Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 21.1905

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Sutter, Conrad: Die Architektur Olbrichs auf der Darmstädter Ausstellung im Sommer 1904
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44852#0038

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1905

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 4


Das blaue Haus. Architekt: Professor Jos. M. Olbrich in Darmstadt,
der als stärkste Note das Bild beherrscht Am unteren Teil
des Hauses, über den man vom Garten her einen intimen
Blick gewinnt, ist der architektonische Schmuck in einem
breitgelagerten Erkerbau zusammengefaßt, der durch die Art
seiner Form zugleich das Vermittlungsglied zwischen der um-
gebenden Natur des Gartens und dem Hause bildet.
Sowohl dieses helle, nur von einigen rotbraunen Lisenen
durchzogene Eckhaus mit seiner sicheren, würdigen Behag-
lichkeit, als das in freundlicher Sauberkeit erstrahlende »blaue«
Haus geben Kunde davon, daß sie errichtet wurden, um Be-
wohner derjenigen gebildeten bürgerlichen Kreise aufzunehmen,
welche, jenseits der Luxusgrenze stehend, einer verfeinerten
Auffassung der Lebensweise anhängen. Ohne daß sie für
einen bestimmten Besitzer erbaut sind, gewinnt man aus ihnen
den Eindruck einer besonderen Gattung, ja nahezu eines ins
Typische übertragenen persönlichen Charakters. Besitzt der
Architekt eine gute Geschmackskultur für die Lebenshaltung,
so versteht er die Form zu finden, welche dieser Klasse von
Bewohnern — wiederum typisch entspricht.
Das blaue Haus zeigt eine vornehme Farbenkombination.
Auf der blauglasierten Mauer, welche sich bis unter die Fen-
ster des Oberstockes zieht, steht ein grauer Erker mit ver-
goldeten Fenstergittern. — Darüber erhebt sich ein weißge-
putzter — vielleicht etwas zu schwerer — Giebel in der Form
des gebrochenen Daches, der von blendendweißen und stark
vorspringenden Profilen umrahmt ist. Die bedeutenden Farben-
unterschiede der Häuser sind in den Ziegeldächern durch ein
einheitliches lichtes Rotbraun aufgehoben.
Wie die Hofseiten, als vereinfachte Spiegelbilder der

Straßenfassaden, zu einer guten und geschlossenen Wirkung
zusammengezogen sind, bietet ein beherzigenswertes Beispiel
für die künstlerische Behandlung der Höfe, dieser Stiefkinder
unsres heutigen Bauwesens. Die beigegebenen Pläne und
Ansichten geben dem Fachmann Aufschluß über alle ihn
interessierenden Detailfragen. Den Eindruck, den mir Olbrichs
Werk gab, versuchte ich hier zu schildern, die Form selbst
muß das Bild geben.
Daß Olbrich es versteht, Innenräume nach ihrer Zweck-
bestimmung zu gestalten, ist, glaube ich, eine anerkannte Tat-
sache. Er hatte — mit ganz geringen Ausnahmen, wie etwa
in der zugleich als Hauskapelle ausgebildeten Amtsstube des
Hofpredigers, — kaum Gelegenheit, besonders architektonisch
gestaltete Räume zu schaffen. Alle Räume aber sind in ihrer
behaglichen Schlichtheit der schon erwähnten Bestimmung
angepaßt und untergeordnet. Äußeres und Inneres schließen
sich jeweils zu einem Ganzen zusammen. Mit den einfach-
sten Mitteln ist hier gearbeitet. Eine große Reihe von Decken
zeigt das einfach behobelte und dezent farbig behandelte Kon-
struktionsbalkenwerk. Andre sind mit nahezu glatten, nur


Einfriedigung des Eckhauses. Architekt: Professor Jos. M. Olbrich in Darmstadt,
leicht ornamentierten Stuckdecken versehen. Die allermeisten
Wände sind in verschiedenartig gestimmten Farbentönen ge-
strichen, welche nur hin und wieder höchst bescheidene
Musterungen beleben. Alles ist organisch entwickelt und struktiv
gestaltet. Eine Eigentümlichkeit Olbrichs liegt in der Behand-
lung seiner Treppengeländer, die er zu förmlichen Gitter-
wänden aus wachsen läßt; damit, glaube ich, verdirbt er sich
gerade die der Treppe eigentüm-
liche Wirkung.
Als der Hochsommer mit strah-
lend blauem Himmel die eben zur
Ausstellung fertiggestellten Häuser
umgab, als die alten Bäume grün-
ten, als Busch und Strauch im vollen
Sommerkleid standen und der Blu-
men Blütenpracht Teppiche in die
Gärten legte, die Häuser zierte, da
bot sich ein leuchtendes farben-
reiches Bild, von dem man keinen
Ton missen wollte. Doch als die
Blätter fielen, die Farbenpracht der
Gärten verschwand und das ganze
Bild auf graugetöntem Himmel
stand, dünkte mir, als ob es sich
auch jetzt zusammenschließe und
nichts vermissen lasse. Wie die
Jahreszeiten wechseln und wech-
selnde Bilder bringen, so ziehen
auch die Jahre dahin, aber die echte
Kunst wird alles überdauern und
bestehen bleiben und aus ihr wer-
den neue Keime und Triebe Blüten
und Früchte treiben.


_

Empfangszimmer des Präsidenten für das Regierungsgebäude in Bayreuth.
(Ausstellung in St. Louis. Deutsche Kunstgewerbeabteilung.)

Architekten: Oebr. Rank in München.

28
 
Annotationen