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159

Ljrft 6.

Das Buch für Alle.

(Nachdruck verboten )
Glimvokdt «nv das Lischrücken. Zur Zeit, als das
s-ischrückcn grassirte, beschäftigte mau sich auch am Hofe zu
au welchem sich Alexander v. Humboldt gerade aufhielt,
unausgesetzt damit und peinigte den großen Naturforscher um
eine Erklärung dieses Phänomens, die er jedoch lange Zeit
höflichst ablehnte.
Eines Abends trat der Prinz L. aus einet» Nebenzimmer
w den Salon, in dem sich Humboldt befand, ging eiligst auf
Pesen zu und rieft „Excellenz, jetzt habe ich es mit meinen
eigenen Augen gesehen! Dort drinnen tanzt ein Tisch im
Zimmer umher und zwar so schnell, daß die Damen ihm kaum
uachfolgen können! Nun, was sagen Sie dazu?"
„Was soll ich sagen," antwortete Humboldt, „der Klügere
gibt eben endlich nach." W H.
. Wechselseitige Wätigkeit. — Der humoristische Roman-
schriftsteller Robin begegnete einst dem Dichter Viktor Hugo
ur einem kleinen Badeorte. Voll Freude, einen Bekanntet! aus
mw Hauptstadt getroffen zu haben, eilte er auf denselben zu
Und schüttelte ihm die Hand. Viktor Hugo aber, der gerade
Pne neue größere Arbeit plante, erwiederte zerstreut den Gruß,
ichritt einige Zeit grübelnd und schweigsam neben Robin her
ssssd sagte endlich: „Lieber Kollege, ich habe eine Bitte —
srne dürfet! mir aber dieselbe nicht übeldcuteu; wenn Sie mir
vormittags auf der Promenade begegnen, lassen Sie mich
ullein, denn bis zwölf Ilhr Mittags muß ich denken!"
Robin sah Viktor Hugo einen Augenblick an, dann reichte
or ihm die Hand und antwortete: „So sage ich Ihnen denn
-ebewohl!"
„Lebewohl? Sie bemerkten mir doch soeben, daß Sie hier
uier Wochen zu verbleiben gedächten!"
„Das stimmt auch!" sprach nunmehr Robin; „aber da
^ie, lieber Kollege, Vormittags denket! und ich Nachmittags,
u»d Keiner von uns Beiden gestört sein will, so werden wir
uns eben an dieser Stätte nie wieder sprechen. Auf Wieder-
sehen in Paris!" —dn-
Das Men vor dem Schlafengehen. — Viele Leute, ob-
wohl nicht wirklich krank, bleiben unter dem Durchschnittsmaß
Ur Kraft und allgemeinem körperlichen Befinden, und manche
Merzte sind der Ansicht, daß daS Fasten während des
langen Zwischenraumes zwischen Frühstück und Mittagsbrod,
Uud namentlich die vollständige Leere des Magens während
ms Schlafes wesentlich zu der Abmagerung, Schlaflosigkeit
"ad allgemeinen Schwäche, denen wir so oft begegnen, bet-
ragt. Die Physiologie lehrt uns, daß im Körper eine fort-
währende Erneuerung der Gewebe vor sich geht, mögen wir
ühlafen oder wachen ; daher können wir logischerweise nur an-
hehinen, daß besonders bei Jenen, die an Kräften unter dem
^urchschnittsmaße stehen, die Zufuhr von Nahrung gewisser-
Ulaßen ohne Unterbrechung sein sollte, wenn wir Abmagerung
"ud Abnahme der Lebenskraft hintanhalten wollen. Während
"»» sowohl Leibesbewegung als geistige Beschäftigung samuit
öP Kräfteabnutzung durch daS eine sowohl als das andere
Während des Schlafes aufgehoben sind, wohingegen die Ver
öauuug, die Assimilation und ernährende Thätigkeit bei zuvor
Pugenommener Nahrung ihren ungestörten Fortgang nehmen,
kommt die durch diese Nahrung erzeugte Lebenskraft ganz
mm Organismus zu Gute und zunehmendes Körpergeivicht
lammt vermehrter Kraftfülle sind das Resultat.
Alle Lebewesen, der Mensch ausgenommen, werden von!
Natürlichen Instinkt beherrscht; jedes mit einem Magen ver-
l-üene Wesen aber nimmt vor dem Schlafe Nahrung zu sich,
Nur der Mensch nicht, und selbst das menschliche Kind, vom
dämlichen Instinkt wie die Thiers geleitet, saugt, bevor es
°U!schläft.
Die Verdauung bedarf keiner Pausen der Ruhe, und wenn
me während eines Tages eingenommene Nahrung sowohl in
Quantität als Qualität die physiologische Grenze nicht übcr-
chreitet, so macht es für den Magen keinen nachtheiligen
Unterschied, ob die Zwischenräume zwischen den Mahlzeiten
>üehr oder weniger, ob sic länger oder kürzer sind, aber einen
^wattigen Unterschied macht es bei dem schwachen und aus-
geiuergelten Individuum, während des Schlafes anstatt Leere,
euw mäßige Quantität Nahrung im Magen zu haben, die,
"ststatt durch Körperthätigkeit konsumirt zu werden, während
meser Pause der Ruhe dem herabgekommenen Organismus
zu Gute kommt. „Ich bin vollkommen überzeugt," sagt
Stowe, „daß, nähmen die Schwächlichen, die Ausgemer
selten und Schlaflosen ein leichtes, aus einfachen, nahrhaften
hoffen bestehendes Mahl vor dem Schlafengehen^ zu sich,
Reun von Zehn nnter ihnen würden eine höhere Stufe der
Gesundheit ersteigen. In meiner Spezalität als Nasen- und
^Alkopfarzt kommen mir Fälle vor, wo der Patient, außer
lokaler und konstitutionaler Behandlung, zugleich eine Ver-
ehrung nahrhafter Kost bedarf, und ich finde, daß meine
erordnung des Genusses einer Schale Milch, Brod und eines
Truges Bier mit einigen Biscuits, oder einer Schale Hafer-
ahl mit Rahm vor dem Schlafengehen nach ein paar Mo-
naten eine erstaunliche Zunahme des Gewichts, der Kraft und
allgemeinen Wohlbefindens im Gefolge hatten. Dagegen
sollten zu starke oder vollblütige Leute das unigekehrte Ver-
ehren beobachten." V. Fr.
Deutsche Sprache und deutscher Gelang vor lausend
''»tzren. — Als ungefähr im Jahre 868 Otfried von Weißen-
Pwg sein Evangelicnbuch geschrieben hatte, da entschuldigte er
üch in der Vorrede bei»! Erzbischof Liutpert von Mainz, daß
dl das in der ungebildeten und ungefügen deutschen Sprache
Hothan. Man könne ihr nicht den Zaum einer geregelten
(P.mumatik anlegen, ja es sei sogar schwierig, verschiedene
Wörter zu schreiben wegen der Zusammenhäufung oder der
"»bestimmten Aussprache der Buchstaben. - Eine solche Sprache
Günte sich zum Singen nicht eignen. Gab sich auch Karl
°or Große damit viel Mühe und ließ Sänger kommen aus
Italien zur Verbesserung des deutschen Gesangs, so klang
derselbe doch dem musikverwöhnten Zuhörer „wie das Geräusch
eines auf holperigem Wege einherrollenden Wagens". D
.. Der Schoßhund als Woöcarlilicr. — Zu den auffäl-
"gsten Modethorheiten des Mittelalters und der Neuzeit ge¬

hört die übertriebene Vorliebe für Schoßhündchen, die vom
Anfang des 12. bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts in
Europa herrschte. Abgesehen von dem theils ekelhaften, theils
lächerlichen Kultus, der mit den lieben Kötern getrieben wurde,
und von dessen Ausschreitungen noch heute (nicht gerade zur
Ehre des gesunden Menschenverstandes) die Einrichtungen des
HundepalaiS im Homepark zu Windsor Zeugnis; geben, ist
diese Mode gerade deshalb um so auffälliger, weil bekanntlich
bis in's 12. Jahrhundert hinein die schmählichste Strafe, die
einem Edelgeborenen aufgelegt werden konnte, eben im Hunde-
tragen bestand. Nach der polnischen Chronik des Martiuns
Gallus bot aber gerade diese Strafart den unmittelbaren An
laß zum Aufkommen jener sonderbaren Mode. Im Früh-
jahr 1073 trat nämlich (wie der Chronist berichtet) der rast-
lose Herzog Boleslaw II. von Posen (1058 bis 1080) einen
Kriegszug gegen Rußland an, ohne im Herbste mit dem Heere
wieder heimzukehren, wie es damals Sitte war. Er nahm
vielmehr im feindlichen Lande Winterquartiere, setzte dann im
folgenden Frühjahre seine Eroberungen fort und drang auf
diese Weise im vierten Jahre bis vor Kiew, das belagert
wurde. Während dieser Belagerung aber (im Sommer 1077)
trafen allerlei düstere Gerüchte beim polnischen Heere ein, als
hätten die daheim gelassenen Frauen, des Wartens überdrüssig
und an der Rückkehr der Gatten verzweifelnd, sich zur Wahl
neuer Ehemänner aus der Zahl ihrer Diener und Leibeigenen
entschlossen. Diese Kunde rief eine Empörung im Lager her-
vor. Die braven Polen, denen an ihren Weibern mehr als
an Kiew und dein ganzen Rußland gelegen war, kündigten
dein Herzog den Gehorsam und eilten in Gewaltmärschen nach
Hause, um ihrs Gattenrechte zu behaupten. Dis Pseudo-Ehen
wurden auch schnell gelöst, und die Heimgekehrten verziehen
ihren Frauen. -Nicht so aber Boleslaw, den dieser Zwischen-
fall um alle Früchte eines vierjährigen Kampfes betrogen
hatte. Er verordnete vielmehr, daß die strafbaren Edelfrauen
sich fortan immer nur mit eine»! jungen Hunde auf dem Arm
öffentlich zeigen sollten, nud hielt mit blutiger Strenge auf
die Befolgung dieses Befehls. Da nun aber im ganzen da-
maligen Herzogthum Posen nur drei Damen nicht von jener
Verordnung berührt wurden, so war das Hundetragen ein
allgemeines und erschien deshalb bald genug nicht mehr als
eine Schmach, sondern als eine Auszeichnung, die den ade
ligen Stand der Trägerinnen bekundete. Auf diese Weise
wurde das Hundetragen zunächst in Polen ein Attribut des
Adels und verbreitete sich dann als Modesache von Osten
nach Westen durch ganz Europa, wo diese Narrheit in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Frankreich ihren
Höhepunkt, mit dem Ausbruche der Revolution aber auch ihr
Ende erreichte. Habs-Randau
Afrikanisches Lekcnsakier. — „Was ist Zeit und
Raum für einen Sohn der Wüste," ruft Gustav Nnchtigal
bei seiner Schilderung der Aulad Soliman aus. „Ein Jahr
ist für ihn ivie ein Monat, wie eine Woche, wie ein Tag!"
Man kann diesen Ausspruch auf die meisten Afrikaner aus-
dehnen. Die Leute kennen nicht den Werth der Zeit und
kümmern sich wenig um die Jahre, die dahin fließen. Die
meisten Neger wissen auch nicht, wie alt sie sind. Ja, es
fehlt ihnen förmlich der Sinn für die Bestimmung des Lebens-
alters nach Jahren. Sie wollen wohl, je nachdem die Um-
stände es erfordern, jünger oder älter erscheinen, kommen aber,
wenn sie gefragt werden, mit der Jahresrschnung sehr in
die Brüche.
Ein hübsches Beispiel dafür erzählt Hauptmann Michel-
mann, der ehemalige Kommandant von Bagamoyo während
des Araberaufstandes. Vor den Thoren der Festung steht
unter anderen Sudanesen ein alter Knabe, der gewiß schon
sein fünfzigjähriges Landsknechtsjubiläum gefeiert hat. Ob
er noch felddienstfähig ist; und wie alt mag er sein? Vielleicht
weiß er es. Wollend probiren. Der Schwarze wird heran -
gewinkt.
„Weißt Du, was ein Jahr ist?"
„Ja, Herr!"
„Nun, wie viel Jahre alt bist Du?"
Einen Augenblick überlegte der Alte, dann entgegnete er
keck: „Vier Jahre!"
Der Mann wollte jünger erscheinen, er kalkulirte jeden-
falls, als er nach dein Alter gefragt wurde: „Aha, die wallen
mich vielleicht bald entlassen, da sie mich für zu alt halten,
da muß ich mich für jünger ausgeben!" Er verjüngte sich,
aber viel zu sehr, da er keiu Verständnis; für den Begriff
des Jahres in Verbindung mit dem Lebensalter besaß.
Ein anderes Beispiel. Am Fuße des Kilimandscharo re-
gierte bis vor Kurzem unter vielen anderen Fürsten auch ein
kluger Herr, Namens Mandara, der als „Bundesgenosse" der
Deutschen auch eine Gesandtschaft an unseren Kaiser in Berlin
geschickt hatte. Der Afrikareisende Ehlers hatte einst dem
Sultan Mandara von dein damals noch regierenden Kaiser
Wilhelm I. erzählt, seine Thaten, seine Weisheit gerühmt und
hinzugcfügt: „Er ist auch schon neunzig Jahre alt."
Mandara nickte Beifall, indem er sagte: „Ja das ist sehr
alt, aber ich, ich bin noch älter, ich bin schon zweihundert
Jahre!" In Wirklichkeit war er aber etwa fünfzig Jahre
alt. C. F.
Die ersten westsäkichen Wscnnige, welche König Jerome
Hieronymus schlagen ließ, die van 1808, hatten auf der Kehr-
seite die Buchstaben: 8. DI. Diese wurden allgemein so über-
setzt: „Hat nichts!" oder „Hans Narr!" und wenn auch einige
unbesonnene Schreier über diese spaßhafte Deutung in Strafe
genommen wurden, so konnte man doch dem niemals gedeu-
teten 8. Dl. den Volksruf nicht wieder nehmen, und später-
hin vermied man so viel als möglich diese Anfangsbuchstaben
des königlichen Namens. K. St.
Hin reisendes West. — Als man kürzlich in Mannheim
einen lange nicht gebrauchten Eisenbahnwagen in Bewegung
setzte, fand sich in der Nähe der Anhängkette ein Vogelnest,
in welchem gerade ein Rothkehlchen brütete. Der Wagen
wurde an einen Zug nach Karlsruhe angekoppelt, und unter-
wegs bemerkte der Kondukteur, wie bei manchen Stationen
das Rothkehlchen von seinem Neste aufflog und wieder zurück-
kehrte.
In Karlsruhe blieb der Wagen 36 Stunden, ging dann

wieder nach Mannheim zurück, machte dann einen Ausflug
nach Saarbrücken, und als er endlich nach vier Tagen wieder in
Mannheim in den Schuppen geschoben werden sollte, fanden
sich in dem Vogelneste vier junge Rothkehlchen, welche unter-
wegs trotz des Geräusches und Lärms der Eisenbahn aus-
gebrütet worden waren.
Man beobachtete das Nest noch einige Tage, während der
die Alten den Jungen Futter zutrugen. Dann flog mit einem
Male die junge Brut aus, und der Wagen hatte einen Zweck
erfüllt, der ihm gewiß durchaus ferne lag. W. H.
Hlom guten Geruch. - In „gutem Geruch" zu stehen,
war von jeher das Bestreben der Menschen, wenn es auch
nicht immer mit dem wüuscheuSwcrthen Geschick und Glück
durchgeführt wurde und meist einseitig auf die Sinnenwelt
beschränkt blieb, merkwürdigerweise zu den Zeiten des größten
Sittenvcrfalles am allermeisten. Wenn dies auch kein gutes
Zeichen ist, so soll damit etwas Nachtheiliges doch nicht vom
guten Geruch gesagt sein, obwohl wir der unmaßgebliche»
Meinung sind, das; die Abwesenheit jeglichen Geruchs der
beste „gute Geruch" sei.
Vollständig geruchlose Luft ist anerkannt die gesundeste,
wenn auch die so viel besungenen „balsamischen Lüfte" den
Sinnen angenehmer sein mögen, als ganz geruchlose.
Freilich sind die Ansichten darüber, was „balsamisch" ist,
bei den verschiedenen Völkern und zu verschiedenen Zeiten sehr
von einander abweichend gewesen. Die wilden Völkerschaften
in Afrika und Polynesien reiben sich den ganzen Körper mit
Fett ein, in dem Glauben, damit in „guten Geruch" zu kommen.
Ein Europäer kann aber eine»! derartig Gesalbten nur von
der Windseite nahen; geschähe es „unter" dem Winde, so
würde er eS gleich durch eine Ilebelkeit zu büßeu haben.
Die Anwendung wohlriechender Stoffe spielte schon im
Alterthum eine große Rolle. Die Römer, zumal in der Kaiser-
zeit, zogen Alles heran, was ihre durch Mißbrauch des Luxus
überreizten Sinne anzuregen vermochte. Die Bäder, die Zimmer,
die Betten wurden mit Parfüms besprengt. Dis Theater
wurden für die Vorstellungen ganz mit Wohlgerüchen erfüllt,
in erster Linie mit Safran, wie wir aus Martial wissen, oder
mit Zimmt. Das letztere scheint einer der am meisten be-
liebten Riechstoffe gewesen zu sein.
Für unfern Geschmack als gerade nicht besonderer Vorzug
erscheint es, daß die Römer sogar den Wein pnrfümirtcn.
Die mannigfachsten Stellen der alten Dichter legen Zeugniß
dafür ab. Selbst das Oel in den Lampen wurde parfümirt.
Das; man die Scheiterhaufen, auf welchen die Todten ver-
brannt wurden, mit Wohlgerüchen übergoß und mit duftenden
Kräutern überhäufte, ist bekannt.
Zur Herstellung der Riechstoffe lieferten Egypten, Arabien
und Indien, sowie die heutige Levante die Pflanzen. Es hatte
sich in Rom schon eine Industrie entwickelt, die Erstaunliches
leistete, aber auch viel Abgeschmacktes zu Tage förderte. Die
Rezepte dazu wurden als Geheimnisse ängstlich gehütet. Wie
heute Atkinson und Lohse, so gab es auch im alten Rom
Parfümcure von Weltruf, und die „Parfümeurs" Comus und
Nicerus wurden höher geschützt, als mancher große Geist, dessen
Werke noch heute in Aller Händen sind.
Schließlich wurden die Wohlgerüche auch nach Ständen
und sonstigen Rücksichten klassificirt. So gab es gewisse Par-
fümerien, welche nur vcrheiratheten Frauen und solche, die nur
jungen Mädchen zukamen. Alan konnte also buchstäblich
„riechen", mit wein man es zu thun hatte. Schr.
Hin gewissenhafter Advokat. — Zwei Nottinghamer
Spitzsnfabrikanten, Boville und Moore, Beide Besitzer von
Maschinenprivilegieu, führten im Jahre 1816 vor Gericht
Prozeß gegeneinander wegen angeblicher Patentverletzung.
Der Fabrikant Heathcoat in Tiverton, der sich die Ueberzeu-
gung verschafft halte, daß die sogenannten „Erfindungen"
beider Strcitparteien nur Abänderungen der von ihm selbst
patcniirten Bobbiuetmaschine seien, engagirte nun einen jungen
Rechtsgelehrten, Sir John Copley (nachmals Lord Lyndhurst),
um seiue (Heathcoat's) Erfinderrechte gerichtlich darzuthun
und zu wahren. Der geniale Advokat fand beim Durchlesen
der Aktenstücke, daß er ohne Detailkenntnisse in der Maschi-
nerie nicht erfolgreich plaibircn könne. Er reiste daher nach
Nottingham, wo er als Lehrling am Bobbinetstuhl so lange
verweilte, bis er im Stande war, ein Stück Bobbinet mit
eigenen Händen auzufertigen und alle Einzelheiten der Ma-
schine gründlich zu verstehen. -Am Terminstage ward die
Heathcoat'fche Maschine vor die Jury gebracht ; Lord Lyndhurst,
damals freilich noch Sir John Copley, setzte sich an den Web-
stuhl und zeigte den Geschworenen, indem er eigenhändig ein
Stück Zeug anfertigte, wie Boville's und Moore's Präten-
sioncu eigentlich nur Nachahmungen des Heathcoat'schen Prin-
zips seien. Heathcoat gewann den Prozeß. -Auf 10,000 Pfd.
Sterl. (200,000 Mark) beliefen sich die Prozeßkosten Heathcoat's
und auf 4000 Pfd. Sterl. oder 80,000 Mark jene der beiden
Gegenparteien. Aber indem Heathcoat durch den Ausgang
des Prozesses berechtigt wurde, eine jährliche Rente von allen
damals 'in Betrieb stehenden Maschinen seiner Art zu beziehen,
wurden diese enormen Kosten auf das Reichlichste wieder ein-
gebracht, und Lord Lyndhurst's Klient starb als mehrfacher
Millionär. vr. Sl. B.
Hin merkwürdiger Wratcn. — Bei dem großen Lord-
mayors-Bankett in London 1821 wnrde ein Stück Ochsen-
fleisch auf die Tafel gesetzt, welches sieben Jahre vorher, den
II. Oktober 1814, gebraten worden war. Sobald es gebraten
war, wurde es in ein Gefäß gelegt und dieses hermetisch ver-
schlossen. Das Gefäß wurde zweimal nach Nubien und wieder
zurückgeschickt, nach sieben Jahren geöffnet, das Fleisch neu
zubereitet, den Gästen vorgesetzt und von diesen sehr schmack-
haft befunden. W. H.
Immer sparsam. - Der Marschall d'Eströes, der Vicekönig
der französisch-amerikanischen Kolonien (f 1737), war ein leiden-
schaftlicher Spieler, dabei aber außerordentlich geizig. Eines
Abends verlor er über 100,000 Mark am Spieltische. Als er nach
Hause kam, fand er in seinem Schlafzimmer eine Kerze brennen,
sofort ließ er sie auslöschen und schalt seinen Diener, daß er ihn
durch seine Verschwendung noch zu Grunds richten werde. E. K.
 
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