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Klein, Dieter; Dülfer, Martin; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Dülfer, Martin [Ill.]
Martin Dülfer: Wegbereiter der deutschen Jugendstilarchitektur — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 8: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.63235#0019

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Dülfers Lehrtätigkeit
Schumacher hatte sich für Dülfers Berufung auf den Lehr-
stuhl für Entwerfen besonders eingesetzt, weil er, nach ei-
genen Worten „in ihm einen der wenigen sah, die nicht im
kunstgewerblich-dekorativen steckenblieben, sondern die
Fragen des baulichen Organismus miterfaßten“.194) Er
schildert Dülfer als einen „vortrefflichen Lehrer im Zeichen-
saal“195); seine Studenten bewunderten vor allem seine Fä-
higkeit, den Zuhörern zugewandt, hinter sich auf die Tafel
zu zeichnen und dazu Erklärungen zu geben.196)
Sein Unterricht war betont praxisbezogen, Architekturtheo-
rien suchte er möglichst auszuweichen197); „seiner ganzen
Art nach war er kein Systematiker“198).
Zu seinen Studenten hatte er ein liberales, aber dennoch di-
stanziertes Verhältnis: er „zeigte den Herrn Geheimrat“.199)
Einige Zeit arbeitete der spätere Direktor der Kunstgewer-
beschule Bielefeld, Max Wrba, als Assistent bei ihm.200)
1909 kam Tessenow nach Dresden; er wollte ursprünglich
bei Schumacher sein offizielles Studium nachholen, weil ei-
ne weitere Karriere ohne Hochschuiexamen aussichtslos
erschien. Seine Aufnahme wurde aber vom Ministerium ab-
gelehnt, weil er keine höhere Schule absolviert hatte; dabei
konnte er auf eine erfolgreiche Lehrtätigkeit an den Bau-
schulen von Sternberg (Sachsen) und Trier hinweisen, au-
ßerdem besaß er in Fachkreisen einen hervorragenden
Ruf.201)
Dülfer und Schumacher bemühten sich nach Kräften, ihm
zu helfen, und als bei Dülfer eine Assistentenstelle frei wur-
de, bei der aus ungeklärten Gründen die Examensforderung
unterblieben war, holte man Tessenow an diese Stelle.202)
Er blieb bis 1913 als Assistent, um dann einer Berufung als
Professor an die Wiener Kunstgewerbeschule zu folgen.203)
Trotz seiner fast zwei Jahrzehnte dauernden Lehrtätigkeit
konnte sich keine ausgeprägte „Dülfer-Schule“ entwickeln,
wenn man von der Übernahme Dülferschen Formengutes
durch die Münchner Jugendstilarchitektur absieht; auf die
junge Architektengeneration vor dem ersten Weltkrieg hat-
te Dülfer zweifelsohne befruchtend gewirkt, die meisten
seiner Schüler fielen jedoch im ersten Weltkrieg.204)
Nach Kriegsende war Dülfers „beste“ Zeit vorbei, in Dres-
den rückten jüngere Kräfte wie Muesmann oder Freese
nach; viele der Studierenden wanderten nach den attrakti-
ver scheinenden Hochschulen München und Stuttgart
ab.205)
Auch Schumacher verließ Dresden; ihm folgte German Be-
stelmeyer auf dem Lehrstuhl für Formenlehre, den später
Emil Högg in einen Lehrstuhl für Raumkunst umwandeln
sollte.206)
Dem Düsseldorfer Adolf Muesmann wurde 1921 eine zu-
sätzliche Professur für Entwerfen geschaffen, weil damals
eine Emeritierung Dülfers bereits abzusehen war.207)
Noch kurz erwähnt sei, daß eine Reihe von später bekannt
gewordenen Malern wie Ernst Ludwig Kirchner, Schmidt-
Rottluff und Erich Heckel (eventuell auch Max Pechstein)
nicht nur bei Schumacher208), sondern auch.bei Dülfer ver-
schiedene Architekturvorlesungen besuchten, bevor sie
sich endgültig für die Malerei entschieden.209)

Dülfers Atelier in Dresden
Sein Dresdner Atelier richtete Dülfer in der Etage über sei-
ner Wohnung ganz in der Nähe der neuen Hochschulgebäu-
de ein; über die Mitarbeiter der ersten Zeit ist wenig be-
kannt. Einer Rede Dülfers anläßlich der Eröffnung des Lü-
becker Theaters sind die Namen seiner leitenden Angestell-
ten zu entnehmen: Hoffmann, Fritz, Schönberger und
Wolf.210)
Etwas besser ist die Informationslage über das Dülfer’sche
Atelier während der Zwanziger Jahre, da einige der damals
für Dülfer tätigen Architekten sich noch an verschiedene
Einzelheiten erinnern können.211)
Ein als besonders fähig beschriebener Architekt, Karl Her-
mann Rätse, muß lange Zeit für Dülfer gearbeitet haben:
sein Studium schloß er um 1923 im 46. Semester (!) auf
Drängen Dülfers ab, blieb aber auch weiterhin für dessen
Atelier tätig.212)
Ebenfalls durch längere Zeit im Atelier angestellt war Hein-
rich Sülze, der später durch umfangreiche Ausgrabungen in
Pompeji bekannt werden sollte und schließlich als Assi-
stent bei Muesmann arbeitete.213)
Großen Anteil an der Umgestaltung des Bulgarischen Na-
tionaltheaters soll Hans Hopf gehabt haben214), außerdem
waren die damaligen Architekturstudenten Franz Letz215)
und Fritz Steudtner216) an diesem Objekt beschäftigt.217)
Als Bürochef wirkte der Architekt W. Stein218); Dülfer hatte
zu seinen Angestellten ein ähnliches Verhältnis wie zu sei-
nen Studenten: es läßt sich wohl am treffendsten als „pa-
triarchalisch“ bezeichnen. Wenn wegen dringender Termine
die Nächte durchgearbeitet werden mußten, pflegte Dülfer
gegen zwei oder drei Uhr morgens im Büro zu erscheinen;
ein besonderes Zeichen seiner Gunst war dann die Vertei-
lung von Slivowitz oder Zigarren.219)
Er konnte sich als „Zugereister“ in Dresden schwerer
durchsetzen als in München; vor allem gegen seinen gro-
ßen Konkurrenten, den Dresdner Max Hans Kühne, einen
der erfolgreichsten Architekten seiner Zeit in dieser Stadt,
stand er auf verlorenem Posten. Außer den Hochschulbau-
ten bekam Dülfer in seiner neuen Heimatstadt relativ weni-
ge Aufträge; von den Villenbauten, die in Sachsen, Schle-
sien und dem Sudetenland entstanden sein sollen220), sind
keinerlei Unterlagen zu finden.
Villen, Geschäftshäuser und kleinere Aufträge
An ausgeführten Objekten sind aus Dülfers erster Dresdner
Zeit nur die Villa Philipson in Osnabrück und das Kaufhaus
Schneider in Wiesbaden bekannt (beide um 1906/07).
Vor 1910 entstanden, vom Duisburger Theaterbau abgese-
hen, nur kleinere Arbeiten, wie die sogenannte
„Bodega“221), ein Oktoberfest-Bierzelt mit Biedermeierfas-
sade und der Musikpavillon-Anbau des Dortmunder Thea-
ters (letzterer mit Bildhauerarbeiten von Strohrigi) 222)
Nach Schumachers Berufung in die Stadt Hamburg über-
nahm Dülfer 1909 den Auftrag für ein Geschäftsgebäude
der Dresdner Bank in Leipzig: bisher ist kein einziger Name
der mitarbeitenden Künstler bekannt.223)

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