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287

Heft 1Z.
fie die Farm, cS blieb ihnen also die Ursache verder-
ben, wegen deren die Staimnesgenossen vermeintlich zu
einem plötzlichen ungeregelten Angriff schritten.
Als der nur mit einem Revolver bewaffnete fremde
weiter in Nufesweite von den Flüchtlingen eingctroffen
war, befanden die vier Rogues sich kaum noch zweihun-
dert Ellen weit hinter ihm. In zügelloser Mordgicr
und blinder Wuth geißelten sie ihre Pferde zur Auf-
bietung der äußersten Kräfte, dadurch zugleich den
Abstand zwischen sich und den langsamer folgenden
Genossen schnell vergrößernd.
. „In den Bach mit Ihnen!" rief Lionel dem Her-
beisprengenden zu, welcher der Aufforderung unverzüglich
uachkam, „herunter vom Sattel, wenn Ihnen am
eigenen Leben und dem Anderer gelegen ist!" und fast
ebenso schnell stand der Fremde neben dem keuchenden
Pferde. Ein Wort genügte, Jurassie, die sich nur noch
wühsam aufrecht hielt, zu veranlassen, das Pferd zu
besteigen, und jetzt erst waren die Gefährten wieder
Stande, ihre Bewegungen soweit zu beschleunigen,
baß sie hoffen durften, noch vor Eintreffen der wilden
Horde hinter die Palissaden zu schlüpfen.
Während der Fremde in das Bett des Baches
hinabsetzte, war Vincenti nach dem Ufer hinauf gesprun-
gen. Der nächste Indianer war kaum noch hundert-
undfünzig Schritte weit entfernt, als er auf ihn feuerte.
Der Wilde stürzte rückwärts vom Sattel und blieb re-
gungslos liegen, mährend sein Pferd in der alten
Richtung weiter stürmte. Durchdringendes Heulen war
die Antwort auf den verderblichen Schuß. Grausamer
ließen die braunen Reiter die Geißeln auf die schäu-
menden Seiten ihrer Thiere fallen. Das Verschwinden
Vincenti's, der wieder in den Bach hinabgesprungen
war, mochte sie zu dein Glauben verleiten, daß, zumal
nach Entladen der von sicheren Händen geführten Büchse,
kein ernsterer Widerstand mehr zu erwarten sei. Ihre
Todesverachtung steigerte der Rachedurst bis zur Toll-
heit aber der Vorderste war noch nicht an denn
Erschossenen vorbei, als Lionel eine Strecke weiter
abwärts mit Kops und Schultern über dem Uferrande
auftauchte. Bei seinem Anblick griffen die Rogues in
die Zügel und warfen die Pferde herum. Einige Se-
kunden folgte Lionel dem Nächsten mit der Büchse, und
auf deren Knall galopirte ein zweites leeres Pferd
davon, den nut dem Fuße im Bügel hängenden Reiter
hinter sich her schleifend. Die beiden Änderen befanden
sich zu derselben Zeit auf dem Wege zu den hcrbeieilcnden
Genossen. Diese hatten sich in zwei Hälften getheilt,
deren eine den Schutz des Haines zu gewinnen trachtete,
während die andere die Richtung nach dem Gehöft
inne hielt.
Die beiden wohlgezielten Schüsse hatten sie vorsich-
tiger gemachst denn anstatt sich fernerhin den mörderischen
Kugeln auszusetzen, suchten sie, wo nur immer möglich,
den Schutz der Getreidefelder und der sie umschließen-
den Einfriedigungen. Trotzdem blieben sie im Vortheil,
weil die Windungen des Baches nicht abgekürzt werden
konnten, wogegen sie selbst, je nach der Bodengestaltung,
sprungweise vorrückten, ein Uebelstand, der dadurch,
baß Jurassie beritten war, nicht ganz ausgeglichen
wurde. Und so näherten sie sich, ähnlich auf blutiger
Führte einherheulenden Schweißhunden, mehr und mehr,
nur dann anhaltend und sich niederwerfend, wenn Lionel
oder Vincenti oberhalb der Bacheinsassung erschienen
und unbekümmert um die in wilder Hast ihnen zu-
gesendeten Kugeln, eine drohende Stellung annahmen.
Endlich, als nur noch eine kurze Strecke die Flücht-
linge von den Palissaden trennte, wo die dem Bach
Entsteigenden den allmälig in günstige Stellungen
gelangenden Wilden ein sicheres Ziel geboten hätten,
öffnete sich die nach dem Wasser führende Pforte. Ein
Mensch zeigte sich nicht, aber zwischen zwei Pfählen
hindurch lugte ein Büchsenlauf, und gleich darauf brach
ein Wilder, der eben hinter einem Heuhaufen hervor sein
Gewehr auf die Pforte richtete, unter dem Feuer zu-
sammen. Wie auf ein gegebenes Signal erstiegen
nunmehr Lionel, Vincenti, der Doktor und Pietro das
Ufer, um die nächsten Feinde mit angelegten Büchsen
zu bedrohen. Eine kürze Ruhepause entstand, und diese
benutzte Jurassie, deren Pferd der Fremde führte, vom
Sattel zu gleiten und hinter die Palissaden zu schlüpfen.
Jetzt säumten auch die Gefährten nicht länger. Bevor
die Wilden Zeit zur Erneuerung eines gemeinsamen
Angriffes fanden, gelangten sie kriechend sammt dem
Pferde ebenfalls auf den umfriedigten Hof, wo die
aus starken Bohlen gezimmerte Thür sich alsbald hinter
ihnen schloß.
Dort empfing sie eine ältere, hochgewachsene Frau,
deren gramdurchfurchtes Gesicht in seltsamem Widerspruch
mit dem aus ihren Augen sprühenden Haß stand,
und deren hagerer, zäher Körper von einem langen
Leben schwerer Arbeit zeugte. In der rechten Hand
trug sie die kurz zuvor abgefeuerte lange Büchse. Ohne
oin Wort des Grußes rieth sie mit düsterer Ruhe den
Mannern, an die Arbeit zu gehen und keinen Fehlschuß
zu thun. Sie wies über den engen Hofraum, wo
Wheeler, den linken Arm in einer Schlinge, mit der
rechten Faust den Kolben der zwischen zwei Planken

Das Buch für Alle.
ruhenden Büchse an die Schulter preßte und den gegen
hundert Schritte entfernten Hain fortgesetzt im Auge
behielt. Neben ihm kniete Eliza. Von ihrem Halse
hing eine Kugeltasche nieder. Vor sich hielt sie Pulver-
horn und Maß, um nach dem Abfeucrn sofort das
Laden zu übernehmen. Sie wurde Lioncl's und Vin-
centi's erst ansichtig, als diese neben sic hintraten und
ihre schußfertigenBüchsen zwischen die zugespitzten Pfahle
legten. Kaunr aber erkannte sie Jurassie, als sie zu
ihr hinüberflog rind mit beiden Armen ihren Nacken
umschlang.
„Ich habe so Fürchterliches erlebt," sprach sie unter
hervorbrechenden Thränen, rind Schluchzen erstickte fast
ihre Stimme, „James ist verwundet — durch den Arm
schossen sie ihn — ich mußte bei dem entsetzlichen Werk
mit Hand nnlegen —"
„Alles wird gut jetzt," suchte Jurassie die Verzwei-
felnde liebreich zu trösten, und was sie selbst in den
letzten vierundzwanzig Stunden erduldete, erschien ihr
nichtig im Vergleich mit dein dadurch erzielten Erfolg,
„gewiß, es wird Alles gut," wiederholte sie innig, „und
besser, als es zuvor gewesen —" das Weitere schnitt
der Knall ab, mit dem Wheeler's Büchse sich auf die
dem Hain zuschleichende Verstärkung entlud.
Eliza riß sich los. Ihr eben noch todtbleiches
Antlitz hatte sich vor der sie schüttelnden Erregung tief
geröthet. Einen flüchtigen Blick sandte sie nach der
anderen Seite des Hofes hinüber, wo der Doktor,
Pietro und der nunmehr cbenfall mit einer Büchse be-
waffnete Fremde die ihnen von der ernsten Frau an-
gewiesenen Posten einnahmen, und in der nächsten
Sekunde befand sie sich wieder bei James, um das
ihr gereichte Gewehr nach seiner Vorschrift zu laden.

Der Kinder Weihnachtstraum.
Gb auch Sorge und Noch sie umriugt,
Mutterliebe es doch erzwingt,
Daß ein Schimmer vom weihnachtsglanz
Niemals fehle den Rindern ganz.
M der Acrmsten, die krank und schwach,
Dunkel muß lassen das enge Gemach,
Drin noch vor'm Jahre es jauchzte und lachte,
Als sie den Rindern den Lhristbanm brachte.
Seuche raffte den Vater hin —
Aber den Kleinen will's nicht in den Sinn,
Daß der Todte im Himmel droben
Sie nicht sollte beim Christkind loben.
Harren und schwatzen im finsteren Raum:
„And es versprach uns, zu kommen, im Traum . . .
Mutter, es kommt noch — Du wirst seh'u,
Laß uns hinaus, ihm entgegen geh'n."
lind die weinende Frau sinnt nach.
Denkt der Fenster, hell wie der Tag,
Drin in der Stadt, wo Kerzenlicht
Strahlend in's Dunkel der Straße bricht.
Ja, das sollen die Rinder schau'n —
Sich an der Freude der Andern erbau'»!
Und so läßt sie zum Augenschmaus
Ihre zwei Kleinen zur Thür hinaus.
lvie sie staunen der Lichterpracht!
Denken der Engel himmlischer Macht,
Und des Christkinds, das sicherlich heut
Ihnen auch Gaben und Segen noch beut.
Schreiten und staunen unverwandt,
Traulich sich führend Hand in Hand,
Und von den Fenstern zum Stcrmmchor
Richten voll Hoffnung den Blick sie empor.
Da, auf einmal halt sie im Lauf
Eine freundliche Dame auf,
Fragt sie, nimmt mit sie, entläßt sie beschenkt —
„Siehst Du, das Christkindl doch au uns denkt."
Und mit ihren Schätzen verseh'n,
Froh und getröstet sie weiter geh'» —-
Mit beseligtem Gottvertran'n
Sie auf's Neue zum Himmel schau'».
Münder, o Münder! Melch' Leuchte», welch' Singen!
Schimmernde Molken und blitzende Schwinge»!
Aus der Höhe zu ihnen hernieder
Schweben Engel mit lichtem Gefieder.
lind es grüßt sie das Christkind hold . . .
Strahlend leuchtet der Stern von Gold
Auf dem herrlichste» Meihiwchtsbaum
Mie es die Rinder gesehen im Traum.
Als sie zur Mutter zurückgekehrt,
Mard auch der Aermsteu zu Meihnacht bescheret:
In der Rinder leuchtenden Mienen
war nun das Christkind auch ihr erschienen.

Äm Morgeil des ersten Weihmichtsfeiertllges.
(Siche das Bild aus Seite 281.)
?>sr Weihnachtsjubel unserer Kleinen, wenn sie alle die
schönen Gaben, die ihnen das Christkindlein bescheert hat,
unter dem strahlenden Christbaume entdecken, ist schon unzählige
Male geschildert worden. Kaum minder interessant aber ist

es zu sehen, wenn die Kinder ihren Spielgefährten die erhaltenen
Gaben vorzeigen, und sie nun untereinander ihre Vergleiche
anstelle». Eine derartige hübsche Scene nm Morgen des ersten
Weihnachtsfeiertages fuhrt uns das Bild auf S. 281 vor
Angen. Bald hier, bald dort öffnen sich die Hansthüren,
und die Kleinen schlüpfen auf die beschneite Straße, um sich
nach ihren Kameraden ulnznschauen. Das Mädchen in der
Mitte zeigt stolz die schöne neue Puppe, die sie bis jetzt in dem
Kinderwagen spazieren gefahren hat. Der kleine Nachbarssohn
aber tritt als schneidiger Kavallerist vor sie hin und zieht mit
strahlendem Gesicht gerade seinen Säbel. Ein Schlitten, den
er bekommen hat, und mit dein er die Mädchen galant spazieren
fahren wird, steht neben ihm. Sein kleines Schwesterchen ist
anch mitgekommen und hält gleichfalls eine Puppe auf dem
Arme. Als Vierter im Bunde erscheint dann auf der Schwelle
des Hauses noch ein prächtiger kleiner Mann, der in der be-
handschuhten Rechten eine Peitsche schwingt, während er auf
dem rechten Arni sein treues Roß trägt, mit dem er wohl
sofort im Schnee einen kühnen „Distanzritt" anstelle» wird.

Die Lrippeililidttsteic in Türkheim.
(Siehe da8 Bild auf Seite 284.)
^n vielen Gegenden Deutschlands, Ivie auch in Oberöster-
reich, Böhmen, Italien und den Niederlanden finden wir
den sinnigen Brauch, nicht nur in den Kirchen, sondern anch
in vielen Häusern zur Weihnachtszeit sogenannte „Krippen"
anfzustellen, welche von Jung und Alt jedes Jahr wieder
mit neuem Vergnügen betrachtet werden. Es ist daher nicht
zu verwundern, daß solche Krippen nebst den dazu gehörigen
Figuren auch gewerbsmäßig hergestellt und in den Handel
gebracht werden. Namentlich ist es die Firma Adolph Bader
in dem schwäbischen Orte Türkheim (siehe die Skizze 1 auf
unserem Bilde S. 284), welche sich schon seit Ende der sech-
ziger Jahre damit befaßt, sowohl große Krippen für Kirchen,
als anch kleine für Privatleute in großer Mannigfaltigkeit
anzufertigen. Dis Art und Weise, wie das geschieht, wird
unseren Lesern durch die übrigen Skizzen unserer Illustration
zur Anschauung gebracht. Auf Skizze 5 sehen wir daS kasteiu
artige Gestell einer solchen Krippe, wie es die Schreinerei
liefert, und in das dann zunächst das Holzgerippe für die
Felsenparthien eingesetzt und mit Baumrinde bekleidet wird.
So bekommt diese Gestelle der Bewurfsmaler, der das Holz
in den entsprechenden erdfarbigen Tönen grundirt, die Baum-
rinde durch seine Bemalung in ganz natürlich scheinende Felsen
verwandelt und das Stallgebäude oder die Grotte nnbringt.
Nach dem vollständigen Trocknen kommt ein anderer Arbeiter,
der die Parthien, welche Rasen dnrstellen sollen, grün be-
malt und bei größeren Krippen Wasserfälle und Teiche an-
bringt. Dis „Aussteckerin" belebt hierauf dis plastische Land-
schaft durch Einsetzen von getrockneten Gräsern, Moos, Bäum-
chen u. s. w. Nachdem nun der wieder von einem besonderen
Maler gefertigte Hintergrund (Skizze 2), der oft anch trans-
parent hergestellt wird, aufgesteckt worden, ist der „Krippen-
berg" versandtfertig. In fehr praktischer Weise werden dis
Krippen vom Schreiner so angefertigt, daß man sie ohne Kiste
und sonstige umständliche Verpackung versenden kann. Das
Nückentheil des Hintergrnndbildes ersetzt nämlich, wenn man
es umkippt, wie auf Skizze 6 zur Rechten zu sehen, ein Schutz-
brett für die plastischen Theile des Vordergrundes, und es
bedarf nur noch eines Ueberzuges aus Sackleinwand, um das
Ganze mit der Post oder Bahn versenden zu können. In
anderen Räumen der Fabrik werden die Krippenfiguren an
gefertigt. Auf Skizze 6 sehen wir in der Mitte, wie die nach-
her steinartig erhärtende Masse zuerst gekocht, dann geschlagen
und geknetet und endlich in die Formen eingepreßt wird.
Der Verputzer nimmt die Figuren aus den Formen, beschneidet
sie fein und gleicht alle Unebenheiten ans, läßt sie dann einige
Tage erhärten und schleift sie hierauf ab, bis sie zum Vcmalcn
fertig sind. Dies Bemalen der Figuren ist auf Skizze 6 zur
Linken dargsstellt: nachdem dieselben grundirt sind, bemalt
der eine Arbeiter nur die Gesichter und Hände, ein Anderer
ausschließlich die Gewänder, während ein Dritter das Vergolden
besorgt. Aufgabe des Geschäftsleiters ist es, von Zeit zu Zeit
immer neue Modelle nach guten Mustern aus Wachs zu formen
(Skizze 4) und sämmtliche Arbeiten zu überwachen, von der
Schreinerarbeit bis zur Fertigstellung der ganzen Krippe mit
den dazu gehörigen Figuren der Hirten und der Weisen aus dem
Morgenlande, mit den traditionellen Thiergestaltcn: Ochs und
Esel, Schafe und Knmcele, so daß daS Ganze eine namentlich
für die Kindergemüthsr anregende und erfreuende Darstellung
der Geburt Christi in dem Stalle zu Bethlehem gewährt
(Skizze 3), die wohl geeignet ist, ihre Weihnachtsfrende zu er-
höhen.

Der )ühe Goldonkel.
(Siehe das Bild auf Seite 28S.)
?>er Typus eines sogenannten Goldonkels ist in guter
Charakteristik durch den Pinsel von F. Schnitzler wieder-
gegeben worden, nach dessen Gemälde unsere Illustration auf
S. 285 gefertigt wurde. Wie behäbig sieht er in seinem Pelz-
rock aus! Wie sorgenlos gutmüthig ist sein rundes, von langem,
weißem Haar umwalltes Gesicht! Gern kommt er von seinem
Landgut gelegentlich in die Hauptstadt, wo eine verhcirathete
Tochter seiner leider ihm zu früh gestorbenen Schwester dafür
sorgt, daß er Unterhaltung und Gesellschaft habe. Er liebt
diese Nichte und ihr aufblühendes Töchterchen; es ist Alles,
was er noch an Familie hat. Ihnen fällt einmal sein statt-
liches Vermögen zu. Auch wenn er nicht ein so prächtiger,
heiterer alter Herr wäre, würde er als Goldonkcl von ihnen
auf Händen getragen werden. Sein Besuch kostet ihn denn
auch jedesmal ein Stück Geld. Man erwartet Geschenke von ihm
und ist daran gewöhnt, daß er sie macht. Aber er liebt es, daß
er von der Nichte deßwegen vorher schmeichlerisch bearbeitet werde,
spielt den Zähen und läßt sie gern eine Weile zwischen Hoffen
und Bangen. Um so freudiger ist dann dje Ueberraschnng,
wenn er nach allen Ausflüchten und Widersprüchen sich er-
 
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