Bei näherer Betrachtung scheint er in Leipzig ein Resümee
der wichtigsten, jemals von ihm verwendeten Architektur-
elemente gezogen zu haben: der Fassadenaufbau erinnert
an das Bernheimer-Haus mit seinem ebenfalls dreiachsi-
gen Mittelrisalit und den dort verwendeten, umgekehrten
Konsolbekrönungen über dem Gebälk (Abb. 2). Den figural
reich geschmückten Rundgiebel hat Dülfer hier durch einen
schlichten Dreiecksgiebel nach Dortmunder und Lübecker
Muster ersetzt (Abb. 48, 63), den ein geschwungener Dach-
teil umgreift.
Der eher schlicht gehaltene Dachreiter hat seinen Vorgän-
ger offensichtlich in dem Türmchen der Bernheimer-
Fassade; die ionischen Säulen wurden außer bei Bernhei-
mer auch an der Leopoldstraße Nr. 4 (Abb. 15) verwendet.
Von Lübeck her bekannt sind die Erker mit den der Wölbung
folgenden Dreiecksgiebeln und die Dachgaubenformen,
ebenso die Dachfenster-Ausbauten mit ihren angedeuteten
Säulen (Abb. 63); in der bizarren Umrißgliederung der über
das Dach ragenden Feuermauern erkennt man das Vorbild
der Allgemeinen Zeitung und des Hotels Terminus.
Wie sehr sich das Stilempfinden des Neuen Historismus
um 1910 von dem des stets nach neuen Lösungen suchen-
den Jugendstils unterschied, zeigt die rustizierte, konven-
tionelle Erdgeschoßlösung sehr deutlich: eine vergleichba-
re Rundbogen-Gliederung beseitigte Dülfer 1902/03 beim
Umbau des Hotel Terminus, er hatte dort eine sichtbar be-
lassene, expressionistisch anmutende Eisenkonstruktion
an ihre Stelle gesetzt (ohne Abb.).
Abb. 33 Lübeck: Stadttheater, Detail der Rückfassade zur
Fischergrube
Historisierender Backsteinstil
Dülfers Backsteinfassaden in Lübeck und Dresden (1906
— 1908 bzw. 1910—13) fallen bereits in die Periode seines
neuen Historismus; an den Jugendstil erinnern in Lübeck
nur noch die Rückfassade mit dem Seesterndekor der Gie-
belfelder und die Ausbildung der Lisenen (Abb. 72) nach
Sullivans Vorbild543); bemerkenswert früh ist hier aber das
unhistorische Motiv der expressionistisch anmutenden
Zacken („Tropfsteinfries“) zu finden.544)
Die in Lübeck gewonnenen Anregungen verwertete Dülfer
am Gebäude der Dresdner Technischen Hochschule; aus-
schlaggebend für die Wahl des Backsteinmaterials mag ge-
wesen sein, daß einige der bereits erstellten Hochschul-
bauten in dieser Manier von seinem Vorgänger Weißbach
errichtet worden waren. Im Gegensatz zu diesen wurde Dül-
fers Neubau sehr gelobt: „Der Backsteinbau [der Techni-
schen Hochschule] mit seinen weißen Steinfassungen ge-
hört in der Neuheit seiner Massengliederung, dem Adel sei-
ner Verhältnisse und der feinen Durchbildung aller Einzel-
heiten zu den vornehmsten Schöpfungen dieser Rich-
tung.“545)
Abb. 34 Dresden: Technische Hochschule, Bauingenieur-
Abteilung, Fassadendetail
Das ornamentartige Vorkragenlassen einzelner Ziegel war
in Deutschland ebenso neu wie die Verbindung von Back-
stein mit farbig gefaßten Betonteilen; die Gestaltung der
abgewalmten Dächer und die Verwendung der leicht ge-
wölbten Flacherker ist dem Landhausbau entnommen.546)
In ihrer Gesamtheit wirken Dülfers Hochschulbauten eher
eigenständig als historisierend; die ältere Bauingenieur-
Abteilung ordnet alle historisierende Einzelformen ihrem
bewegten Grundriß unter, die neueren Chemischen Institu-
te (1917—26) nähern sich mit ihrem einfachen Aufbau und
den hohen Satteldächern einem nicht genau lokalisierba-
ren, idealen Heimatstil.
Geringe Nachklänge des Jugendstils sind in einigen me-
daillonartig ausgebildeten, achteckigen Fenstern zu sehen;
im allgemeinen überwiegt aber bereits der Trend zur Sach-
lichkeit — obgleich Dülfer auf architektonische „Scherze“
wie z.B. vor Fensteröffnungen durchlaufende Simse (!)
nicht verzichtete.
Abb. 35 Dresden: Technische Hochschule, Chemische
Institute, Fassade zur Mommsenstraße
43
der wichtigsten, jemals von ihm verwendeten Architektur-
elemente gezogen zu haben: der Fassadenaufbau erinnert
an das Bernheimer-Haus mit seinem ebenfalls dreiachsi-
gen Mittelrisalit und den dort verwendeten, umgekehrten
Konsolbekrönungen über dem Gebälk (Abb. 2). Den figural
reich geschmückten Rundgiebel hat Dülfer hier durch einen
schlichten Dreiecksgiebel nach Dortmunder und Lübecker
Muster ersetzt (Abb. 48, 63), den ein geschwungener Dach-
teil umgreift.
Der eher schlicht gehaltene Dachreiter hat seinen Vorgän-
ger offensichtlich in dem Türmchen der Bernheimer-
Fassade; die ionischen Säulen wurden außer bei Bernhei-
mer auch an der Leopoldstraße Nr. 4 (Abb. 15) verwendet.
Von Lübeck her bekannt sind die Erker mit den der Wölbung
folgenden Dreiecksgiebeln und die Dachgaubenformen,
ebenso die Dachfenster-Ausbauten mit ihren angedeuteten
Säulen (Abb. 63); in der bizarren Umrißgliederung der über
das Dach ragenden Feuermauern erkennt man das Vorbild
der Allgemeinen Zeitung und des Hotels Terminus.
Wie sehr sich das Stilempfinden des Neuen Historismus
um 1910 von dem des stets nach neuen Lösungen suchen-
den Jugendstils unterschied, zeigt die rustizierte, konven-
tionelle Erdgeschoßlösung sehr deutlich: eine vergleichba-
re Rundbogen-Gliederung beseitigte Dülfer 1902/03 beim
Umbau des Hotel Terminus, er hatte dort eine sichtbar be-
lassene, expressionistisch anmutende Eisenkonstruktion
an ihre Stelle gesetzt (ohne Abb.).
Abb. 33 Lübeck: Stadttheater, Detail der Rückfassade zur
Fischergrube
Historisierender Backsteinstil
Dülfers Backsteinfassaden in Lübeck und Dresden (1906
— 1908 bzw. 1910—13) fallen bereits in die Periode seines
neuen Historismus; an den Jugendstil erinnern in Lübeck
nur noch die Rückfassade mit dem Seesterndekor der Gie-
belfelder und die Ausbildung der Lisenen (Abb. 72) nach
Sullivans Vorbild543); bemerkenswert früh ist hier aber das
unhistorische Motiv der expressionistisch anmutenden
Zacken („Tropfsteinfries“) zu finden.544)
Die in Lübeck gewonnenen Anregungen verwertete Dülfer
am Gebäude der Dresdner Technischen Hochschule; aus-
schlaggebend für die Wahl des Backsteinmaterials mag ge-
wesen sein, daß einige der bereits erstellten Hochschul-
bauten in dieser Manier von seinem Vorgänger Weißbach
errichtet worden waren. Im Gegensatz zu diesen wurde Dül-
fers Neubau sehr gelobt: „Der Backsteinbau [der Techni-
schen Hochschule] mit seinen weißen Steinfassungen ge-
hört in der Neuheit seiner Massengliederung, dem Adel sei-
ner Verhältnisse und der feinen Durchbildung aller Einzel-
heiten zu den vornehmsten Schöpfungen dieser Rich-
tung.“545)
Abb. 34 Dresden: Technische Hochschule, Bauingenieur-
Abteilung, Fassadendetail
Das ornamentartige Vorkragenlassen einzelner Ziegel war
in Deutschland ebenso neu wie die Verbindung von Back-
stein mit farbig gefaßten Betonteilen; die Gestaltung der
abgewalmten Dächer und die Verwendung der leicht ge-
wölbten Flacherker ist dem Landhausbau entnommen.546)
In ihrer Gesamtheit wirken Dülfers Hochschulbauten eher
eigenständig als historisierend; die ältere Bauingenieur-
Abteilung ordnet alle historisierende Einzelformen ihrem
bewegten Grundriß unter, die neueren Chemischen Institu-
te (1917—26) nähern sich mit ihrem einfachen Aufbau und
den hohen Satteldächern einem nicht genau lokalisierba-
ren, idealen Heimatstil.
Geringe Nachklänge des Jugendstils sind in einigen me-
daillonartig ausgebildeten, achteckigen Fenstern zu sehen;
im allgemeinen überwiegt aber bereits der Trend zur Sach-
lichkeit — obgleich Dülfer auf architektonische „Scherze“
wie z.B. vor Fensteröffnungen durchlaufende Simse (!)
nicht verzichtete.
Abb. 35 Dresden: Technische Hochschule, Chemische
Institute, Fassade zur Mommsenstraße
43