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findet heute statt. Die Queues vor den Theatern
sind bereits ansehnlich lang und der Zudrang zu
den verführerischen Preisen der Klctterbäume, den
Gratisspenden der Ballone, den militärischen Sze-
nen, wo man allen Schaudern des Krimmfeldzugs
für einige Rippenstöße beiwohnen kann, dem Feuer-
werke u. s. w., wird gleichfalls nicht gering sein.
Das Wetter ist kühl und dem Feste — bis jetzt
— günstig.
Großbritannien.
London, 14. Juni. Die Hinrichtung Pal-
mers hat heute früh in Stafford, in Anwesenheit
von einer aus fern und nahe zusammengeströmtcn
Menschenmenge, die man auf nabe an 30,000
Köpfe schätzt, stattgefunden. Der Verurtheilte hat
kein Geständniß abgelegt und bewahrte seine merk-
würdige äußere Ruhe bis zum letzten Augenblicke.
Nußland.
Man liest im ,/Journ. de Constant." vom
5. Jumi: Die Räumung der Krimm Seitens der
Alliirten hat — nach den letzten Berichten vom
29. Mai — neuerdings namentlich bei den Fran-
zosen wieder an Beschleunigung zugenommen. In-
fanterie, Kavalerie, Artillerie und Material wird
von ihnen zugleich cingeschifft; denn der Wunsch,
in ihr Vaterland zurückzukommen, gönnt ihnen
nimmer Ruh' noch Rast. Die Engländer hatten
45 Bataillone in der Krimm, wovon 21 bereits
abgegangen sind. Vier englische Divisionen sind
noch immer mit dem Transport der russischen Ku-
geln beschäftigt. Jeder Soldat transportirt deren
täglich drei bis an den Anfang der Balaklava-
Eisenbahn, wo sie dann hinab rollen und als Bal-
last eingeschifft werden. Mit den Kanonen der
Karabelnaja verfuhr man ebenso. Wegen der Ei- !
senbahn ist man mit den Russen, welche sie auf
einem noch nicht bestimmten Punkt der Krimm an-
legen möchten, in Unterhandlung. In Folge der
großen Hitze sind unter den Alliirten mehrere Fic-
berfälle vorgefommen. Mit den Tartaren gehen
die Russen so schlecht um (und die Zusicherungen
im Kongresse!?!), daß Liese sich zahlreicher, als
je, bei Len Alliirten einstellen, von welchen sie
ohne Ausnahme gratis nach Ler Türkei und na-
mentlich nach der Dobrudscha übergesicdelt werden.
Der englische General Mitchell, welcher das eng-
lisch-ottomanische Kontingent zu Kertsch befehligte,
ist in Konstantinopel eingetroffen. Der englische
Feldmarschall Gough ist nach der Krimm abgegan-
gen, um an viele französische und englische Offiziere

und Soldaten Namens der Königin von England
Bath-Orden und Militärmcdaillcn zu verthcilcn.
Vermischte Nachrichten.
Stuttgart, 16. Juni. Gestern endlich ge-
lang es Hrn. Werzinger, seine projektirte Luftfahrt
Lurchzusetzen. Der Himmel war ihm aber wieder
nicht günstig. Nachdem schon den ganzen Tag
über das Wetter mehr oder minder zweifelhaft ge-
wesen, erhob sich gegen 5 Uhr ein heftiger West-
wind, der den schon beinahe gefüllten Ballon, ob-
gleich noch an Strick festgehalten, hin- und her-
warf. Immer dunkler wurden die über das Thal
hcreinziehenden Wolken und immer heftiger ter
Wind. Der Luftschiffer ließ sich aber nicht dadurch
irre machen und schickte sich bereits an, mit einem
Herrn und einer weiblichen Begleiterin die Reise
anzutrcten, als der Ballon sich plötzlich in die
Höhe hob und Hrn. Werzinger eben nur noch
Zeit blieb, in die Gondel zu springen. Mit rapi-
der Schnelligkeit ging Ler Ballon, der Richtung
des Windes folgend, von Westen nach Osten über
die Stadt weg, Anfangs aber noch so tief, daß
der kühne Schiffer zwei- oder gar dreimal nahe
daran war, gegen ein Kamin und den Giebel von
hohen Gebäuden geschleudert zu werden. Es war
ein ergreifender Anblick, Len Mann in dieser ver-
zweiflungsvollen Lage zu erblicken, fast aller Mittel
beraubt, sich, so weit es unter solchen Umständen
möglich ist, gegen Eventualitäten zu schützen; denn
die Vcntilklappe soll beschädigt worden sein, auch
soll er gleich Anfangs den Fallschirm beim An-
streifen an einem Haus, sowie auch seinen Hut
verloren haben. Dann mußte er erst unterwegs
eines Ler Seile, dessen er wahrscheinlich bedarf,
um die Gondel in gehörigem Gleichgewicht zu
halten, erhaschen; denn man sah deutlich, wie er
danach langte und sich abmühte. Die allgemeine
Beklemmung wich erst, nachdem der Ballon eine
gewisse Höhe erreicht hatte, und sich nun offenbar
oberhalb Ler ihm feindlichen Luftschichte befand;
denn jetzt stieg er ganz gerade und in gemessener
Geschwindigkeit in die Höhe und verlor sich allmä-
lig im Dunste der höher stehenden Wolken. Heute
Morgen hatte sich hier die Sage verbreitet, der
Ballon nebst seinem Herrn sei jpurlos verschwunden;
dies hat sich aber glücklicher Weise nicht bestätigt,
indem Hr. Werzinger schon gestern nach Mitternacht
wieder hier ankam, nachdem er um 6V§ Uhr etwa
eine halbe Stunde von Eßlingen sich niedergelassen
hatte. Er war also etwa Stunden in der Luft
gewesen, da er ungefähr um LV2 Uhr von hier
aufgestiegen war.

Verantwortlicher Herausgeber N. Adlon. — Druck und Verlag von N. Adlon in Heidelberg.
 
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