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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 21.1905

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Heft 4
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Sutter, Conrad: Die Architektur Olbrichs auf der Darmstädter Ausstellung im Sommer 1904
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https://doi.org/10.11588/diglit.44852#0036

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1905

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU_Heft 4




Es spricht sich
darin unzwei-
deutig der Wille
des Künstlers
aus, einen neuen
Weg einzuschla-
gen. Gegenüber
der sonst beinahe
bescheidenen
Zurückhaltung
in der Grundriß-
lösung, wobei
alle Mätzchen
und Pikanterieen
vermieden sind,
tritt dieser Zug
besonders mar-
kant hervor; er
eröffnet unsrer
Architektur ein
neues Gebiet, auf
welchem die
Baukünstler in

ihrer eigenen Art die Fähigkeit ihrer Gestaltungskraft erproben
können. In den weitaus meisten Fällen wird es allerdings

erfahren, um ohne weiteres beurteilen zu können, wo einzu-
setzen wäre, um allgemein befriedigende Bestimmungen auf-
zustellen, welche die angeregte künstlerische Lösung zulassen.
Jedenfalls aber müßte man mit aller Macht darauf hinarbeiten,
diese entsetzlichen, jeglicher künstlerischen Lösung direkt wider-
sprechenden s i cht bar en Brandmauern zu verabschieden, die
kein geschlossenes Straßenbild mehr aufkommen lassen und
nicht wenig zur traurigen Erscheinung unsrer heutigen Wohn-
hausarchitektur beitragen. Es kann diese Frage hier ebenso-
wenig ausgesponnen werden wie diejenige der bessern Hof-
gestaltung, zu welcher uns ebenfalls Olbrichs Häuser anregen,
aber ein gründliches, auch technisch-wissenschaftliches Studium
dieser in die Gestaltung der Baukunst und des Städtebaues
so stark eingreifenden Materie wird uns damit nahegelegt.
Mögen sich Berufene dieser Sache ernstlich annehmen.
Wenn die allgemeine Anordnung der Dreihäusergruppe
die sichere Eigenart einer durchaus künstlerischen Persönlich-
keit erkennen läßt, so ist es nur selbstverständlich, daß dieser
Eindruck durch den Aufbau, durch die architektonische Lösung
des Äußern, ergänzt wird. — Die naiven Äußerungen, wie
man sie, Olbrichs Häusern gegenüber, aus dem Publikum
hören kann, und welche, sich in den äußersten Extremen be-
wegend, dieselben entweder als »entzückend« oder als »ein-
fach scheußlich« erklären, können natürlich nicht als Urteil
in der Wertschätzung dieser Kunst herangezogen werden.


ein

darauf ankommen, daß die kollegiale Wert-
schätzung genügend stark ist, um
angeschlagenes Leitmotiv in eigener
Fassung weiterzuspinnen. Wenn
wir aber letzten Endes dar-
auf hinzielen, unsrer Bau¬
kunst neue Wege zu bah¬
nen, die aus der schema¬
tisch akademischen Stil¬
architektur herausführen,
wenn wir ernstlich ab¬
brechen wollen mit der
kopierenden Imitations¬
kunst und mit dem geisti¬
gen Diebstahl, der unser
Bauwesen durchseucht
hat, so werden es auch
bodenwüchsige, selbstän¬
dige Baukünstler sein,
welche unsre Straßenbil-

Es gibt viele, sowohl Laien als Leute, deren
Beruf das Bauwesen ist, und die daher
auf Grund ihrer bauwissenschaft-
lichen Kenntnisse als Sachver-
ständige angesprochen, ja
Künstler genannt werden,
welche einerseits durch
langjährige Gewöhnung,
anderseits durch die Er-
ziehung nach den dogma-
tischen Grundsätzen einer
reinen Stillehre zu einem
völlig akademischen Be-
griffe über Schönheit und
Zulässigkeit architektoni-
scher Formen gekommen
sind. Diese oft sehr
ernsten Leute, welche
einesteils aus dem Born
allgemeiner höherer

der beherrschen und ihre

Hofansicht. (Graues Haus, Eckhaus, blaues Haus.)

Kunst angliedern, unter- oder überordnen können, je nach
der zu lösenden Aufgabe. — Wenn wir heute unsre Straßen
durchwandern, in denen die Alten in schwachen Nachahmun-
gen zu einer Scheinauferstehung gezwungen werden sollen
und wo der »Jugendstil« in schrecklichen Mischformen mit
den alten Stilen seine Orgien feiert, so muß man sich dem

Architekt: Professor Jos. M. Olbrich in Darmstadt.

Bildung schöpfen, andern-
teils durch akademisch-technische Hochschulbildung sich ein
reiches Wissen und oft ein bedeutendes Können angeeignet
haben in der Verwertung der Kunstsprachen vergangener
Zeiten, welche je nach der Entfernung von unsrer eigenen
Gegenwart, mehr oder weniger als klassisch bezeichnet und
geschätzt sind, — diese Leute werden den rein persönlichen

Wunsche aufrichtiger Künstler anschließen, deren
Sehnen dahin geht, daß alle Bauten, die naturnot-
wendig der Bauindustrie verfallen sind, also die
größte Zahl der Miethäuser, auf die allereinfachste
Form zurückzuführen seien. Wo dann die hohe
Kunst absichtlich unterdrückt ist, dort könnte dem
Techniker eine nach rein künstlerischen Begriffen
aufgestellte Bauvorschrift den Weg zeigen, wie man
die einfachen Glieder der Kette, welche die Perlen
der Baukunst in den Straßen verbindet, zweckmäßig
und doch gefällig gestaltet. Dieser Weg würde auch
wieder zu einfacher Ehrlichkeit führen, welche alle
unwahren Vorspiegelungen und alle Verlogenheit
der äußeren Erscheinung unmöglich macht.
Das scheinbare Ineinandergreifen der Olbrich-
Häuser und namentlich deren tatsächliches Zu-
sammenwachsen in den Dächern stünde allerdings
für die allgemeine Anwendung in einem starken
Widerspruch mit unsern bau- und feuerpolizeilichen
Bestimmungen. Ich bin zu wenig »feuersicher«

Blaues Haus und Eckhaus. Architekt: Professor Jos. M. Olbrich in Darmstadt.


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