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Das Buch für All e.

L)ktt 3.


Neulich sitze ich in meinem alten Sorgenstuhle
vor meiner Staffelei, worauf das Bild meiner heiß
geliebten Amalie, in düstere Betrachtungen ver-
sunken —,


Dann aber setze ich meinen alten Filz auf und
stürme in Windeseile die fünf Treppen hinunter
und hinüber in die Neugasse zu Goldmann mit der
Freudenbotschaft.


Nun aber rasch einen andern Menschen an-
ziehen! Zunächst zum Friseur — das Allerneueste
selbstverständlich.

Ich nehme nun eine Droschke, erster Güte na-
türlich — zu Goldmann, Neugasse —Kunsthandlung.


Humoristisches.

Der schöne Traum. Gw-.
Von W. Hrögler.




denn der alte reiche Kunsthändler Goldmann, ihr
Papa, will natürlich von mir nichts wissen und
hat mir erst kürzlich das Haus verboten. Dar-
über schlummere ich ein und hinüber geht es in
das Reich der Träume.

Da — träumt mir — stürzt die alte Haus-
meisterin herein mit einem Zeitungsblatt. „Herr
Meyer, Herr Meyer, Ihr Loos Nro. 79,999 ge-
wann den Haupttreffer in der Hamburger Lotterie."

Ich schaue nach — richtig, es ist kein Zweifel,
Nro. 79,999, mein Loos, gewinnt 100,000 Mark,
In der freudigen Aufregung umarme ich die alte
Hexe — zum Glück nur im Traum.


Da steht wie immer der dicke Portier Müller
mit dem Vulldoggesicht vor der Thllre. „Bedaure —
darf Sie laut Instruktion nicht vorlassen. — Was!
Haupttreffer gewonnen — Larifari — Schwindel
kennen wir schon!"

Na wart', elende Vedientenseele, denk' ich und
gehe; doch zunächst wird das Veruünftigste sein,
ich hole mir mein Geld. —



Das war ein Gefühl — wie ich die 100,000 Mark
in blanken Tausendmarknoten in mein Skizzenbuch
steckte, es war der schönste Moment meines Lebens.


Mit meiner neuerworbenen Gigerlphysiognomie
eile ich dann in das


große Herrengarderobegeschäft von Hose k Cie.
Innerhalb einer Viertelstunde

war ich vom Kopf bis zum Fuß ganz English-
man - der reine Prinz von Wales.



„Mr. Goldmann!" schnauze ich den dicken Müller
an — der schnappt zusammen wie ein Taschen-
messer. „Bitte, Mylord — wollen Sie sich nur hin-
aufzubemühen die Gnade haben."


Der alte Goldmann kennt mich nicht gleich.
Wie ich ihm die Geschichte erzähle, ist er der
liebenswürdigste Mensch — rüst seine Amalie. —
„Hier, Kinder, habt ihr einander" — und ich will
gerade den Verlobungskuß auf ihre keuschen


Lippen drücken da macht's einen schauerlichen
Krach — ich erwache — und da liege ich auf den
Trümmern meines alten Lehnstuhls, die Staffelei
mit Amalie auf mir, und in der Thüre steht die
Hexe von Hausmeisterin und präsentirt mir höh-
nisch die halbjährige Miethsrechnungmit 120 Mark.
 
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