1902
ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 12
Die Volksbibliothek in Stuttgart. Architekten : Eisenlohr & Weigle,
Oartenanlage. Bauräte in Stuttgart.
Stifter ein Lustgarten, der durch eine
massive Brücke mit der auf gleicher Höhe
liegenden Wohnung verbunden ist. Von
diesem schön angelegten, mit Wasserbassin,
Springbrunnen und Skulpturwerken ge-
schmückten Garten, dessen 1,20 m hohe
Erdauffüllung den grössten Pflanzen das
Fortkommen gestattet, geniesst man nach
zwei Seiten eine entzückende Fernsicht.
Eine vom Hofraum bis zum Garten ge-
führte Wendeltreppe und ein Aufzugskran
ermöglichen die Instandhaltung des Gar-
tens ohne Betreten des Bibliothekgebäudes.
Tafel 90. Villa des Herrn
H. Thenn in Faulenbach bei Füssen.
Architekt: Rudolf Leinweber in
München.
Die Villa enthält sieben Zimmer (da-
von zwei im Dachgeschoss), Küche, Magd-
kammer, Klosett, Keller und Speicher. Bei
der Anlage war das Bestreben massgebend,
der Bestimmung des Gebäudes als Sommer-
wohnung entsprechend, zweckmässige
Raumausnützung und gefällige Gliederung
des Aeusseren mit geringen Baukosten zu
verbinden. Der Keller ist in Beton, der
Erker massiv in Eichenholz ausgeführt, das
Dach mit Biberschwänzen gedeckt. Die
innere Ausstattung ist einfach. Baukosten
rund 13000 Mk.
Villa des Herrn
H. Thenn
in Faulenbach
bei Füssen.
Architekt:
Rudolf
Leinweber
in München.
Beschreibung der Abbildungen.
Tafel 89. Die Volksbibliothek in Stuttgart. Architek-
ten: Eisenlohr & Weigle, Bauräte in Stuttgart.
Das Gebäude der Volksbibliothek in Stutt-
gart verdankt seine Entstehung einer Stiftung
des Verlagsbuchhändlers und Kommerzienrats
Herrn Carl Engelhorn dortselbst. So wenig-
umfangreich dieses Gebäude ist, so zählt es
doch wegen der Ungewöhnlichkeit seines Bau-
programms und der Notwendigkeit, grosse Be-
lastungen bei denkbar schlechtestem Baugrund
auf grosse Tiefen zu übertragen, zu den eigen-
artigsten Bauwerken der Stadt. Tragfähiger
Baugrund konnte z. B. oft erst in einer Tiefe von
15 bis 20 m unter dem Trottoir erreicht werden.
Das Untergeschoss enthält die Wohnung
des Hausmeisters und Magazinräume. Im Erd-
geschoss befinden sich die Bücherabgabe, das
Büchermagazin und ein Sitzungssaal, daneben
Garderobe und Theeküche.
Der ganze erste Stock wird von dem
grossen Lesesaal eingenommen, der Sitzplätze
für über 100 Personen bietet. Im Saale be-
findet sich für den Bibliothekar ein zur Bücher¬
abgabe und Beaufsichtigung geschickt angeord-
neter Raum, der durch Wendeltreppe und Aufzug
mit dem Büchermagazin des Erdgeschosses in
Verbindung gebracht ist. Neben dem Saal sind
Waschräume und Toiletten für Männer und
Frauen angeordnet.
Der Lesesaal erreicht die stattliche Höhe
von 5 m und ist auf drei Seiten mit Fenstern
versehen, die ihm eine Fülle von Licht zuführen.
Heizung und Beleuchtung des ganzen Hauses
geschieht durch Gas. Bei der inneren Aus-
stattung ist jeder Luxus vermieden, jedoch über-
all auf grösste Zweckmässigkeit und äusserste
Raumausnützung Bedacht genommen worden.
Die Architektur des Gebäudes besteht aus
einer freien Verwendung von gotischen und Re¬
naissanceformen im modernen Sinne. Die Fassade
ist ganz aus schönem Haller Sandstein hergestellt.
Den Abschluss der Fassade nach oben bildet eine Pergola, die sich
an einen über dem Portal errichteten Eckpavillon anlehnt. Dahinter be-
findet sich auf dem Dach des Gebäudes für den im Nebenhause wohnenden
Tafel 91. Wohnhaus Bellevuestrasse 6a in Berlin. Architekt:
Regierungsbaumeister L. Stalin in Berlin.
Der Bau veranschaulicht den Typus der neuesten, mit allem Komfort
ausgestatteten Mietshäuser mit dementsprechenden Mietspreisen. Der
Grundriss zeigt die hochherrschaftliche Etagen-
wohnung mit grosser Eingangshalle, die den
Charakter einer Diele erhielt. Äusser dem täg-
lich zu benützenden Speisesaal (ca. 8x5 m)
ist noch ein grösserer (ca. 12,5 x 6,5 m) für
festliche Gelegenheiten angeordnet, der zugleich
als Tanzsaal dienen soll. Die Verbindung
zwischen Küche und Speisesaal bildet der An-
richteraum. Die vorderen Gesellschafts- und
die hinteren Wohnräume, welche meist nach
dem Garten hinaus liegen, verbindet ein durch
drei Lichthöfe erhellter und in der Mitte zum
Schrankraum erweiterter Korridor, welcher
ausserhalb des Wirtschaftsverkehrs liegt. Das
Dachgeschoss ist für ein grosses Maleratelier
eingerichtet, dessen einzelne Räume eine lichte
Höhe von 6 m haben. Die Fassade ist in Sand-
stein und in den grossen Flächen in Rauhputz
hergestellt. Für die Schmuckformen der Fassade
sind zum Teil Motive aus den Meurerschen
Ornamentstudien gewählt worden. Das Innere
ist mit reichem Stuck u. s. w. ausgestattet;
einzelne Räume wurden im Auftrag der Mieter
von van der Velde und anderen Künstlern in
ganz modernem Stil eingerichtet. Die Hof-
fassaden sind mit weissen glasierten Ziegeln
verblendet. Die Baukosten betragen 600000 Mk.
Tafel 92. Schlösser in der Um-
gebung von Nürnberg. Aufgenommen
von Architekt Ernst Beer in München.
Allgemeines. Als auch die stärksten
Burgen den vervollkommneten Feuerwaffen der
Feinde auf die Dauer nicht widerstehen konnten,
entstanden nach und nach in den Thälern die
Herrensitze der Adligen, welche infolge der
günstigen Lage bedeutend wohnlicher und be-
quemer angelegt werden konnten als die schwer
zugänglichen, auf steilen Bergeshöhen liegenden
Burgen. Zwar sollten Gräben, Weiher, starke Mauern und Türme zur Ab-
wehr gegen die Angriffe der räuberischen Soldateska dienen, aber alle
diese Vorsichtsmassregeln erwiesen sich den immer wiederkehrenden
Architekten:
Eisenlohr & Weigle,
Bauräte in Stuttgart.
Die Volksbibliothek in Stuttgart.
Hausthür.
Untergeschoss.
Die Volksbibliothek in Stuttgart.
Architekten:
Eisenlohr & Weigle, Bauräte in Stuttgart.
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ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU
Heft 12
Die Volksbibliothek in Stuttgart. Architekten : Eisenlohr & Weigle,
Oartenanlage. Bauräte in Stuttgart.
Stifter ein Lustgarten, der durch eine
massive Brücke mit der auf gleicher Höhe
liegenden Wohnung verbunden ist. Von
diesem schön angelegten, mit Wasserbassin,
Springbrunnen und Skulpturwerken ge-
schmückten Garten, dessen 1,20 m hohe
Erdauffüllung den grössten Pflanzen das
Fortkommen gestattet, geniesst man nach
zwei Seiten eine entzückende Fernsicht.
Eine vom Hofraum bis zum Garten ge-
führte Wendeltreppe und ein Aufzugskran
ermöglichen die Instandhaltung des Gar-
tens ohne Betreten des Bibliothekgebäudes.
Tafel 90. Villa des Herrn
H. Thenn in Faulenbach bei Füssen.
Architekt: Rudolf Leinweber in
München.
Die Villa enthält sieben Zimmer (da-
von zwei im Dachgeschoss), Küche, Magd-
kammer, Klosett, Keller und Speicher. Bei
der Anlage war das Bestreben massgebend,
der Bestimmung des Gebäudes als Sommer-
wohnung entsprechend, zweckmässige
Raumausnützung und gefällige Gliederung
des Aeusseren mit geringen Baukosten zu
verbinden. Der Keller ist in Beton, der
Erker massiv in Eichenholz ausgeführt, das
Dach mit Biberschwänzen gedeckt. Die
innere Ausstattung ist einfach. Baukosten
rund 13000 Mk.
Villa des Herrn
H. Thenn
in Faulenbach
bei Füssen.
Architekt:
Rudolf
Leinweber
in München.
Beschreibung der Abbildungen.
Tafel 89. Die Volksbibliothek in Stuttgart. Architek-
ten: Eisenlohr & Weigle, Bauräte in Stuttgart.
Das Gebäude der Volksbibliothek in Stutt-
gart verdankt seine Entstehung einer Stiftung
des Verlagsbuchhändlers und Kommerzienrats
Herrn Carl Engelhorn dortselbst. So wenig-
umfangreich dieses Gebäude ist, so zählt es
doch wegen der Ungewöhnlichkeit seines Bau-
programms und der Notwendigkeit, grosse Be-
lastungen bei denkbar schlechtestem Baugrund
auf grosse Tiefen zu übertragen, zu den eigen-
artigsten Bauwerken der Stadt. Tragfähiger
Baugrund konnte z. B. oft erst in einer Tiefe von
15 bis 20 m unter dem Trottoir erreicht werden.
Das Untergeschoss enthält die Wohnung
des Hausmeisters und Magazinräume. Im Erd-
geschoss befinden sich die Bücherabgabe, das
Büchermagazin und ein Sitzungssaal, daneben
Garderobe und Theeküche.
Der ganze erste Stock wird von dem
grossen Lesesaal eingenommen, der Sitzplätze
für über 100 Personen bietet. Im Saale be-
findet sich für den Bibliothekar ein zur Bücher¬
abgabe und Beaufsichtigung geschickt angeord-
neter Raum, der durch Wendeltreppe und Aufzug
mit dem Büchermagazin des Erdgeschosses in
Verbindung gebracht ist. Neben dem Saal sind
Waschräume und Toiletten für Männer und
Frauen angeordnet.
Der Lesesaal erreicht die stattliche Höhe
von 5 m und ist auf drei Seiten mit Fenstern
versehen, die ihm eine Fülle von Licht zuführen.
Heizung und Beleuchtung des ganzen Hauses
geschieht durch Gas. Bei der inneren Aus-
stattung ist jeder Luxus vermieden, jedoch über-
all auf grösste Zweckmässigkeit und äusserste
Raumausnützung Bedacht genommen worden.
Die Architektur des Gebäudes besteht aus
einer freien Verwendung von gotischen und Re¬
naissanceformen im modernen Sinne. Die Fassade
ist ganz aus schönem Haller Sandstein hergestellt.
Den Abschluss der Fassade nach oben bildet eine Pergola, die sich
an einen über dem Portal errichteten Eckpavillon anlehnt. Dahinter be-
findet sich auf dem Dach des Gebäudes für den im Nebenhause wohnenden
Tafel 91. Wohnhaus Bellevuestrasse 6a in Berlin. Architekt:
Regierungsbaumeister L. Stalin in Berlin.
Der Bau veranschaulicht den Typus der neuesten, mit allem Komfort
ausgestatteten Mietshäuser mit dementsprechenden Mietspreisen. Der
Grundriss zeigt die hochherrschaftliche Etagen-
wohnung mit grosser Eingangshalle, die den
Charakter einer Diele erhielt. Äusser dem täg-
lich zu benützenden Speisesaal (ca. 8x5 m)
ist noch ein grösserer (ca. 12,5 x 6,5 m) für
festliche Gelegenheiten angeordnet, der zugleich
als Tanzsaal dienen soll. Die Verbindung
zwischen Küche und Speisesaal bildet der An-
richteraum. Die vorderen Gesellschafts- und
die hinteren Wohnräume, welche meist nach
dem Garten hinaus liegen, verbindet ein durch
drei Lichthöfe erhellter und in der Mitte zum
Schrankraum erweiterter Korridor, welcher
ausserhalb des Wirtschaftsverkehrs liegt. Das
Dachgeschoss ist für ein grosses Maleratelier
eingerichtet, dessen einzelne Räume eine lichte
Höhe von 6 m haben. Die Fassade ist in Sand-
stein und in den grossen Flächen in Rauhputz
hergestellt. Für die Schmuckformen der Fassade
sind zum Teil Motive aus den Meurerschen
Ornamentstudien gewählt worden. Das Innere
ist mit reichem Stuck u. s. w. ausgestattet;
einzelne Räume wurden im Auftrag der Mieter
von van der Velde und anderen Künstlern in
ganz modernem Stil eingerichtet. Die Hof-
fassaden sind mit weissen glasierten Ziegeln
verblendet. Die Baukosten betragen 600000 Mk.
Tafel 92. Schlösser in der Um-
gebung von Nürnberg. Aufgenommen
von Architekt Ernst Beer in München.
Allgemeines. Als auch die stärksten
Burgen den vervollkommneten Feuerwaffen der
Feinde auf die Dauer nicht widerstehen konnten,
entstanden nach und nach in den Thälern die
Herrensitze der Adligen, welche infolge der
günstigen Lage bedeutend wohnlicher und be-
quemer angelegt werden konnten als die schwer
zugänglichen, auf steilen Bergeshöhen liegenden
Burgen. Zwar sollten Gräben, Weiher, starke Mauern und Türme zur Ab-
wehr gegen die Angriffe der räuberischen Soldateska dienen, aber alle
diese Vorsichtsmassregeln erwiesen sich den immer wiederkehrenden
Architekten:
Eisenlohr & Weigle,
Bauräte in Stuttgart.
Die Volksbibliothek in Stuttgart.
Hausthür.
Untergeschoss.
Die Volksbibliothek in Stuttgart.
Architekten:
Eisenlohr & Weigle, Bauräte in Stuttgart.
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