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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 21.1905

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Heft 6
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Entwürfe für das Schillertheater in Charlottenburg
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Neue dekorative Bildhauerarbeiten von Ernst Hottenroth in Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.44852#0056

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1905

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 6

wobei das Aktienkapital statutengemäß nur
eine geringe Verzinsung erfährt. Angesichts
der hohen Berliner Theaterpreise und des
lebhaften Bedürfnisses der weiten minder-
bemittelten Bevölkerungsschichten nach guten
Theatervorstellungen, hat das gemeinnützige
Unternehmen sich in Berlin bestens bewährt
und seit einiger Zeit außer dem Stammhaus
im Osten ein zweites Schillertheater im Nor-
den Berlins im Betrieb. Eine 3. Bühne dieser
Art soll Ende 1906 in Charlottenburg eröff-
net werden.
Das Charlottenburger Schillertheater wird
auf einem Eckgrundstück an der Bismarck-
und Grolmannstraße erbaut. Nach dem Wett-
bewerbprogramm soll es etwa 1500 Sitzplätze,
ein geräumiges Orchester und ein mit allen
Einrichtungen für die Darstellung der großen
Tragödie versehenes Bühnenhaus enthalten.
Gewünscht wurden Lagerräume für Deko-
rationen, Kostüme und Requisiten, wenn auch
nicht für den Gesamtbetrieb, in der Nähe der
Bühne, gute, möglichst zahlreiche Zimmer
für die Verwaltung, ein Beratungs-, ein Lese-
und Bibliothekzimmer, ein geräumiger Maler-
saal, ein helles Konversationszimmerunmittel-
bar an der Bühne, ein Zimmer für den Re-
gisseur und einige Hauptgarderoben möglichst
zu beiden Seiten derselben, eine Wohnung
für den Hauswart und ein Probiersaal von
300—400 qm Grundfläche, der eventuell in
einem Nebenbau untergebracht und zugleich
zu volkstümlichen Unterhaltungen, Kunstaus-
stellungen und dergl. benützt werden könnte.
Zur besseren Verzinsung des Grund-
stückes sollten im Erdgeschoß einige Läden
vorgesehen und unabhängig von den eigent-
Herme mit Blumentopf. liehen Theater-Erfrischungsräumen möglichst
aus „Neue Bildhauerarbeiten dekorativer Art“ ausgedehnte Räume zum allgemeinen Re-
von Ernst Hottenroth. , , , • , w i j o
Verlag von Kanter & Mohr, Berlin. staurationsbetneb für Winter und Sommer
beschafft werden.
Die Architektur sollte im Gegensatz zu dem herkömmlichen Luxustheater
den Charakter des Volkstheaters »entsprechend dem sozialen Geiste der Zeit
und den Bestrebungen der Schillertheater-Gesellschaft« durch ein einfaches,
in würdigen Formen gehaltenes Haus unter Verzicht auf jeden überflüssigen
Prunk zum Ausdruck bringen. Die Wahl der Formen wie die Entscheidung
für Amphitheater oder Rangtheater war den Architekten anheimgestellt.
Die gesamten Baukosten durften einschließlich der inneren Einrichtung
des Zuschauerhauses und der Ausstattung der Bühne mit den notwendigen
Maschinen 1250000 Mk. nicht übersteigen.
Von den eingegangenen 4 Entwürfen (H. Seeling und Fellner & Hel-
mer hatten wegen drängender Arbeiten auf die Beteiligung am Wett-
bewerbe verzichtet) wurde der von Heilmann & Littmann eingesandte zur
Ausführung bestimmt, den wir nach Vollendung des Baues mit einigen
Einzelheiten unsern Lesern vorzuführen gedenken. Die Entwürfe von Geh.
Baurat Otto March und Reinhardt & Süßenguth geben wir auf den Tafeln
42 und 43 wieder. Beide Entwürfe verlegen die Hauptfront naturgemäß
an die 50 m breite Bismarckstraße.
Reinhardt & Süßenguth gingen bei ihrem Entwurf von der Ansicht aus,
daß das bei den neuern Theatern fast durchweg angewendete Rangsystem
den Bedürfnissen eines Volkstheaters nicht entspricht, bei dem sich Rang-
klassen nicht scharf abheben, sondern möglichst verwischen sollen. Das
ausgesprochene Amphitheater (Bayreuth und Prinzregententheater in Mün-
chen von Heilmann & Littmann) erfordere wesentlich größere Grundfläche
und damit erhebliche Mehrkosten und biete nicht durchweg günstige Seh-
verhältnisse, weil durch Wahl eines zu großen Kreisausschnittes für die
Sitzreihen der seitlichen Plätze das Bühnenbild auf der zugehörigen Seite
erheblich beschnitten wird. Die Architekten haben sich deshalb für einen
Mittelweg zwischen Amphitheater und Rangtheater entschieden, indem sie
außer den mit starker Anhöhung angeordneten Parkettsitzen noch einen
Rang anlegen, der gegenüber den üblichen Ranganlagen den Vorzug ge-
ringerer Höhe und somit besserer Sehverhältnisse hat. Seine Hauptplätze
liegen in der Rücklage und sind reichlich angehöht. Auf beiden Seiten
ziehen schmale Balkone mit 2 Sitzreihen sich bis zu den für die Direktion
und die Schauspieler beibehaltenen Proszeniumslogen.
Der Zuschauerraum ist in einem schmalen Kreisausschnitt angelegt,
der in der letzten (32.) Parkettreihe nur 24 m breit ist (beim Prinzregenten-
theater 35 m bei gleicher Entfernung (27 m) von der Bühne). Im Range
schiebt sich die letzte Sitzreihe noch 2,5 m hinter die letzte Parkettreihe.
Das Parterre hat 978, der Rang 422 Plätze. Sämtliche Sitzplätze haben
eine Breite von 55 cm (Polizeivorschrift 50 cm). Die Höhe des Zuschauer-
raums ist zu Gun-
stenguter Hörsam-
keit möglichst ein-
geschränkt. Die
Bühnenöffnung ist
13 m breit.
Der Zuschauer-
raum hat im Par-
kett und im Rang
je 14 Zugänge, das
Haus außer den
5 großen Ausgän-
gen in der Haupt-
front noch 5 eben-
solche in den Sei-
Verlag von Kanter & Mohr, Berlin.

Füllungsornament.
Aus „Neue Bildhauerarbeiten dekorativer Art“ von Ernst Hottenroth.




Fries am Naumannschen Mausoleum Architekt: O. Menzel
in Königsbrück. in Dresden.
Aus „Neue Bildhauerarbeiten dekorativer Art“ von Ernst Hottenroth. Verlag von Kanter & Mohr, Berlin.

tenfronten, davon 2 nach der Terrasse, 1 zum Restaurant und Garten und
2 nach dem mit der Straße unmittelbar verbundenen Hofe.

Die Magazine liegen in der Längsachse hinter der Bühne, darunter
Werkstätten und darüber der Probier- und Ausstellungssaal; letzterer ist
von der Grolmannstraße aus zugänglich.
Das Gelände ist auf beiden Langseiten des Gebäudes so tief gelegt,
daß die Hauswartwohnung und das große Restaurant im Sockelgeschoß
ebenerdig liegen. Für den Sommer bieten die darüberliegende Terrasse
und der Garten Raum für 1500 Personen.
Das Äußere ist in Putz aus hydraulischem Mörtel mit Schmuckteilen aus

angetragenem Stuck und einzelnen Teilen ausTuff- und Rogenstein, die Dach-
eindeckung aus plattiertem Kupferblech gedacht; das Innere dementsprechend

mit glatten Putzflächen mit wenig angetragenem Stuck und gezogenen Pro¬

filen in leichter Tönung
mit wenig Vergoldung. Die
Kostenberechnung nimmt
für 63480 cbm umbauten
Raum den Einheitspreis
von 19,60 Mk. an.
Der Entwurf des Geh.
Baurats March sieht 1440
Sitzplätze vor, von denen
690 im Parkett, 100 in
12 Logen, 290 auf der
Vorderempore und 360 auf
der Hinterempore liegen.
Die hinterste Logensitz-
reihe ist von der Bühne
24 m entfernt, die Sehne
des Kreisausschnittes mißt
hier 28 m. Proszeniums-
logen sind weggelassen
und dafür 2 große Luft-
schächte vorgesehen, von


Kapitäl am Naumann- Architekt: O. Menzel in
sehen Mausoleum in Dresden.
Königsbrück.
Aus „Neue Bildhauerarbeiten dekorativer Art“ von Ernst Hottenroth.
Verlag von Kanter & Mohr, Berlin.

denen der eine die vom Hofe entnommene, im Keller vorgewärmte frische Luft
zuführt und der andre die durch die offenen Setzstufen der seitlichen Parkett¬

zugangstreppen herausgedrückte schlechte Luft ableitet. Beide sollen an-
scheinend in die flache, über dem Zuschauerraum angeordnete Kuppel münden.
Während Reinhardt & Süßenguth die Hauptfront an die Straße gerückt
und so einen an der Grolmannstraße entlanggehenden Restaurationsgarten
gewonnen haben, hat March den Probiersaal über der Restauration an-
geordnet und beide in einem an die Bismarckstraße gelegten Nebenbau
untergebracht, das dadurch verkürzte Theater aber zurückgerückt und so vor
dessen Front an der Bismarckstraße einen geräumigen Garten gewonnen.
Der Kostenüberschlag ergibt bei 71167 qm für Theater-und Saalbau
den nicht mehr ausreichenden Einzelpreis von nur 18,88 Mk., so daß eine
Überschreitung der Bausumme vorauszusehen wäre, die allerdings durch
die erhöhte Miete des größer angelegten Saalbaus ausgeglichen werden
könnte. tz.


Neue dekorative Bildhauerarbeiten
von Ernst Hottenroth in Dresden.

n einer Artikelreihe »Neue Formen — deutsche Orna-
mentik« (19. Jahrgang, Heft 1—3) haben wir einen
Überblick über die vielgestaltige Auffassung und Be-
handlung des Or¬
namentes in der
Gegen wart zu ge¬
ben und darzutun
versucht, daß we¬
der die »noch nie
dagewesenen«,
gesucht eigenar¬
tigen Linienfüh¬
rungen Einzelner,
noch das Zurück¬
gehen auf unbe¬
holfene Formen



archaistischer

Kapitäl am Naumannschen Architekt: O. Menzel
Mausoleum in Königsbrück. in Dresden.
Aus „Neue Bildhauerarbeiten dekorativer Art“ von Ernst Hottenroth.
Verlag von Kanter & Mohr Berlin.

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