te er in sichtbar belassenem Ortbeton734), ebenso die Porti-
kussäulen des Hauses Leopoldstraße Nr. 4 (Abb. 15). Wie
an den Putzbauten so verwendete er auch an seinen Back-
steinfassaden Beton: die Kombination Backstein-Betonde-
korteile findet sich an der Rückfront des Lübecker Theaters
zum ersten Mal, dann an sämtlichen Bauabschnitten der
Dresdner Hochschulgebäude (Abb. 72, 34, 35).
In Dresden war der Beton zusätzlich bemalt735), eine bis da-
hin nicht übliche Behandlung des Materials. Erwähnens-
wert sind auch die beiden Brücken, die Dülfer für die Dresd-
ner Hygiene-Ausstellung von 1911 entwarf: auf die Bemü-
hungen, dort besonders „materialgerecht“ zu arbeiten, wur-
de bereits hingewiesen.736)
Dazu waren die aufwendigsten seiner Bauplastiken in Be-
ton gegossen: so die Pantherquadrigen am Dortmunder
Theater und vermutlich auch die Figurengruppe am Giebel
des Duisburger Theatergebäudes (Abb. 48, 73).
Theaterbauten
um die Jahrhundertwende
Um die Jahrhundertwende war der Bau eines repräsentati-
ven Theaters für viele Städte eine Prestigeangelegenheit
geworden.
Einzelne Architekturbüros beschäftigten sich vorwiegend
mit Theaterbauten, ihnen schienen die Aufträge fast von
selber zuzufallen. Das größte dieser Ateliers war das von
Ferdinand Fellner & Edmund Helmer in Wien737); in
Deutschland sind Heilmann & Littmann, Heinrich Seeling,
Bernhard Sehring, Carl Moritz, Oscar Kaufmann und nicht
zuletzt Martin Dülfer zu nennen. Dülfer schuf 1899—1900
sein erstes Theater in Meran, dem die Stadttheater in Dort-
mund (1901 — 04), in Lübeck (1906 — 08) und in Duisburg
(1909—12) folgten; sein Alterswerk war der Wiederaufbau
des abgebrannten Bulgarischen Nationaltheaters in Sofia
(1925 — 29).
Verschiedene Typen von Zuschauerräumen
Weiterentwicklung des italienischen Logentheaters
Bis in die späten achtziger Jahre verwendete man für die
großen Theater, von wenigen Ausnahmen abgesehen, das
Schema des italienischen Logentheaters mit bis zu sechs
Rängen, oder den Typus des französischen Rangtheaters
mit bis zu fünf Rängen.
Diese in viele Ränge hochgestaffelten Zuschauerräume bo-
ten den Vorteil einer geringen horizontalen Ausdehnung;
gewöhnlich waren die Grundrisse hufeisenförmig oder in
gestelzter Halbkreisform ausgebildet, die Brüstungen der
seitlichen Rangteile nach der Bühne hin in geraden Linien
verlängert. Erst um die Jahrhundertwende begann man el-
liptische oder anders geschweifte Brüstungslinien zu be-
vorzugen.738)
Rangtheater und Reformbewegung nach
Gottfried Semper
Die Rangtheater eliminierten zunächst die Parterrelogen
und verminderten später die Anzahl der Ränge, indem sie
den Bereich gegenüber der Bühne (den Mittelteil der Ränge
also) um mehrere Reihen amphitheaterartig erweiterten.739)
Um in diesem Rangsystem möglichst viele Plätze der Büh-
ne gegenüber frontal anzuordnen, reduzierte Seeling (erst-
mals an seinem 1890 — 92 entstandenen Essener Stadtthe-
ater) im oberen Rang die Seitenteile und verlegte die Ein-
gänge an die Seiten, so daß nur wenige seitliche Sitzplätze
vorhanden waren.740)
Durch die Rangverkürzung entstand eine völlig neuartige,
einheitliche Raumwirkung: bei den bis zum Proszenium ge-
führten Rängen schien der Raum an den Rangbrüstungen
zu enden, der Besucher blickt von den Rähgen ins Auditori-
um wie von außerhalb des Saales gelegenen Räumen. Die
Umfassungsmauern des Saales wurden nunmehr bewußt
frei gezeigt und nicht mehr durch Ränge verdeckt; auf diese
Art wirken die Räume bei gleichen Abmessungen wesent-
lich größer.741)
Nach Richard Wagners Festspielhaus in Bayreuth, — 1876
nach älteren Vorstudien Sempers erbaut —, neigte man all-
gemein zu größerer Flächenausdehnung bei reduzierter Hö-
henentwicklung, um den Zuschauern das Bühnenbild in
möglichst flachem Sehwinkel zu bieten.742)
Natürlich basierten die eben genannten Semperschen Stu-
dien für ein Münchner Festspielhaus auf der Kenntnis des
antiken Amphitheaters und des palladianischen Theater-
raumes; auf diese für den modernen Theaterbau sehr wich-
tige Bewegung soll in diesem Rahmen nicht weiter einge-
gangen werden, da sie für die Dülferschen Theater nur be-
dingt von Bedeutung ist.
Wie bei Dülfer so beschränkte sich auch bei vielen anderen
Architekten dieser Zeit das Amphitheater vorwiegend auf
die Parkettsitze. Eine Anzahl von Logen wurde zunächst
beibehalten, verlangte doch das erstarkte Bürgertum nach
eigenen, das heißt: ständig gemieteten Logen, die, nach
Rängen gestaffelt, über die gesellschaftliche Stellung der
Logenbesitzer Auskunft gaben. Besonders begehrt waren
Proszeniumslogen, die außerdem lange Zeit als „architek-
turästhetische Notwendigkeit für eine Abrundung der
Ranganlagen“ unentbehrlich schienen.743)
Kombination der verschiedenen Theatertypen
Mit ihrem Wiener Volkstheater schufen Feller & Helmer
1889 erstmals einen Kompromiß zwischen Amphi-, Logen-
und Rangtheater; neu war die Reduzierung auf zwei Ränge
bei einem Theater dieser Größe; die Parterrelogen waren
fortgelassen, die Seitenlogen in einem Bereich unterge-
bracht, in dem mehrere Sitzreihen ohnehin ausgeschlossen
gewesen wären.744)
Die Logen müssen als Konzession an das zahlungskräftige
Publikum verstanden werden, das hauptsächlich „um ge-
sehen zu werden“ ins Theater kam und dafür lieber
schlechte Sicht zur Bühne in Kauf nahm, als mit dem „ge-
wöhnlichen Volk“ in mehreren Sitzreihen nebeneinander
untergebracht zu sein. Dieser Tatsache muß man sich be-
wußt werden, wenn man die heute unbegreiflich scheinen-
de Anbringung von nahezu unbrauchbaren Plätzen kriti-
siert: daran war nicht die Unfähigkeit der Architekten
schuld — das Theaterpublikum war einfach noch nicht so-
weit demokratisiert, um auf solche Rangunterschiede ver-
zichten zu wollen.745)
Einige Jahre später gab es, von Proszeniumslogen abge-
sehen, kaum noch geschlossene Logen in den neuen bür-
57
kussäulen des Hauses Leopoldstraße Nr. 4 (Abb. 15). Wie
an den Putzbauten so verwendete er auch an seinen Back-
steinfassaden Beton: die Kombination Backstein-Betonde-
korteile findet sich an der Rückfront des Lübecker Theaters
zum ersten Mal, dann an sämtlichen Bauabschnitten der
Dresdner Hochschulgebäude (Abb. 72, 34, 35).
In Dresden war der Beton zusätzlich bemalt735), eine bis da-
hin nicht übliche Behandlung des Materials. Erwähnens-
wert sind auch die beiden Brücken, die Dülfer für die Dresd-
ner Hygiene-Ausstellung von 1911 entwarf: auf die Bemü-
hungen, dort besonders „materialgerecht“ zu arbeiten, wur-
de bereits hingewiesen.736)
Dazu waren die aufwendigsten seiner Bauplastiken in Be-
ton gegossen: so die Pantherquadrigen am Dortmunder
Theater und vermutlich auch die Figurengruppe am Giebel
des Duisburger Theatergebäudes (Abb. 48, 73).
Theaterbauten
um die Jahrhundertwende
Um die Jahrhundertwende war der Bau eines repräsentati-
ven Theaters für viele Städte eine Prestigeangelegenheit
geworden.
Einzelne Architekturbüros beschäftigten sich vorwiegend
mit Theaterbauten, ihnen schienen die Aufträge fast von
selber zuzufallen. Das größte dieser Ateliers war das von
Ferdinand Fellner & Edmund Helmer in Wien737); in
Deutschland sind Heilmann & Littmann, Heinrich Seeling,
Bernhard Sehring, Carl Moritz, Oscar Kaufmann und nicht
zuletzt Martin Dülfer zu nennen. Dülfer schuf 1899—1900
sein erstes Theater in Meran, dem die Stadttheater in Dort-
mund (1901 — 04), in Lübeck (1906 — 08) und in Duisburg
(1909—12) folgten; sein Alterswerk war der Wiederaufbau
des abgebrannten Bulgarischen Nationaltheaters in Sofia
(1925 — 29).
Verschiedene Typen von Zuschauerräumen
Weiterentwicklung des italienischen Logentheaters
Bis in die späten achtziger Jahre verwendete man für die
großen Theater, von wenigen Ausnahmen abgesehen, das
Schema des italienischen Logentheaters mit bis zu sechs
Rängen, oder den Typus des französischen Rangtheaters
mit bis zu fünf Rängen.
Diese in viele Ränge hochgestaffelten Zuschauerräume bo-
ten den Vorteil einer geringen horizontalen Ausdehnung;
gewöhnlich waren die Grundrisse hufeisenförmig oder in
gestelzter Halbkreisform ausgebildet, die Brüstungen der
seitlichen Rangteile nach der Bühne hin in geraden Linien
verlängert. Erst um die Jahrhundertwende begann man el-
liptische oder anders geschweifte Brüstungslinien zu be-
vorzugen.738)
Rangtheater und Reformbewegung nach
Gottfried Semper
Die Rangtheater eliminierten zunächst die Parterrelogen
und verminderten später die Anzahl der Ränge, indem sie
den Bereich gegenüber der Bühne (den Mittelteil der Ränge
also) um mehrere Reihen amphitheaterartig erweiterten.739)
Um in diesem Rangsystem möglichst viele Plätze der Büh-
ne gegenüber frontal anzuordnen, reduzierte Seeling (erst-
mals an seinem 1890 — 92 entstandenen Essener Stadtthe-
ater) im oberen Rang die Seitenteile und verlegte die Ein-
gänge an die Seiten, so daß nur wenige seitliche Sitzplätze
vorhanden waren.740)
Durch die Rangverkürzung entstand eine völlig neuartige,
einheitliche Raumwirkung: bei den bis zum Proszenium ge-
führten Rängen schien der Raum an den Rangbrüstungen
zu enden, der Besucher blickt von den Rähgen ins Auditori-
um wie von außerhalb des Saales gelegenen Räumen. Die
Umfassungsmauern des Saales wurden nunmehr bewußt
frei gezeigt und nicht mehr durch Ränge verdeckt; auf diese
Art wirken die Räume bei gleichen Abmessungen wesent-
lich größer.741)
Nach Richard Wagners Festspielhaus in Bayreuth, — 1876
nach älteren Vorstudien Sempers erbaut —, neigte man all-
gemein zu größerer Flächenausdehnung bei reduzierter Hö-
henentwicklung, um den Zuschauern das Bühnenbild in
möglichst flachem Sehwinkel zu bieten.742)
Natürlich basierten die eben genannten Semperschen Stu-
dien für ein Münchner Festspielhaus auf der Kenntnis des
antiken Amphitheaters und des palladianischen Theater-
raumes; auf diese für den modernen Theaterbau sehr wich-
tige Bewegung soll in diesem Rahmen nicht weiter einge-
gangen werden, da sie für die Dülferschen Theater nur be-
dingt von Bedeutung ist.
Wie bei Dülfer so beschränkte sich auch bei vielen anderen
Architekten dieser Zeit das Amphitheater vorwiegend auf
die Parkettsitze. Eine Anzahl von Logen wurde zunächst
beibehalten, verlangte doch das erstarkte Bürgertum nach
eigenen, das heißt: ständig gemieteten Logen, die, nach
Rängen gestaffelt, über die gesellschaftliche Stellung der
Logenbesitzer Auskunft gaben. Besonders begehrt waren
Proszeniumslogen, die außerdem lange Zeit als „architek-
turästhetische Notwendigkeit für eine Abrundung der
Ranganlagen“ unentbehrlich schienen.743)
Kombination der verschiedenen Theatertypen
Mit ihrem Wiener Volkstheater schufen Feller & Helmer
1889 erstmals einen Kompromiß zwischen Amphi-, Logen-
und Rangtheater; neu war die Reduzierung auf zwei Ränge
bei einem Theater dieser Größe; die Parterrelogen waren
fortgelassen, die Seitenlogen in einem Bereich unterge-
bracht, in dem mehrere Sitzreihen ohnehin ausgeschlossen
gewesen wären.744)
Die Logen müssen als Konzession an das zahlungskräftige
Publikum verstanden werden, das hauptsächlich „um ge-
sehen zu werden“ ins Theater kam und dafür lieber
schlechte Sicht zur Bühne in Kauf nahm, als mit dem „ge-
wöhnlichen Volk“ in mehreren Sitzreihen nebeneinander
untergebracht zu sein. Dieser Tatsache muß man sich be-
wußt werden, wenn man die heute unbegreiflich scheinen-
de Anbringung von nahezu unbrauchbaren Plätzen kriti-
siert: daran war nicht die Unfähigkeit der Architekten
schuld — das Theaterpublikum war einfach noch nicht so-
weit demokratisiert, um auf solche Rangunterschiede ver-
zichten zu wollen.745)
Einige Jahre später gab es, von Proszeniumslogen abge-
sehen, kaum noch geschlossene Logen in den neuen bür-
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