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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 21.1905

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Architektonische Rundschau

2. Beilage zu Heft 1. 1905

Alleinige Inseratenannahme bei Rudolf Mosse, Annoncen-Expedition für sämtliche
Zeitungen Deutschlands und des Auslandes, Stuttgart, Berlin, Breslau, Dresden,
Düsseldorf, Frankfurt a. M., Hamburg, Köln, Leipzig, Magdeburg, München,
Nürnberg, Prag, Strassburg, Wien, Zürich.

Insertionspreis 25 Pf. für die
> viergespaltene Petitzeile. $


Krankenkassengebäude in Brünn.
(1) Gesamtansicht.

Architekt: Hubert Oeßner
in Wien.

Krankenkassengebäude in Brünn.
Architekt: Hubert Geßner in Wien.

Die Altstadt Brünn ist noch lange nicht so häßlich, wie die Sage erzählt.
Wir finden Stadtplätze, edle Plastik, kleine Paläste, Wohnhausbauten,
Kirchen, Höfe aus alter Zeit, die in verwitterten Zügen ein anmutiges
Kunst- und Kulturbild überliefern. Aber gerade dieses anmutige Kunst-
und Kulturbild ist es, das die Leute gemeiniglich als häßlich verschreien.
Der Eifer, mit dem sie dieser angeblichen Häßlichkeit den Garaus machen,
ist nicht weniger befremdlich, als der maßlose Unverstand, der bei den
Neubauten am Werke ist und es sicher in kürzester Zeit dahin gebracht
haben wird, daß



(2) Vestibül.

Brünn den Ruf einer
ausnehmend häß-
lichen Stadt nicht mehr
unverdient genießen
wird.
Findet man aber
unter den Neubauten
ein Werk, das aus
seiner Umgebung an-
genehm herausfällt,
und durch Vorzüge
fesselt, die auch in
jeder besseren Um-
gebung unverminderte
Geltung bewahren,
dann ist das Vergnügen
freilich um so größer.
Ein solches Bauwerk
ist das Brünner
Krankenkassenge-
bäude in der Franz
Josephstraße, das der
bekannte Wiener Ar-
chitekt HubertGeßner,
der sich durch den Bau
des Wiener Arbeiter-
heims und der Czerno-
witzer Sparkasse einen
guten Namen gemacht,

(3) Wohnungseingangstür.

erbaut hat. Über diesen Brünner Bau ist
mehreres zu sagen. Die Fassade fällt zunächst
auf. Eine Fassade in Ziegelrohbau mit Ver¬
wendung von glasierten Ziegeln und Hau-
stein, der Sockel ist aus Kunststein. Für das
Vorteilhafte dieser Fassade sprechen mehrere
Gründe. Es entfällt die Reparatur. Und eine
Materialwirkung ergibt sich, die einfach ist,
würdig und charakteristisch. Und nicht teurer
ist sie als Putzfassade, weil jede Art von Bild-
hauerarbeit sowie die Rente für die jährlichen
Reparaturen entfällt. Das Haus ist mit einem
Falzziegeldach eingedeckt, davon der Mittel¬
bau grün glasiert ist. Tritt man ein, dann
findet man massive Treppen aus Brünnlitzer
Stein hergestellt und Vorlegestufen aus Granit.
Hier im Vorderhaus sind Geschäftslokale und
Mietwohnungen: Wohnungen mit drei Zim¬
mern, Vorzimmer, Küche, Bad, Dienerzimmer,
Speise, Klosett, je einem Klopfbalkon, vom
Vorzimmer aus zugänglich, Brettlfußböden in
den Zimmern, in den Nutzräumen Granitto-
böden, Fenster mit Jalousieen und Flügeltüren.
Am Dachboden befindet sich ein Baderaum
für sämtliche Dienstboten des Hauses, Wasch¬
küche, Bügelzimmer und Klopfterrasse. Es
ist also ein sehr komfortables Haus. Der Baugrund war tief und zog sich
nach dem Gartengrund hin, daher sich eine Lösung von zwei hintereinander-
liegenden Trakten, verbunden durch eine Treppe, ergab. In dem rück-
wärtigen Trakt nach dem Garten hin befinden sich die kleineren Wohnungen
mit je zwei Zimmern, im übrigen aber gleichartig ausgestattet.
Um eine bessere Verzinsung des Baukapitals zu erlangen, wurden in
der Gassenfront Geschäftslokale vorgesehen, und die Krankenkassenlokali-
täten in das Parterre des Gartentraktes verlegt. Ein separater Eingang,
von den Hauswohnungen gänzlich isoliert, führt in die glasbedeckte Vor-
halle, die in den allgemeinen Parteienraum mündet. Die Anlagen der ge-
samten Bureaus ist eine zentrale. Die Räume gruppieren sich um den
Parteiensaal als Zentralraum in zweckmäßiger Weise herum. Da ist das
Meldeamt, zugleich Sitzungszimmer, das Kassenzimmer, die Buchhalterei,
das Sekretariat, das Ordinationszimmer samt An- und Auskleideraum, die
Beamtengarderobe mit Toiletten in direkter Verbindung mit den Bureaus
und von der Straße aus zugänglich, abseits von den Privatwohnungen.
Alle Bureaus sind massiv scheitrecht eingewölbt, mit Eichenbrettlböden
versehen, im Entree Granitto, die Fenster mit Spalet, Parapett- und Zier-
verkleidung, Jalousieen und mit Stahlrollbalken zum Schließen. Eine Dampf-
niederdruckheizung wärmt die Räume. Auch die sonstige Ausstattung ist
freundlich, einfach und zweckmäßig und verdient besondre Erwähnung,
weil sie musterhaft ist. Die Wände sind mit Eichenholz bis zu einer ge-
wissen Höhe vertäfelt, daran schließt sich auf 1,76 m Höhe eine Wand-
bekleidung aus Fayenceplatten, die einen ebenso praktischen als wirkungs-
vollen Schmuck ergeben.



Es gibt Gemüter, die ihre Genüsse mit Zahlen würzen müssen. Die
mögen sich vor allem vor Augen halten, daß unser Gebäude im Gassen-
trakt drei Geschäftslokale mit drei Öffnungen und zwei Magazinen, ferner
acht Wohnungen mit drei Zimmern und Zubehör in den Etagen aufweist.
Im Gartentrakt befinden sich im Souterrain ein geräumiges vermietbares
Lokal, in den Etagen vier Wohnungen mit je zwei Zimmern und Zubehör,
zwei Wohnungen mit je einem Zimmer und Kabinett, eine Wohnung mit
einem Zimmer und Zubehör. Außerdem sind daselbst die geschilderten Kran-
kenkassenbureaus und eine Portierwohnung mit Gassenladen. Die darauf
entfallenden Baukosten verteilen sich nun in der Art, daß auf den Neubau
151000 Kronen, auf die Ausstattung der Krankenkasse 8000 Kronen, auf
 
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