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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 21.1905

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Heft 1
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Högg, Emil: Der Gruppenbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.44852#0011

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1905

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 1


Der Gruppenbau.


Von Emil Högg in Bremen.


an kann heutzutage in Wettbewerbunterlagen häufig
neben sonstigen Anforderungen auch die lesen: »Er-
wünscht ist eine malerisch gruppierte Anlage.« Der

(2) Altes Schloß in Meersburg am Bodensee.
Skizze von E. Högg.


Gruppenbau als freie
unsymmetrische Bau-
weise im Gegensatz
zur strengen symme-
trischen ist somit als
Schlagwort bekannt
und anerkannt. Da-
her mag es wohl an-
gebracht sein, ihn
einmal nach Nam’
und Art zu fragen.
»MalerischerGrup-
penbau« ist eigentlich
ein Pleonasmus, denn
man versteht eben

landaus landein unter Gruppenbau eine aufs Malerische hin-
arbeitende Architektur. Was aber nennen wir malerisch, wenn
wir von Architektur sprechen? Dieser Begriff hat im Lauf der
Jahrhunderte schon die größten Wandlungen durchgemacht. Es
gab eine Zeit, da war ein Stück Tempelruine in der Campagna
der Gipfel aller pittoresken Stimmung und künstliche Burg-
ruinen wurden gebaut. Und wir sehen hinwiederum, wie unsre
jüngste Kunst ihre Motive aus den Winkeln der Dorfstraße holt.
Wenn aber auch der Begriff flutet wie jede Kunstanschau-
ung, so dürfte doch folgende Umgrenzung allgemeine Zustim-
mung der Zeitgenossen finden: Malerisch heißen wir ein Ge-
bäude, wenn seine Wirkung im harmonischen Farbenspiel seiner
Baumaterialien untereinander und mit der Umgebung, in der
Führung seiner Umrisse und in deren Beziehung zur Nachbar-
schaft liegt, wenn es sich eigenartig von andern Bauten unter-
scheidet und endlich, wenn es eine Seele hat, d. h. wenn es
nicht mit der glatten Unnahbarkeit eines Aristokraten vor uns
steht, wie etwa ein Palazzo Bevilacqua, sondern uns leutselig
von seinem Zweck erzählt und von seinen Schicksalen. Während
also die strenge, sagen wir zusammenfassend »antikisierende«
Architektur in den Grenzen vorsichtiger, reservierter Einheit-
lichkeit sich weiter zu entwickeln bestrebt, sucht die malerische
Bauweise ihre Stärke in originellen, individuellen Versuchen,
in Ungleichheit der Erscheinungen, und ist daher die dem deut-
schen Geiste von beiden Richtungen entschieden mehr ent-
sprechende Auffassung. Deshalb ist es ganz berechtigt, cfeß

man nach allgemeinem Sprachgebrauch mit dem Schlagwort
»Gruppenbau« ungefähr alles das umschließt, was die ger-
manische Kunst von derjenigen der romanischen Rassen unter-
scheidet. Wir erkennen die Gefühlsarchitektur als Gegensatz
zur Verstandesarchitektur.

Ein kunstgeschichtlicher Rückblick zeigt uns ja auch, daß
das malerische Element das Charakteristikum germanischer Bau-
weise von den Uranfängen her gewesen ist und trotz des
wiederholten Eindringens griechisch-römischer Formenwelt ge-
blieben ist bis auf die Biedermaierzeit, ja sogar noch in dieser.
Erst als die böse Zeit unsrer Stillosigkeit kam, wurde mit den
letzten Resten unsrer Volkskunst auch das Gefühl für das

Malerische aus den deutschen Gauen getrieben, in denen nun-
mehr jedes Haus, einerlei ob Schule oder Mietkaserne, Museum
oder Villa, ein symmetrischer Kasten ohne Farbe, ohne Umriß,
ohne Leben werden mußte. — Endlich zog der gruppierte Bau
mit der wiedererweckten deutschen Renaissance wieder siegreich
bei uns ein und hat trotz der großen Stilhetze, die nun folgte
und die hoffentlich auch bald vollends überstanden sein wird,
das Feld bis heute behauptet.

Dies beweist
ein Spaziergang
durch eine mo-
derne Villenkolo-
nie oder ein Blick
in ein Konkur-
renzheft zur Ge-
nüge. »Der Gru-
newaldstil« ist ja
sprichwörtlich
geworden für die
an Türmchen,
Erkerchen und
sonstigen male-
rischen Zierlich-
keiten so über-
reichen Berliner
Villen. Quid ri-
des? de te fabula
narratur! Leider
hat jede moderne
Stadt ihren Gru-
newaldstil und
oft einen recht

(3) San Romedio im Val di Non. Skizze von E. Högg.


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