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Klein, Dieter; Dülfer, Martin; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Dülfer, Martin [Ill.]
Martin Dülfer: Wegbereiter der deutschen Jugendstilarchitektur — Arbeitshefte des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, Band 8: München: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, 1981

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https://doi.org/10.11588/diglit.63235#0107

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Vom Mittelfeld der Decke hing an Ketten eine einfache La-
terne, die nach den vier Kreuzungspunkten der Gurtbögen
jeweils eine Kette zu kleineren, einflammigen Lampen ent-
sandte.
Der Stuckdekor ist auf dem einzigen erhaltenen Foto nur
schlecht zu erkennen; das mittlere Deckenfeld dürfte im
Kuppelbereich eine Sonne gezeigt haben, in den Eck-
zwickeln könnten sich Kartuschen mit Musikinstrumenten
befunden haben.
Von den übrigen Durchgangsräumen ist nur bekannt, daß
sie mit Säulen aus Jura-Kalkstein versehen waren1107).
Fassadengestaltung
Die unmittelbare Nachbarbebauung war wesentlich niedri-
ger als der Kaimsaal selbst; auch das gegenüber in einem
Garten gelegene Wittelsbacher-Palais wurde in keiner Wei-
se von dem Neubau beeinträchtigt.
An dem im wesentlichen zweistöckigen, mit teilweise aus-
gebautem Dachgeschoß versehenen Gebäude betonten
zwei mit Musikinstrumenten geschmückte Giebel (einer zur
Türkenstraße und einer zur Prinz-Ludwig-Straße) die Be-
stimmung als Konzertsaal (Abb. 87). Eine besondere Domi-
nante bildete der offensichtlich auf Fernwirkung berechne-
te Lüftungsturm, der sein Vorbild, die Türme der Salzburger
Kollegienkirche, deutlich erkennen läßt1108).
Wie beim Bernheimer-Haus ist auch hier die Über-Eck-
Ansicht als Hauptblickpunkt angenommen1109); hoben die
ursprünglichen Entwürfe die östliche Front zur Türkenstra-
ße deutlich als Hauptfassade hervor, so verschob die ein-
gangs erwähnte, nachträgliche Planänderung den wichti-
gen Akzent des Lüftungsturmes an die Nordseite, wodurch
beide Fassaden etwa gleichwertig wurden.
Wichtige horizontale Effekte ergaben sich durch die im Erd-
geschoß, an Pilastern und an der Ecklösung durchgehend
bis zum Dach verwendeten Bandrustika sowie durch das
Erdgeschoß-Abschlußsims und das mit einem breiten, de-
korativen Fries unterstrichene Hauptgesims. Die Vertikal-
gliederung bestand im wesentlichen aus über zwei Ge-
schosse reichenden Kolossalpilastern bzw. -lisenen.
An der neunachsigen Ostfassade waren die drei nördlichen
Achsen als Risalit zusammengezogen, überragt von einem
kräftig profilierten Giebel; der zweite, kleinere Giebel war an
die Südecke in den Bereich des Haupttreppenhauses ge-
rückt.
Etwa in der Mitte der ebenfalls neunachsigen Nordfassade
befand sich ein Dreiecksgiebel, der fünf Achsen Übergriff;
die mittleren waren als Drillingsgruppe zusammengefaßt.
Wie beim Ostgiebel so war auch hier der Risalitbereich von
rustizierten Pilastern flankiert, denen an der Nordseite zwei
gleichwertige, lediglich im Erdgeschoß unterschiedlich ge-
staltete Fensterachsen folgten. Nach Westen schloß sich
eine Achse an, die in den einzelnen Stockwerken ungleich
ausgeführt gewesen sein dürfte: die Fassadenskizze zeigt
über zwei Rundbogenöffnungen im Erdgeschoß einzelne
Fensteröffnungen, der Grundriß dagegen läßt im ersten
Stock auf ein Zwillingsfenster schließen. Das einzige erhal-
tene Foto schließt mit dem Mittelrisalit der Nordfassade
ab, so daß dieses Detail nicht mehr geklärt werden kann.

Nach Osten folgte eine breite, über zwei Stockwerke rei-
chende, glatte Putzfläche; gerahmt durch zwei rustizierte
Pilaster leitete sie zu der ebenfalls rustizierten Eckrundung
über.
Das Erdgeschoß war durchwegs in Rustika gehalten und
mit Rundbogen- beziehungsweise Korbbogenöffnungen
versehen; den wesentlichsten Schmuck bildeten die glatt-
geputzten Schlußsteine, die in den Giebelachsen durch fi-
gural verzierte Stuckteile ersetzt waren, sowie ein Medail-
lon an der Ecke mit der Aufschrift „Kaimsaal“.
Rechts neben der Eck-Durchfahrt befand sich eine kleine
Eingangstür, der über geradem Türsturz ein stehendes
Ovalfenster zugeordnet war; ihre Notwendigkeit scheint
zweifelhaft, befanden sich doch wenige Meter davon ent-
fernt zwei Eingänge in der Unterfahrt.
Oberhalb des Erdgeschoß-Abschlußsimses folgte der be-
tont schlicht gehaltene erste Stock, der nur durch Balkons
auf langgezogenen Konsolen hervorgehoben wurde; den
Balkon der Nordseite schloß eine aufwendige Balustrade
ab, den der Ostseite ein schmiedeeisernes Gitter.
Übergreifende, geometrisch gestaltete Putzfelder verschilf-
ten die horizontale Trennung zwischen erstem und zweitem
Stock; die gleiche Aufgabe erfüllten im östlichen Hauptri-
salit querovale Medaillons mit Festons.
Am reichsten war das zweite Obergeschoß gestaltet: dort
hatte Dülfer einen üppigen, aus Lyren und Blumen gebilde-
ten breiten Fries angebracht, den glattgeputzte Flächen mit
reliefartigem Girlandendekor (über den Fenstern) unterbra-
chen.
In den drei Achsen des östlichen Hauptrisalits waren die
Fenstersturzfelder mit Lorbeerlaub versehen, das halbrun-
de, die betreffenden Fenster optisch höher wirken lassende
Muscheln rahmte.
Bemerkenswert war der kapitellartige Dekor einzelner Pila-
ster: einfache Putzplatten mit Quasten und jeweils zwei
Knöpfen, in dieser Art aber nur im Bereich der Giebelrisalite
verwendet. Die meisten der Pilaster hatte man rustiziert; im
Bereich der beiden Hauptgiebel waren die jeweils mittleren
mit dicken Früchtestäben versehen; sie verliehen damit die-
sen Bauteilen zusätzliches Gewicht.
Das Mansarddach mit seinen geschwungenen Dachgau-
ben schien vom übrigen Baukörper durch den umlaufenden
Sims völlig abgesondert; der Sims war an der Ostseite
durchlaufend und nur im Bereich des Hauptgiebels über
der dortigen Mittelachse leicht nach oben geschwungen.
Beim Giebel der Nordseite unterbrach hingegen das Giebel-
feld mit querovalem Fenster und auffallenden Musikinstru-
menten zwischen Rankenwerk den Verlauf.
Vereinzelt, wenn auch noch im eklektizistischen Formenap-
parat verborgen, läßt sich bereits der kommende Jugendstil
ahnen: neben dem ursprünglich stark farbigen Hauptfries
des zweiten Stockes1110) sind die (bei späteren Werken oft
verwendeten) Blattmasken am Lüftungsturm und der Wech-
sel der verschiedenen Putzsorten zu nennen, der hier kon-
sequenter angewandt wurde als bei Dülfers vorher entstan-
denen Bauten1111). Richtungsweisend für München wurde
auch die damals noch ungewöhnliche Verwendung von
Antragstuck1112), die sich hier vermutlich nur auf die Giebel-
gestaltung beschränkte.

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