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Klein, Dieter; Dülfer, Martin; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Dülfer, Martin [Ill.]
Martin Dülfer: Wegbereiter der deutschen Jugendstilarchitektur — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 8: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.63235#0081

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Bühnen- und Betriebseinrichtungen
Die Proszeniumsöffnung war 11 Meter breit und 8,55 Meter
hoch; gemessen vom dritten Bühnenkeller bis zum Dach-
first wies die Bühne eine Höhe von 38 Metern auf, bei einer
Fläche von 24 Metern Breite mal 16,2 Metern Tiefe. Ange-
schlossen war die Hinterbühne mit 11,25x8,20 Metern und
eine Nebenbühne mit 7,80 Metern Breite bei 7,15 Metern
Tiefe; die beiden letztgenannten Bühnenteile maßen jeweils
9 Meter in der Höhe. Daneben waren noch zwei Unterbüh-
nen mit fünf hydraulisch angetriebenen Versenkungen vor-
handen, jeweils 10,5 Meter lang.
Es gab alle damals modernen Theatereinrichtungen wie
Rundhorizont, Regenmaschinen, vertieftes Orchester für 70
Musiker und anderes mehr. Zu beiden Seiten des Proszeni-
ums waren Inspizienten- und Beleuchterlogen angebracht,
darüber drei Arbeitsgalerien und an anderer Stelle ein
Orgelpodium; auf sechs Bühnengassen hatte man insge-
samt 80 Bühnenzüge verteilt.929)
Der Rollenboden befand sich 22,5 Meter über der Bühnen-
ebene; durch teilweise Ausbildung der die Bühne umgeben-
den Dächer als Plattformen konnten mühelos zahlreiche
Fluchtwege für die Bühnenarbeiter angelegt werden.
Allgemein läßt sich sagen, daß die Sicherheitsvorrichtun-
gen weit über das vorgeschriebene Maß hinausgingen: so
war der Rauchschieber auf dem Bühnendach doppelt so
groß angelegt als vorgeschrieben (40 Quadratmeter). Seine
Auslösevorrichtung hatte man mit der des eisernen Vorhan-
ges derart gekoppelt, daß beide mit einem Griff in Betrieb
gesetzt werden konnten. Im ganzen Haus waren 45 Hydran-
ten mit Feuermeldern angebracht, die elektrische Notbe-
leuchtung bedeutete eine wichtige Neuerung.
Lüftung und Heizung erfolgten (wie schon in Meran) durch
Öffnungen an der Decke; über dem Proszenium konnte
warme Luft eingeführt werden, die unterhalb der Sitze des
Parketts wieder abgesaugt wurde.930)
Am Bau beteiligte Firmen und Künstler
Laut Vertrag war Dülfer dazu verpflichtet, sämtliche
Rohbau- und möglichst auch alle anderen Arbeiten von
Dortmunder Unternehmen ausführen zu lassen931).
Die Rohbauarbeiten wurden dem Baugeschäft Jakob Krie-
ter übergeben, die Eisenkonstruktionen August Klönne; die
Schreinerarbeiten stammten von Carl Hanebeck, Glaser-
und Malerarbeiten von Carl Habs: von Habs wurde auch die
Bemalung der Auditoriumsdecke ausgeführt.
Spengler- und Dachdeckerarbeiten übernahmen Sieges &
Kohn, Beheizung-, Lüftungs- und Regenanlage L. Opländers
WWe., die Entwässerung Gebr. Kukuk, elektrische Anlagen
die Elektro AG „Helios“, hydraulische Versenkungen die
Maschinenfabrik „Deutschland“ und Kunstverglasungen
die Firma Ludwig Katz; alle diese Firmen hatten ihren Sitz
in Dortmund.
Trotzdem waren auch auswärtige Firmen beteiligt: zum Bei-
spiel lieferte das „Eisenwerk München“ die Bühneneinrich-
tung.
Ebenso wurde die Stuckierung der inneren Räume teilweise
von der Münchner Firma Franz Hässel gemeinsam mit A.
Dejmek (Dortmund) besorgt.
Der Fassadenschmuck stammte von Rappa & Co. (Mün-
chen); Bildhauer Frick von dieser Firma führte auch die

Pantherquadrigen und die figürlichen Reliefs an der Vorder-
front aus.
Der überwiegende Teil der künstlerischen Arbeiten war
Münchner Künstlern übertragen worden: so Forlivesi die
kränzehaltenden Genien der Eingangsplattform, Fidelius
Enderle die Steinbildhauerarbeiten, Steinicken & Lohr die
Beleuchtungskörper für Foyers, Treppen und Wandelgänge,
Wilhelm & Co. die des Auditoriums; die Kunstschmiedear-
beiten stammten von dem Münchner E. Häusner. Von Paul
Hyan, Berlin, der auch das Meraner Auditorium möbliert
hatte, bezog man die Bestuhlung; die Aufträge für Möbel
und Dekoration waren dagegen an die Dortmunder Firmen
A.W. Hüllen, Rose & Co. und H. Feldhaus vergeben.
Gesondert erwähnt werden sollen noch die gestickten Vor-
hänge, die in dem „ für moderne Stickerei berühmten“ Ate-
lier von Margarethe von Brauchitsch (München) gefertigt
wurden.932)
Der später angebaute Musikpavillon war mit Bildhauerar-
beiten des Dresdners August Strohrigi geschmückt.933)

Lübecker Stadttheater
Baugeschichte
Vorgängerbau, Ausschreibung und Wettbewerb
Der Dortmunder Bau machte Dülfer zu einem der begehrte-
sten Theaterarchitekten des Reiches; nach zwei nicht aus-
geführten Projekten (Freiburg und Gießen) wurde er schließ-
lich zum Wettbewerb für das Lübecker Stadttheater einge-
laden.
Nach verschiedenen Theaterbränden um die Jahrhundert-
wende wurde der Brand des Iroquois-Theaters in Chicago
endlich zum Anlaß genommen, auch in Deutschland Nach-
prüfungen der Sicherheitseinrichtungen an allen Theatern
durchzuführen und die feuerpolizeilichen Vorschriften zu
verschärfen.934)
In Lübeck fiel die entsprechende Untersuchung derart
negativ aus, daß man sich Ostern 1905 zur Schließung des
1859 von der Casino-AG in der Beckergrube errichteten
Theaters gezwungen sah.
Bereits am 18. März 1905 hatte der Senat der Bürgerschaft
Vorschläge für die Wahl eines neuen Standortes und für die
Bildung einer Theaterbaukommission unterbreitet, die aus
vier Senatoren und acht Bürgern bestehen sollte935).
Man vertrat die Meinung, daß „für eine kräftig aufstrebende
Stadt von der Größe Lübecks ein künstlerisch geführtes,
städtisches Theater zu den hervorragendsten Bildungs-
mitteln" gehöre.
Außerdem erwartete man in wirtschaftlicher Hinsicht eini-
ge Vorteile, wobei vor allem mit einer „Steigerung des Zu-
zugs bemittelter Fremder“ gerechnet wurde 936)
Es sollte ein „genügend großes Stadttheater“ entstehen,
das „wirklich allen Bevölkerungsschichten den Besuch zu
bestimmten(l) Vorstellungen und Konzerten ermöglicht“,
ein Theater als Volksbildungsanstalt also und nicht ein
„Vergnügungsetablissement“. Nur auf dieser Basis waren
spätere staatliche Subventionen zu erwarten, während ein
verpachtetes, sich selbst erhaltendes Theater nur ein „Insti-

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