektur — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 8: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.63235#0022

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terbauten, dazu die Wettbewerbsentwürfe für die Königli-
che Oper Berlin und für das Stadttheater Krefeld.263)
1932 soll Dülfer sich nochmals mit einigen seiner Aquarelle
an einer Ausstellung beteiligt haben, die auf der Brühl-
schen Terrasse in Dresden gezeigt wurde; Belege dafür ha-
ben sich aber bisher nicht auffinden lassen.264)
Zu diesen seinen letzten Ausstellungen wurde er vermutlich
nur noch aus Respekt vor seinen ehemals bahnbrechenden
Leistungen eingeladen: neue Impulse waren von seinen
Werken nicht mehr zu erwarten; und so zeigte er dann vor-
wiegend seit langem bekannte Arbeiten, bevorzugt aus der
Zeit um die Jahrhundertwende.
Andere Aktivitäten und Personalia
Dülfer wurde 1908 zum Vorsitzenden des Bundes Deutscher
Architekten (BDA) gewählt, er blieb vier Jahre in dieser Po-
sition.265)
Eines der wenigen schriftlichen Dokumente, die von Dülfer
überliefert sind, ist ein von ihm unterzeichneter Artikel, der
im Interesse des BDA verfaßt worden ist: „Der Architekt
im heutigen Bauwesen“266) beschäftigt sich mit der Praxis
der Bauämter, die nach Dülfers Ansicht die „Entwicklung
der Baukunst“ hemmten. Unter seinem Vorsitz fand am
24. September 1910 in Weimar der 8. Bundestag des BDA
statt.267)
Seit 1908 war er Mitglied des Comite permanent des archi-
tects, Vorstandsmitglied wurde er 1912.268)
Ein Jahr später bekam er vom Senat der Dresdner TH den
Dr. Ing. ehrenhalber verliehen, eventuell aufgrund der Eröff-
nung der Neubauten für die Bauingenieur-Abteilung.269)
Ab 1914 scheint er sich verstärkt mit der Dresdner Stadtpo-
litik beschäftigt zu haben, jedenfalls wurde er Stadtverord-
neter.270) Während der Kriegszeit kam in Deutschland die
Bautätigkeit allmählich völlig zum Erliegen; die einzige ar-
chitektonische Aufgabe, die ihm nachweisbar in jener Zeit
gestellt wurde, war die Vorplanung der Chemischen Institu-
te seit 1917. In welchem Maße er sich nebenbei politisch
betätigte, ist nicht mehr feststellbar; seine Mitgliedschaft
im „Alldeutschen Verband“ wurde bereits erwähnt271); ne-
ben einigen Verdienstmedaillen für Kriegshilfe bekam er
auch einen Rot-Kreuz-Orden.272)
Um 1916 war Dülfer Mitglied des Künstlerischen Beirates
für den Wiederaufbau Belgiens273), näheres über diese Tä-
tigkeit ist aber nicht bekannt.
Etwa ein Jahr vorher (1915) dürfte er den Halbbruder seiner
Frau (Kurt Dülfer, 1906 geboren) adoptiert haben; da seine
eigene Ehe kinderlos geblieben war, sollte der Adoptivsohn
Architektur wie sein Ziehvater studieren; er wurde jedoch
später Kaufmann bzw. Gastwirt.274)
Nach 1920 folgten eine Reihe von akademischen Ehrungen,
Dülfer war 1920/21 Rektor der TH, 1921/23 Prorektor; von
1921 bis 1930 gehörte er zum Akademischen Rat in Dres-
den.275)
1923 wurde er Ehrenmitglied der Akademie der bildenden
Künste in Wien und außerordentliches Mitglied der Akade-
mie des Bauwesens in Berlin.
Seine Lehrtätigkeit endete offiziell 1928 oder 1929. Eine
späte Ehrung erfuhr er durch die Ernennung zum Ehrendok-
tor der Charlottenburger Technischen Hochschule; der Titel
wurde ihm aufgrund seiner Verdienste als „Bahnbrecher

und Führer in der Baukunst“ verliehen,276) ebenso wie die
Ehrenmitgliedschaft der Staatlichen Akademie der Bilden-
den Künste in Dresden.277)
Dann wird es still um Dülfer; in keiner der bisher durchgese-
henen Bauzeitungen fand sich eine ausführliche Würdi-
gung seines Schaffens, weder zu seinem siebzigsten, noch
zu einem anderen „vollen“ Geburtstag; einzig in regionalen
Tageszeitungen des Dresdner Raumes erschienen einige
Interviews.278)
Unter der nationalsozialistischen Herrschaft hatte er zu-
nächst Schwierigkeiten wegen seiner Zugehörigkeit zu den
Freimaurern; da sich in seinem Besitz goldenes Maurer-
werkzeug befand, ist anzunehmen, daß er „Meister“ war.279)
Die Schwierigkeiten scheinen aber (vielleicht bedingt durch
Dülfers Alter, vielleicht durch die Fürsprache Tessenows,
der Lehrer Albert Speers war) nicht allzu groß gewesen zu
sein; jedenfalls bekam Dülfer 1939 zu seinem 80. Geburts-
tag von Hitler die Goethemedaille.280)
Er starb 1942 mit 83 Jahren am 21. Dezember in Dresden, ei-
nen Tag nachdem sein Duisburger Theater durch Bomben
zerstört worden war. Seine Witwe kam am 12. Februar 1945
bei dem großen Luftangriff auf Dresden ums Leben; an die-
sem Tag wurde auch der gesamte in Dresden gelagerte
Nachlaß vernichtet.281)

Die Grundlagen für Dülfers
Formenrepertoire, sein Stil und sein
Einfluß auf die deutsche Architektur
um die Jahrhundertwende
Situation der Baukunst im 19. Jahrhundert
Lange Zeit galt die Architektur als „Mutter aller Künste“,
von der Malerei, Skulptur und auch die meisten der Klein-
künste abhängig waren.
Dem Gemälde hatte man die Funktion des Wandbildes zu-
gewiesen (sogenannte „Staffeleibilder“ kamen erst später
auf), ebenso diente die Bildhauerkunst vorwiegend dem
Schmuck der Architektur; die Handwerkskünste waren in
ihrer Mehrzahl ohnehin selbstverständliche Teile der Archi-
tektur.282)
All das geriet derart in Vergessenheit, daß im Deutschland
des 19. Jahrhunderts tatsächlich ernsthafte Meinungsver-
schiedenheiten darüber bestanden, ob Architektur über-
haupt zu den Künsten gehöre, ob der Architekt ein Künstler
sei oder nicht.283)
Die geringe Wertschätzung der Architektur ist am Beispiel
der weitverbreiteten Hegelschen Ästhetik belegbar: sie
nimmt dort im System der Künste den untersten Platz ein
und hat die geringste Aussicht auf Höherentwicklung.284)
Wieweit die Architektur zugunsten einer Theoretisierung
der Malerei aus dem ästhetischen Bewußtsein verschwun-
den war — und Hegels Stellungnahme erscheint dafür
symptomatisch —, läßt sich aus heutiger Sicht nur schwer
feststellen.285)
Daß die Baukunst den Menschen um die Jahrhundertmitte
„verknöchert“ erschien, ist jedoch nicht nur als Interpreta-

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