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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 18.1948/​1950

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Dauber, Albrecht: Zur Besiedlung im Karstgebiet nördlich Pforzheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.42247#0135

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Zur Besiedlung im Karstgebiet nördlich Pforzheim

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Wesentlich vollständiger als die bisher behandelten vorgeschichtlichen Zeit-
stufen ist die Zeit der römischen Besetzung auch in unserem Gebiet durch
Funde vertreten * * * * 8). Wir dürfen darin nur teilweise ein Zeugnis für den Um-
fang der eigentlich „römischen“ Besiedlung sehen. Gerade die neuesten Funde
von Pforzheim erinnern wieder deutlich daran, wie stark sich hinter der Fas-
sade der römischen Zivilisation die nichtrömische Grundbevölkerung verbirgt.
Wir müssen also in der römischen Besiedlung unseres Gebietes mindestens zum
Teil auch die vorrömisch-keltische erblicken 9) und das in der Fundkarte sich
andeutende weitere Vorrücken gegen die Karstflächen wenigstens teilweise als
Weiterwirken einer Tendenz ansehen, die uns schon in dem Siedlungskeil der
Grabhügelkulturen am Erlenbach sichtbar wurde.
In großem Umfang ist ein Vorrücken der Siedlungsfront indes kaum festzustel-
len. Lediglich im Norden schieben sich die römischen Villen von Nußbaum und
Bauschlott, beides bedeutendere Anlagen, unmittelbar an den eigentlichen
Karststreifen heran. Sie liegen im Bereich größerer Vorkommen von unterem
Keuper, den wir als Ausgangspunkt des oberflächlichen Gewässernetzes schon
kennen lernten, und benützen lokale Wasseraustritte. Dasselbe gilt von der
erst jüngst aufgefundenen römischen Villa bei Eisingen, die unmittelbar am
Westrand des Karststreifens liegt. Hier hat ein kleiner Grabenbruch die was-
serführenden Keuperschichten abgesenkt und das Entstehen des „Huchenfelder
Brunnens“ ermöglicht, der dem Hof das nötige Wasser bot. Einzelhöfe mit
kleinem Wasserbedarf wagen sich also bis unmittelbar ins Karstgebiet vor.
Bis zu diesem Punkt läßt sich der Ablauf der Besiedlungsgeschichte als ein
kontinuierlicher Ausbauvorgang auffassen, der seinen Antrieb von dem langsam
wachsenden Raumbedarf her erfährt und von vorsichtiger Beurteilung der Le-
bensgrundlagen des jeweils erfaßten Siedlungsraumes gesteuert wird. Mit der
Eroberung zunächst des Dekumatlandes durch die Alamannen erfährt jedoch
dieser Vorgang einen jähen Abbruch.
Zweifellos bedeutet diese Eroberung nicht eine völlige Entleerung des einge-
nommenen Raumes von Menschen. Es gibt auch für diese Zeit Gründe genug,
mit dem Weiterleben einer Restbevölkerung zu rechnen, wenngleich die ver-
änderten Verhältnisse sie noch gründlicher unserer Erkenntnis entziehen, als
dies bei der einheimischen Bevölkerung in römischer Zeit der Fall ist. Aber
das Weiterwirken der Unterschicht besteht jetzt viel mehr im Bewahren und
Weitergeben eines abstrakten Erbes, als in der umformenden und angleichen-
den Einflußnahme auf das Neue. Am wenigsten hat sie jedenfalls auf den-
jenigen Vorgang einen Einfluß genommen, der hier im Vordergrund der Be-
trachtung steht, nämlich auf die Siedlung selbst und die Landverteilung 10).
Der archäologische Niederschlag der frühdeutschen Siedlungsschicht, die Reihen-
gräber, fehlt in unserem Gebiet fast ganz. Nur von seinem Süd- und Ostrand
ist je eine Reihengräberfundstelle bekannt: Niefern und Erlenbach. In beiden
Fällen scheint es sich um die Friedhöfe von Ausbauorten an den Grenzen alter

8) Die Gründe dafür sind bekannt und vom Verf. neuerdings zusammenfassend und
in ihrer Wirkung auf das Fundbild behandelt worden (A. Dauber, Der For-
schungsstand als innere Gültigkeitsgrenze der Fundkarte, Festschrift für E. Wahle
(1950) 94 ff.).
8) Vgl. O. Paret in: Römer in Württemberg III (1932) 15 f.
io) Anders sieht dies K. Schumacher (Siedelungs- und Kulturgeschichte Rheinhessens,
Mainzer Zeitschr. 15/16, 1920/21, 1 ff.), der jedoch mehr die andersartigen Ver-
hältnisse links des Rheins im Auge hat.

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