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Das Bu ch f ü r Alle.
HM 22.
Hätte sie nur das Wort nicht gehört- „Was ein
Mann einmal geliebt hat, vergißt er nie wieder ganz."
Wie denn nun, wenn eine solche Neigung wieder-
erwachte? Oder gar nicht völlig erloschen gewesen
war?
Diese Gedanken quälten sie ohne Unterlaß bei Tag
und Nacht. Wie sollte sie auch vor ihnen Ruhe fin
deu? Nur am Bette des Oheims hatte sie zuweilen
darauf vergessen.
Der Arzt hatte heute von einer Besorgnis; erregen
den Abnahme der Kräfte gesprochen. In der That,
die Züge des Grafen zeigten eine merkliche Veränderung.
Sie wurden spitzer und länger, und schwarze Ringe
legten sich immer tiefer um die einsinkenden Augen.
Seine über die Decke hingestreckten Hände bewegten
Humoristisches.
Die Heilung des Mondsüchtigen.
Von W. Hrögker.
Die Mondsucht hat der Seppl. Wie er ausschaut, der
arme Bua, zum Derbarmcn. Weißt, HuLcrbäuerin, probir's
a mal beim Wurzelgraber im Tirolischen drüben, der weiß
gewiß 'was dafür.
Ich mein' halt, das Beste, wird sein ein' tüchtigen Ader-
laß! Er wird zwar a bißl schwach, aber wenigstens gibt er
nachher a Ruh bei der Nacht.
Also Alles habt's schon versucht gegen Mondsucht uud
nix hat geholfen. Da weiß ich ein einfaches Mittel — die
das ist Alles, das Weitere besorg' schon ich.
Weg war die Mondsucht! uud wie der Maler aus'ü
Jahr wieder kommeu ist, ist der Sepp so ein Mordslall ge-
worden, daß ihn der Maler kaum wieder erkannt hat.
Das Kräntl da aus 'n Teufels Wurzgartl am wilden
Kaiser ko^ ,.b und gibst ihm alle Tag 1 Liter voll; dann,
wenn Vollmond is, reißt ihm sieben Haar aus und gräbst eS
bei der Kirchhofmauer ein, bet' dazu sieben Vaterunser und
in vier Wochen is der Bua g'sund.
O heiliger Sebastian, jetzt kraxelt er schon wieder am
Dach umanand sammt seiner Schwächen, bis er sich einmal
's Gnack bricht.
Aha! er rührt sich schon, gleich wird's ihn wieder-
packen! Na, jetzt paßt's auf. Jetzt kommt die Kur!
Hie und da einmal ist der Sepp zwar auch bei der
Nacht vcrschwundeu und in der Nachbarschaft auf den Häusern
herumgcsticgcn, aber da war's stichdunkel und nur die Hof-
baucrzenz hat davon gewußt.
Jetzt hab'n wir Alles genau so gemacht vier Wochen
lang, und da hast ihn wieder am Dach droben. Heilig's
Donnerwetter! Morgen fährst zum Bader in d' Stadt nein
damit.
Ah, grüß Gott, Herr Maler, seid's auch wieder da!
Na, wie geht's, Huberbäuerin, Ihr macht ja ein Gesicht
wie neun. Tag Negenwetter, wo fehlt's denn?
Au, autsch -- hu, hu, hutschala! Ai, ai! hört's auf!
hört's auf!!
Na wart', ich will Dir die Mondsucht vertreiben!
Und wie auf Katrein der Sepp und die Zenz Hochzeit
g'habt haben, ist eS kreuzfidel zugegangen, und der Maler,
der den Sepp so glücklich kurirt hat, ist als Beistand auch
dabei gewesen.
sich nicht mehr, aber sein Geist arbeitete noch, das sah
man. Er fühlte seinen Zustand. Und diese Erkennt-
nis; vollendete die Qual seines ablaufenden Lebens.
Else, Rhena und der alte Friedrich wechselten mit-
einander jetzt regelmäßig am Bette des Sterbenden ab,
während ein jüngerer Diener den Korridor nicht ver-
ließ, etwaige Aufträge entgegenzunehmen.
Augenblicklich saß die kleine Komtesse neben dem
Grafen. Seine Lider öffneten sich schwer. Zugleich
bewegte er die Lippen.
„Was willst Du, Onkel?" fragte Rhena, sich ihren
aufreibenden Gedanken mit Gewalt entreißend. „Du
hast einen Wunsch? Nein? Ja, doch ! Sprich!"
Sie neigte das Haupt dicht zu seinem Munde.
Der kurze Wintcrtag ging draußen zur Neige. Die
Dämmerung wollte hcreinbrechen.
Rhena verstand seine gebrochenen Laute immer an>
besten, aber was der Kranke jetzt vor sich hinmurmelte,
blieb ihr unverständlich. Sie merkte nur, das; er drin-
gend wünschte, verstanden zu werden.
„Willst Du etwas sagen?" fragte sie, seine Stirn
küssend. „Oder haben? Soll ich Dir etwas gebens
Mit großer Mühe enträthselte sie ein Wort, welches
vielleicht „Kasten" heißen konnte.
Das Bu ch f ü r Alle.
HM 22.
Hätte sie nur das Wort nicht gehört- „Was ein
Mann einmal geliebt hat, vergißt er nie wieder ganz."
Wie denn nun, wenn eine solche Neigung wieder-
erwachte? Oder gar nicht völlig erloschen gewesen
war?
Diese Gedanken quälten sie ohne Unterlaß bei Tag
und Nacht. Wie sollte sie auch vor ihnen Ruhe fin
deu? Nur am Bette des Oheims hatte sie zuweilen
darauf vergessen.
Der Arzt hatte heute von einer Besorgnis; erregen
den Abnahme der Kräfte gesprochen. In der That,
die Züge des Grafen zeigten eine merkliche Veränderung.
Sie wurden spitzer und länger, und schwarze Ringe
legten sich immer tiefer um die einsinkenden Augen.
Seine über die Decke hingestreckten Hände bewegten
Humoristisches.
Die Heilung des Mondsüchtigen.
Von W. Hrögker.
Die Mondsucht hat der Seppl. Wie er ausschaut, der
arme Bua, zum Derbarmcn. Weißt, HuLcrbäuerin, probir's
a mal beim Wurzelgraber im Tirolischen drüben, der weiß
gewiß 'was dafür.
Ich mein' halt, das Beste, wird sein ein' tüchtigen Ader-
laß! Er wird zwar a bißl schwach, aber wenigstens gibt er
nachher a Ruh bei der Nacht.
Also Alles habt's schon versucht gegen Mondsucht uud
nix hat geholfen. Da weiß ich ein einfaches Mittel — die
das ist Alles, das Weitere besorg' schon ich.
Weg war die Mondsucht! uud wie der Maler aus'ü
Jahr wieder kommeu ist, ist der Sepp so ein Mordslall ge-
worden, daß ihn der Maler kaum wieder erkannt hat.
Das Kräntl da aus 'n Teufels Wurzgartl am wilden
Kaiser ko^ ,.b und gibst ihm alle Tag 1 Liter voll; dann,
wenn Vollmond is, reißt ihm sieben Haar aus und gräbst eS
bei der Kirchhofmauer ein, bet' dazu sieben Vaterunser und
in vier Wochen is der Bua g'sund.
O heiliger Sebastian, jetzt kraxelt er schon wieder am
Dach umanand sammt seiner Schwächen, bis er sich einmal
's Gnack bricht.
Aha! er rührt sich schon, gleich wird's ihn wieder-
packen! Na, jetzt paßt's auf. Jetzt kommt die Kur!
Hie und da einmal ist der Sepp zwar auch bei der
Nacht vcrschwundeu und in der Nachbarschaft auf den Häusern
herumgcsticgcn, aber da war's stichdunkel und nur die Hof-
baucrzenz hat davon gewußt.
Jetzt hab'n wir Alles genau so gemacht vier Wochen
lang, und da hast ihn wieder am Dach droben. Heilig's
Donnerwetter! Morgen fährst zum Bader in d' Stadt nein
damit.
Ah, grüß Gott, Herr Maler, seid's auch wieder da!
Na, wie geht's, Huberbäuerin, Ihr macht ja ein Gesicht
wie neun. Tag Negenwetter, wo fehlt's denn?
Au, autsch -- hu, hu, hutschala! Ai, ai! hört's auf!
hört's auf!!
Na wart', ich will Dir die Mondsucht vertreiben!
Und wie auf Katrein der Sepp und die Zenz Hochzeit
g'habt haben, ist eS kreuzfidel zugegangen, und der Maler,
der den Sepp so glücklich kurirt hat, ist als Beistand auch
dabei gewesen.
sich nicht mehr, aber sein Geist arbeitete noch, das sah
man. Er fühlte seinen Zustand. Und diese Erkennt-
nis; vollendete die Qual seines ablaufenden Lebens.
Else, Rhena und der alte Friedrich wechselten mit-
einander jetzt regelmäßig am Bette des Sterbenden ab,
während ein jüngerer Diener den Korridor nicht ver-
ließ, etwaige Aufträge entgegenzunehmen.
Augenblicklich saß die kleine Komtesse neben dem
Grafen. Seine Lider öffneten sich schwer. Zugleich
bewegte er die Lippen.
„Was willst Du, Onkel?" fragte Rhena, sich ihren
aufreibenden Gedanken mit Gewalt entreißend. „Du
hast einen Wunsch? Nein? Ja, doch ! Sprich!"
Sie neigte das Haupt dicht zu seinem Munde.
Der kurze Wintcrtag ging draußen zur Neige. Die
Dämmerung wollte hcreinbrechen.
Rhena verstand seine gebrochenen Laute immer an>
besten, aber was der Kranke jetzt vor sich hinmurmelte,
blieb ihr unverständlich. Sie merkte nur, das; er drin-
gend wünschte, verstanden zu werden.
„Willst Du etwas sagen?" fragte sie, seine Stirn
küssend. „Oder haben? Soll ich Dir etwas gebens
Mit großer Mühe enträthselte sie ein Wort, welches
vielleicht „Kasten" heißen konnte.