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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 21.1905

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Heft 3
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Zetzsche, Carl: Friedhofkunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.44852#0027

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1905

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 3

Kaiser Friedrich - Museum in Berlin. Architekt: Geh. Oberhofbaurat C. Ihne in Berlin.
— Zu Seite 22. —


Friedhofkunst
Von C. Zetzsche in Berlin.

(Schluß.)

zht nur die unheimliche Größe und die nüchterne Ge-
samtanlage tragen die Schuld an der künstlerischen
Öde und Stimmungslosigkeit der neueren Kirchhofs-
anlagen. Auf den kleinen Friedhöfen der Landstädte und
Dörfer sieht es nicht besser aus und nicht selten überschreien
der grelle Mißklang der einzelnen Grabmäler, die aufdringliche
Pose und die Inhalt-


Mausoleum. Architekten: Reuwick,
Aus »Architects’ and Aspiuwall & Owen.
Buildefs’ Magazine«..


losigkeit des Einzel-
werkes die Lücken im
Zusammenklang der
ganzen Anlage.
Wie in der heu-
tigen Durchschnitts-
häuslichkeit herrscht
auch auf den meisten
Gräbern die Massen-
fabrikation, die Mode
und die Pose. Die
Mode und die falsche
Vorstellung von dem
»was man sich schul-
dig ist« erheischen das
vergoldete gußeiserne
Kreuz oder den Obe-
lisk aus geschliffenem
Granit. So stehen sie
denn in langen Reihen
auf dem Friedhöfe

nebeneinander mit den geringen Abweichungen gleich ver-
krüppelter Muster, wie sie vor dem Eingänge auf der Verkaufs-
stätte des Steinmetz-Fabrikanten nebeneinander standen. In der
Wiederholung wird selbst die nichtssagende, aber im einzelnen
noch erträgliche Form eines solchen Steines unerträglich. Spricht
doch daraus die ganze Hast und Gleichgültigkeit, mit der der
Denkstein beschafft wurde, ohne Rücksicht auf Geschlecht,
Stand, Alter, Wesen und Eigenschaften des Verstorbenen. Und
doch war nicht einer von allen denen, die darunter liegen, den
andern gleich! Nicht das eigene Empfinden der Hinterblie-
benen, nur das Musterbuch des Fabrikanten bestimmt die
Wahl, und die glatte Arbeit der Maschine und die gleichmäßige
Bepflanzung nach dem Tarif des Kirchhofgärtners vollenden
das Meisterwerk ödester Schablone und Konvention. Und wo
mehr angewendet wird, ist es zu neun Zehntel eitel Pose, was

herauskommt an schmückendem Beiwerk: abgeleierte Phrasen
in den Inschriften statt der Sinnsprüche, abgedroschene Ge-
meinplätze einer empfindungsarmen Oberflächlichkeit in den
Motiven der Schmuckformen und dem allegorischen Beiwerk.
Keine Spur von Eigenem, Persönlichem, das doch heute Trumpf
sein soll und nirgends so am Platze wäre wie gerade hier!
Man sagt wahrlich nicht mit Unrecht, daß im Vergleich
zu früher heute der Einfluß der Laien auf die plastische Kunst
größer, aber ihr Verständnis für deren Wesen desto geringer sei.
Gehen wir noch einmal über einen der alten Friedhöfe!

Dicht gedrängt stehen auch da die Grabsteine und gewisse
Leitmotive sind auch da den Werken derselben Zeit eigen.
Aber welche Gemütstiefe, welche wahrhaft poetische Empfin-
dung bezeugen diese einfachen Steine mit der Urne und dem

Tränenkrüglein aus der Zeit unsrer Großeltern, die trauernden
pausbäckigen Putten des Rokoko, welche tiefsinnig und kind-
lich zugleich den Totenschädel und das Stundenglas zwischen
ihren kleinen Fäusten betrachten, oder gar die ergreifenden
Szenen des Totentanzes, in denen die deutsche Renaissance
ihre ernsten Betrachtungen über die Vergänglichkeit alles Irdi-
schen so unvergleichlich verkörperte!
Sehen wir nur die kunstvollen Schmiedearbeiten an Grab-
kreuzen und Gruftgittern oder die schlichten und doch oft so
wundervoll gestalteten Holzkreuze auf den Dorffriedhöfen mit


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