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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 21.1905

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Heft 8
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Mühlke, Karl: Haustüren und Tore der nordischen Wasserkante
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Das neue Finanzministerialgebäude in Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.44852#0072

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1905

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 8


des Louis XVI-Geschmackes, von denen man nicht angeben
kann, welcher der beiden Stilrichtungen sie zuzurechnen wären.
Das prächtige Portal des 1770 am Ochsenmarkt in Gro-
ningen (Abb. 23, Tafel 57) erbauten Hauses zeigt straffere
Formen der Architekturumrahmung, die noch durch einen die
Tür schützenden und zugleich als Austritt im oberen Stock-
werke dienenden Vorbau bereichert ist.
An den beiden abgebildeten Portalen aus Middelburg
(Abb. 24 u. 25, erstere auf Tafel 57) ist eine Einrichtung durch-
gebildet, welche bisher vom Unterzeichneten nur in Holland
beobachtet worden ist, nämlich die Verbindung der Tür mit zwei
schmalen, den Hausflur beleuchtenden, schlitzartigen Fenstern zu
einer gemeinsamen Architekturgruppe. Diese schmalen Fenster
bilden gleichsam die Füllungen der die Tür einrahmenden Pilaster.

Es ist in den
vorstehenden
Ausführungen
der Versuch ge¬
macht, die ver¬
schiedenen Aus¬
bildungen der
Haustüren alter
Zeit in einzelnen
Landstrichen an
unsrer nordi¬
schen Wasser¬
kante aus der
Zweckbestim¬
mung und den
althergebrachten
Gewohnheiten
herzuleiten und
zu zeigen, daß in
den meisten Fäl¬
len die schmük-
kende Zutat nur
eine Begleiter-
scheinungist,die
dem gerade herr¬
schenden Mode¬
stile angepaßt
wurde. Die vorgeführten Beispiele sind zugleich ein Beweis,
wie tief das Bedürfnis nach einer künstlerischen Durchbildung
gerade der Haustür die weitesten Schichten des Volkes durch-
drungen hatte, und daß das technische und künstlerische
Können der damaligen Handwerker es ermöglicht hat, diesem
Bedürfnis Rechnung zu tragen und Kunstwerke zu schaffen,
bei denen mit geringen Ausnahmen ein weises Maßhalten in
der schmückenden Zutat mit einem feinen Verständnisse für
die Wahl der richtigen Bauformen und schöner Verhältnisse
verbunden war.
Das neue Finanzministerialgebäude in Stuttgart.
Im Auftrag der Kgl. Domänen-Direktion und mit Genehmigung des
Kgl. Finanzministeriums wurde von den Architekten Eisenlohr & Weigle
im Dezember 1900 der Entwurf für ein neues Finanzministerialgebäude ge-
fertigt und nach Genehmigung der Pläne und des Bauaufwands durch die

(25) Tür mit schmalem Flurfenster in Middelburg,
Lange St. Pieterstraat.


Man findet diese Anordnung nicht
nur in Middelburg, sondern auch in
Vlissingen, in Groningen und bei
genauerer Durchforschung vielleicht
auch noch in andern holländischen
Städten. Die Verbindung dieser Tür-
architektur mit der des im ersten
Stocke darüber liegenden Fensters,
wie sie in der St. Pieterstraat in Middel-
burg (Abb. 25) durchgeführt ist, kann
als eine ganz besonders gelungene
Lösung betrachtet werden. (Die
Federskizze der Abbildung ist dem
Skizzenbuche des französischen Ar-
chitekten F. B o u t o n, betitelt»1 ’ Archi-
tecture aux Pays-bas« entnommen.)
Den Schluß dieser Studie möge
das ebenfalls am Ochsenmarkt in
Groningen gelegene Doppelportal
(Abb. 26, S. 57) bilden, in welchem
das überaus schlanke Verhältnis der
beiden Türen durch die Kuppelung
derselben gemildert ist. Die ganze
Anlage erhält durch den geräumigen
Vorplatz mit den gewundenen Trep-
penläufen und den Kellereingang
unter der Treppe ein recht male-
risches Gepräge und erinnert an die
ja zur Genüge bekannten, in Danzig
heimischen Beischläge.


Das neue Finanzministerialgebäude in Stuttgart.
I. Gesamtansicht.

Architekten: Eisenlohr & Weigle, Oberbauräte in Stuttgart.

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