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heft 27.


Das Bach für Alle.


häufe eingeschlossen ist. Eine außen befindliche Kurbel
gestattet das Drehen des Räderwerkes und treibt da-
durch die Zahnstange in die Höhe. Dieses Instrument
hat eine außerordentliche Gewalt, und kein eiserner
Geldkasten konnte ihm widerstehen.
Da erschienen auf der Londoner Industrieausstellung,
der sogenannten ersten „Weltausstellung" im Jahre 1852
die ersten „feuer- und diebessicheren Geldschränke". Diese
neu konstruirten Schränke bestanden aus Eisen-
platten und zwar aus doppelten Eisenwänden,
die mit Asche gefüllt waren. Das gab den
Feuerschutz ab. Den Einbrecherschutz aber
sollten die ebenfalls neu erfundenen „Brah-
maschlösser" liefern, die allerdings von allen
bekannteil Konstruktionen abwichen lind vor
Allem nicht mit Nachschlüsseln geöffnet werden
konnten. Ebensowenig konnten Krummkopf
und Wagenwinde gegen die neuen Geldschränke
etwas ausrichten.
Die neue Erfindung fand daher auch allge-
mein Anklang, in allen Staaten entstanden
Fabriken von Geldschränken, und in Deutsch-
land verschaffte sich die heute noch bestehende
Fabrik von Arnheim m Berlin einen großen
Ruf. Polizei und Besitzer von Geldschräuken
jubelten, den Kassendieben schien das Hand-
werk endgiltig gelegt. Selbst der berühmte
Berliner Polizeidirektor Stieber schrieb in sei-
nem im Jahre 1860 erschienenen „Praktischen
Lehrbuch der Kriminalpolizei" i „Seit Erfin-
dung dieser Geldspinden hort man nichts mehr
von großen Diebstählen an barem Gelds. Diese
Geldspenden sind nut Brahmaschlössern ver-
sehen, die von Unbefugten nicht geöffnet werden
tonnen, überdies sind diese Spinden so schwer,
daß eiil Transport derselben unausführbar ist.
Nicht nur jede königliche Kasse, sondern jeder
vermögende Privatmann besitzt jetzt ein der-
artiges eisernes Spind."
Der gute Stieber uud alle anderen Per-
sonen, die an die Diebessicherheit der eisernen
Geldschränke glaubten, sollten sich gar sehr
irren. Die Einbrecher waren wohl zuerst über
die neue Einrichtung verblüfft, dann aber
machten sie sich eifrig an die Bekämpfung
derselben. In England zuerst begannen sie die
Geldschränke mit vortrefflichen Stahlbohrern
anzugreifen und zwar mit Erfolg: bald folgten
ihnen die deutschen „Berufsgenossen", und in
Berlin bildeten sich die sogenannten „Arnheimer",
d. h. die Spezialisten, welche ausschließlich Geldschränke
aus der Fabrik von Arnheim erbrachen, zu einer beson-
deren, bald sehr gefürchteteil Zunft aus. Wer „Arn-
Heimer" werden wollte, mußte in erster Linie ein tüch-
tiger Schlosser sein und in zweiter genau Bescheid mit
den verschiedenen Konstruktionen der Gcldschränke aller
Fabriken wissen
Nachdem erst die „Arnheimcr" mit den ersten Ver-
suchen Glück gehabt hatten, gingen sie energischer vor,
und in deii siebziger Jahren wurden Hunderte von
Diebstählen und Einbrüchen m sogenannte diebessichere
Geldschrünke begangen. Die Fabrikanten mußten sich
entschließen, an Stelle der bisherigen Eisenplatten für
die Geldschrünke Stahlplatten zu verwenden. Dieser

Lage gebracht, bis er endlich flach auf der Erde ruhte.
Diese Manipulation mußte sehr vorsichtig vorgenommen
werden: denn waren die „Arnheimer" ungeschickt, oder
brachen ihnen die Untcrstützungspunkte, so stürzte der
Geldschrank mit furchtbarem Krach auf den Boden, und
durch den Schlag und das Erzittern des ganzen Hauses
wurden die Einbrecher verrathen.
Hatten sie nun aber den Geldschrank leise auf das
Gesicht zu legen vermocht, so suchten sie an
der Rückwand diejenigen Stellen aus, wo an
der Kante zweier Wände die Niete saßen. Mit
vorzüglichen Hartmeißeln aus Stahl wurden
die Köpfe der Niete abgesprengt; manchmal
genügte es, einen einzigen Nietkopf fortzu-
brechen. Dann wurde der Hartmeißel mit Ge-
walt in die Fuge geschoben, und die Rückwand
ein wenig abgehoben War genügend Platz
vorhanden, so wurde der Krummkopf in die
Oeffnung geschoben, und durch Hebelkraft die
Rückwand des Geldschrankes herausgewuchtet.
Wieder also hatten die Einbrecher gesiegt,
und die Fabrikanten mußten eine Verbesserung
der Geldschränke erfinden. Es erinnert dieser
Wettkampf zwischen den „Arnheimern" und
den Geldschrankfabrikanten an den heute toben-
den Kampf zwischen Panzerplatte und Granat-
geschoß.
Die englischen Geldschrankfabrikanten er-
fanden jetzt die Panzerung. Es wurde der
Tresor, d h derjenige Theil des Geldschran<
kes, welcher vor Allem zur Aufnahme von
Werthpapieren und barem Gelds dient, mit
besonderen Stahlplatten gepanzert, ebenso
wurde die Außenseite des Geldschranks mit
Panzerplatten verfehen. Um das Absprengen
der Niete aber zu verhinderns begannen die
Fabrikanten den Kasten, aus den: der Geld-
schrank besteht, unter dem Dampfhammer aus
einem Stück zu schweißen: nur diejenige Seite
des Kastens blieb frei, in welche später die
Thür eingehängt wurde.
Diese Panzerplattenschräuke galten für das
Ideal der Sicherheit, und in der That hörte
man eine Zeitlang nichts von neuen Einbrü-
chen. Die Berliner Verbrecher, welche für ganz
Deutschland die vorzüglichsten „Arnheimer"
liefern, errichteten aber in aller Stille im Nord-
osten der Reichshauptstadt eine Versuchswerk
statt. Bei einem „Arnheimcr", einem frühe-
ren Schlosser, der eine längere Zuchthausstrafe abge-
sessen hatte und sich nun anscheinend von ehrlichem
Handwerk ernährte, errichtete man eine besondere Ver-
suchsstation, in welcher Tag und Nacht von den „Arn-
heimern" gearbeitet wurde. Die Existenz dieser eigen-
thümUchen Werkstätte wurde der Berliner Kriminal-
polizei „verpfiffen", d h. verrathen, und als sie das
Nest aufhob., bot sich ihr ein seltsamer Anblick. In der
heimlichen Werkstätte fand man die neuesten und besten
Panzer- und Stahlplatten, und an jeder einzelnen die
Spuren der verschiedensten Versuche, deu Panzer zu
durchbrechen.
Einige Wochen später wurde in der That der erste
gepanzerte Geldschrank von den „Arnheimern" erbrochen
und beraubt, und die Polizei erstaunte über d'.e ge-

Stahl wurde mit einer besonders harten, glasartig
spröden Außenhaut versehen, an welcher alle Arbeiten
mit Instrumenten unmöglich gemacht werden sollten.
Die „Arnheimer" ruhten indeß nicht, sondern schlugen
eine neue Methode des Einbruchs ein. Sie entdeckten,
daß die schwächste Stelle der eisernen Geldschrünke die
Rückwand sei, und deshalb operirten sie folgendermaßen.
Sobald sie in ein Geschäftslokal eingedrungen waren,

Jaliov Wokeschott ch (S 659)
wurde der Geldschrank, wie der Kunstausdruck lautet,
„auf das Gesicht gelegt", d. h. flach auf den Boden ge-
legt, so daß die Vorderwand unten lag und die Rück-
wand nach oben kam und allen Angriffen der Ein-
brecher preisgegeben war. Bekanntlich haben die eisernen
Geldschrünke ein Gewicht von mehreren Eentnern, und
eS war deshalb nicht leicht, einen solchen Geldschrank
umzulegen Aber die Einbrecher wußten sich auch rn
diesem Fall zu helfen ; sie brachten den Geldschrank erst
in eine geneigte Stellung und unterstützten ihn in der-
selben durch Unterschieben von Möbelstücken, in kauf-
männischen Geschäften gewöhnlich durch das Unterschieben
von Schreibpultcn, Schreibtischen, Komptoirstühlen u. s. w.
Durch vorsichtiges Verschieben der Untcrstützungspunkte
wurde der Geldschrank mehr und mehr in eine schräge


Das mohammedanische Aagr-i-id oder Knhsest in Indien; Mohammedaner von Main! Hak im Kevet. (S. 659)
 
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