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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 21.1905

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Heft 10
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Müller, Gotthard: Die Chorapsis der Neuwerker Klosterkirche zu Goslar
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Architektur und Kunstgewerbe auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1905
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1905

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 10



Ganz eigenartig sind an mehreren Kapitälen
der Vollsäulen die an den äußeren beiden
Ecken angebrachten Henkel, die teils noch
erhalten sind, teils sich durch die Bruchstellen
nachweisen lassen. Sie klingen in ihrer Eigen-
art an die Dienste der vier Hauptpfeiler des
mittleren Gewölbejoches im Langhause an;
in Höhe des Gurtgesimses nämlich bauchen
sich die Dienste, welche den teilenden Gurt
der Gewölbe aufnehmen, plötzlich aus. Die
nach dem Chor zu gelegenen tragen in der
so entstehenden Öse einen Steinring, und
zwar — wohl als Symbol der Ewigkeit —
eine sich in den Schwanz beißende Schlange.
Die beiden Pfeiler des Mitteljoches nach
dem Turme zu, die westlichen, bilden —
ohne Steinring — eine mit Fratzen verzierte
Öse.
Es mag dahingestellt sein, ob die zwischen
je zwei Fenstern der Apsis befindlichen »Rund-
fenster« ehemals zur Lichteinführung dienten.
Auf jeden Fall sind die jetzigen Füllungen
derselben nicht die ursprünglichen.
Im Rahmen der herrlichen Gartenanlagen,
die sich am alten Wall am Rosentore hin-
ziehen, ist die Neuwerker Klosterkirche eine
der schönsten Zierden Goslars, die dem vom
Bahnhof kommenden Fremden als erstes
Denkmal aus alter Zeit eine Vorahnung der
Architekturschätze der alten Kaiserstadt gibt.

Architektur und Kunstgewerbe auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1905.

ine gewisse Enttäuschung bemächtigt sich diesmal unwillkürlich
des den Architektursaal und die angrenzenden Räume des Kunst-
gewerbes Durchwandernden. Allzuviel und Überwältigendes ist
hier freilich nicht zusammengekommen, besonders nicht vom
Kunstgewerbe! DieArchitekturabteilung steht der Zahl nach wenigstens
mit ihren 70 Nummern hinter der vorjährigen (100 Nummern) stark zurück;
dazu fehlt die geschlossene Abteilung der dem Ministerium der öffentlichen
Arbeiten unterstehenden Bauten diesmal ganz, die im vorigen Jahre weitere
69 Nummern mit z. T. recht bedeutenden Blättern enthielt, so daß die dies-
jährige Architekturgruppe im ganzen nur zwei Fünftel der vorjährigen
Nummern aufweist und bequem in dem einen, in seiner vorigen Gestalt einer
zweischiffigen Säulenhalle belassenen Saale Platz gefunden hat. Und der
Inhalt dieser für eine große Berliner Kunstausstellung recht bescheidenen Zahl
vermag auf die größere Zahl der Besucher kaum die Wirkung auszuüben,
welche man im Interesse einer imposanten Vertretung der Architektur gerade
an dieser Stelle wohl wünschen möchte. Man glaubt eine gewisse Gleich¬


gültigkeit, eine Ausstellungsmüdigkeit zu verspüren. Man vermißt Große
und Großes, die den fesselnden Mittelpunkt bilden, die Gruppe zu einer
hervortretenden Gesamtwirkung einen könnten! Die zahlreichen tüchtigen
Einzelleistungen kommen so freilich vielleicht besser zur Geltung und die
eingehende Betrachtung verweilt gern bei den mannigfaltigen, durchweg
in schlichter Darstellung gegebenen Beweisen zielbewußten Schaffens, die
hier dargeboten sind.
Auch diese Ausstellung zeigt, mit welcher Hingabe und mit wie
großem, auf andern Gebieten kaum erreichtem Erfolge die künstlerische
Durchbildung des Einzelwohnhauses gepflegt wird. Eine Reihe von Ar-
beiten dieser Art läßt die rege Beteiligung erkennen, welche der Girardet-
sche Wettbewerb für ein Landhaus in Honnef a. Rh. gefunden hat, darunter
der mit dem 1. Preise gekrönte und in der Ausführung begriffene moderne
Entwurf von Frhr. von Tettau und ein an die überlieferte Bauweise an-
knüpfender von K. Ed. Bangert. Eine Landhausskizze von Josef Reuters
gibt unsre Abbildung auf Seite 77wieder. Hermann Goerke in Düsseldorf
hat die ansprechende Zeichnung eines Land-

Seitenkojen der Großen Berliner Kunstausstellung. Architekt: G. Rönsch in Berlin.


hauses in Hof ausgstellt (Tafel 73), An ton
Huber die Skizze zu einem Landhaus in
einfacher, schlichter Gestalt mit glattem
Holzwerk, das auf jede Effekthascherei ver-
zichtet. Bruno Möhring gibt den Ent-
wurf zu einem Landhaus an der Mosel,
dessen Gestalt unwillkürlich Erinnerungen
an die villenumkränzten Ufer italienischer
Seeen wachruft und zwischen den schindel-
und schiefergedeckten deutschen Fachwerk-
bauten des stillen Moseltals an die glanz-
vollen Zeiten der einstigen Augusta Trevi-
rorum gemahnen würde. Ein kleines
farbiges Modell desselben Künstlers stellt
ein Jagdhäuschen mit hohem Schieferdach
dar, das man sich gern in deutscher Wald-
gegend errichtet denkt. Ludwig Otte
überrascht uns durch einen in Formgebung
und Darstellungsweise von seinen sonstigen
Arbeiten abweichenden »Admiralsruhesitz
St. Barbara*, bei dem Anklänge an Schiffs-
kajüten das Leitmotiv gegeben haben. Hart
& Lesser endlich haben die Ansichten einer
umfangreichen Villa im Grünewald ausge-
stellt. Sie bringen auch als Beispiel vor-
nehmster Stadthäuser eine gute Aufnahme
des neuerbauten Palais von Israel in der
Bendlerstraße (Tiergartenviertel), das wir
demnächst ausführlich abbilden werden. Da-
neben ist das ebenfalls im letzten Winter voll-
endete Wohnhaus von Josef Fränkel in der
Massenstraße zu nennen,das AlfredBalcke
entworfen hat. Die Schmuckteile der vor-
nehmen Sandsteinfassade zeigen dieVorliebe
dieses Künstlers für spätrömische Motive.

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